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Schnitte der Woche IV

Herzog-Kommission. »Selten hat mich etwas so geschockt wie diese Vorschläge«, sagte am vergangenen Samstag der Gesundheitsexperte der CSU, Horst Seehofer, zu den Vorschlägen der Herzog-Kommission der Berliner Zeitung. Der letzte Gesundheitsminister der Regierung Kohl und stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Union erkannte schlagartig, dass das neue »Kopfpauschalen-Modell« die Wirtschaft entlaste, Menschen mit geringem Einkommen und Kranke jedoch stark belaste. Wie Schuppen von den Augen fiel es ihm offenbar, dass hinter diesen Absichten möglicherweise ein System stecken könne.

Die Herzog-Kommission will unter anderem das Paritätsprinzip aufkündigen, die Höhe der Versicherungsbeiträge unabhängig von den Einkommen regeln, unter anderem auch die Unfallversicherung privatisieren und die volle Rente nur noch nach 45 Beitragsjahren auszahlen.

Fortsetzung folgt

Quatsch des Quatschs

Herzog-Konvent. Sie arbeiten Tag und Nacht wie die Ameisen an ihrem Projekt. Neue Ideen werden entwickelt und Initiativen gegründet. Schluss mit dem Reformstau, schallt es durch Deutschlands Straßen! Die Reformwilligen lassen sich nicht mehr bremsen, sie kommen zusammen und arbeiten an ihrer friedlichen Revolution. Erst vergangene Woche gründete sich wieder eine Initiative, die Deutschland voranbringen will.

»Konvent für Deutschland« nennt sich der Verein, den der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog (CDU) und der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, ins Leben riefen. Dabei sind auch der Ehrenvorsitzende der FDP, Otto Graf Lambsdorff, der frühere Bürgermeister von Hamburg, Klaus von Dohnanyi, und Oswald Metzger von den Grünen. Diese neue Art der Einheitsinitiative hat sich allerdings das schier Unglaubliche zum Ziel gesetzt. Nein, es geht nicht um irgendeine Reform, die da unterstützt werden soll, sondern es geht dieses Mal schlicht und ergreifend um die »Reform der Reformfähigkeit« Deutschlands.

Und damit sind wir an einem Punkt angelangt, an dem man sich ernsthafte Sorgen um den Zustand der alternden deutschen Elite machen muss. Mal ehrlich: Ist das nicht der Gipfel des Gipfels? Ist das nicht, als gäbe man bei Google das Wort »Google« ein? Immer schön auf dem Teppich des Teppichs bleiben, Herr Herzog!

Brief an die Alliierten

KZ-Gedenkstätte. Die Schließung der Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Lichtenburg stehe unmittelbar bevor, berichtete das Neue Deutschland am vergangenen Samstag. Sogar das vom Landkreis Wittenberg (Sachsen-Anhalt) eingeplante Geld für einen Umzug der Gedenkstätte in einen Seitenflügel der Burg – was von Opferverbänden heftig kritisiert wird – würde nun wahrscheinlich gestrichen. Der Grund ist ein Haushaltsdefizit in der Höhe von 14 Millionen Euro.

Nun hat der Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener (IVVdN) die Botschafter der ehemaligen Anti-Hitler-Koalition und Israels um Hilfe gebeten. Ein »unerhörter Skandal« sei es, die Gedenkstätte eines solch bedeutsamen Konzentrationslagers zu schließen, heißt es in ihrem Brief.

Schon seit mehreren Jahren kämpfen Verbände von Überlebenden der Konzentrationslager und Verfolgte des Nationalsozialismus für den Erhalt der Gedenkstätte. Das KZ Lichtenburg war neben Dachau eines der ersten, das die Nazis errichteten. Dort waren vor allem politische Gegner, Juden, Zeugen Jehovas und Homosexuelle inhaftiert. Es diente als Modell und »Ausgangslager« für Buchenwald und Ravensbrück. Zwischen Ende 1937 und Mai 1939 war die Lichtenburg das einzige Konzentrationslager für Frauen. Kein anderes Lager in der Bundesrepublik ist in seiner Substanz vollständig erhalten.

Karrieremädchen

Grundschulen. Jetzt ist es raus: Mädchen sind gar nicht benachteiligt. Ganz im Gegenteil. Weil an den Grundschulen zu viele Lehrerinnen unterrichten, schneiden Jungs in der Schule schlechter ab als Mädchen und machen an den Gymnasien nur noch einen Anteil von 45 Prozent aus. Ja, es habe eine »Feminisierung des Schulbetriebs« stattgefunden, sagte der Bildungsminister Niedersachsens, Bernd Busemann (CDU), nach Angaben der Berliner Zeitung, und deshalb habe der männliche Nachwuchs keine Vorbilder, an denen er sich orientieren könne. Sogar eine Männerquote sei im Gespräch, um diesen Notstand zu beseitigen.

Wirklich schlimm, dass sich die Männer in den Führungspositionen der Unternehmen, in den höheren Gehaltsklassen aller Betriebe und Universitäten, in den Parlamenten und Regierungen sowie in den besser bezahlten Stellen an höheren Schulen vor den kleinen Buben verstecken. Wie sollen die Jungs bloß auf die Idee kommen, dass auch sie Karriere machen können?

Prost, Plastik!

Plastikflaschenbier. Bei den Discountern ist es nicht mehr zu übersehen: Die »Zwangspfandregelung« des Bundesumweltministeriums ruiniert die Bierdosenkultur. Wo keine »Insellösung« in Sicht ist, sind die blechernen Freunde dem Untergang geweiht.

Doch die Regale bei Aldi oder Plus werden nicht leer bleiben. Holsten und andere Qualitätsmarken wollen künftig Bier in Plastikflaschen abfüllen. »Das vermeintliche Tabu ist gebrochen«, schrieb die Lebensmittel-Zeitung. Die neuen PET-Flaschen mit Schraubverschluss werden aber auch pfandpflichtig und nicht wiederverwertbar sein.

Bier aus Plastikflaschen. Das ist zweifelsohne härter als die Gewöhnung an Twix und den Euro. Vielleicht ist es sogar der größte Tabubruch der Republik seit ihrem Bestehen.