Nachrichten

Balkan ohne Nato

EU/Bosnien-Herzegowina. Der Aufbau einer eigenständigen militärischen Struktur der Europäischen Union kommt voran. Die EU-Verteidigungsminister bieten jetzt der Nato an, im nächsten Jahr die Sfor-Mission in Bosnien-Herzegowina zu übernehmen. Bei einem informellen Treffen am vergangenen Samstag in Rom haben sie sich darauf geeinigt, dass Großbritannien die Führung der etwa 6 000 Soldaten übertragen wird. Bislang leitet die EU lediglich die Friedensmission in Mazedonien. Dass ihre neuen Pläne auf Widerstand stoßen, glauben die Minister nicht. Zumindest der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck ist sich sicher, dass die USA wegen des Irakeinsatzes die Zahl ihrer Truppen in Bosnien gerne reduzieren werden.

Struck ist auch optimistisch, dass die EU bis Ende des Jahres eine Planungszelle für eigene Militäroperationen aufbauen kann. Wo und in welcher Form die Einheit geschaffen wird, ist noch offen. Denn gleichzeitig geht der Streit um ein von der Nato unabhängiges militärisches EU-Hauptquartier weiter. Der italienische Verteidigungsminister Antonio Martino rief in Rom seine Amtskollegen dazu auf, die »Provokation unnützer Polemik« zu beenden.

Vor allem die Bundesregierung hat sich zusammen mit Frankreich, Belgien und Luxemburg für ein eigenes Hauptquartier ausgesprochen. Italien und Großbritannien wollen stattdessen eine EU-Planungseinheit innerhalb der Nato-Strukturen.

Voll autonom

Spanien. Was der Separatistenorganisation Eta mit Bomben und Pistolen nicht gelang, möchte der baskische Ministerpräsident Juan José Ibarretxe demnächst per Abstimmung erreichen. Am 25. Oktober will er im baskischen Regionalparlament einen Entwurf vorstellen, der innerhalb weniger Jahre zur Unabhängigkeit führen soll. Demnach soll die bislang weitgehend autonome Region eine vom spanischen Zentralstaat unabhängige Justiz sowie das Recht erhalten, eigene diplomatische Vertretungen einzurichten – was eine faktische Loslösung von Spanien bedeuten würde. Spätestens 2005 soll ein Referendum über die Unabhängigkeit abgehalten werden, anschließend stehen dann Verhandlungen mit der Regierung in Madrid auf dem Programm. Ibarretxe zeigt sich dabei unbeeindruckt von der Tatsasche, dass sein Entwurf sowohl dem baskischen Autonomiestatut als auch der spanischen Verfassung widerspricht. Spaniens Ministerpräsident José Maria Aznar hat das Vorhaben in der vergangenen Woche scharf verurteilt und Ibarretxe »keine Chancen« eingeräumt.

Ungesetzliche Kämpfer

Brüssel. Mit der Situation von EU-Bürgern, die von den USA auf der kubanischen Marinebasis von Guantanamo Bay festgehalten werden, hat sich am vergangenen Dienstag der Ausschuss für Freiheiten und Bürgerrechte in einer Anhörung beschäftigt. Abgeordnete, Familienangehörige und Anwälte der aus Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Schweden und Dänemark stammenden Häftlinge appellierten an die EU-Staaten, bei der Regierung der USA gegen die Behandlung der Gefangenen zu protestieren.

Die Marinebasis von Guantanamo dient seit zwei Jahren als Gefangenenlager, 660 Menschen aus insgesamt 42 Ländern sind dort inhaftiert. Die US-Regierung verweigert ihnen den Status und die Rechte von Kriegsgefangenen, da sie als »unlawful combatants«, ungesetzliche Kämpfer, gelten. Diese Bezeichnung existiere jedoch im internationalen Recht nicht, erklärte in Brüssel der Anwalt eines der in Guantanamo gefangenen EU-Bürger. Wenn die Häftlinge als Kriegsgefangene anerkannt sind, dann gilt die Genfer Konvention, wenn nicht, haben sie trotzdem das Recht auf einen Anwalt, das Recht darauf, den Haftgrund zu erfahren und ihn von einem Richter überprüfen zu lassen.

Kein Sinn fürs Leben

Schweiz. Am Ende hat es doch nicht geklappt. Nach einer hitzigen Debatte setzten sich vergangene Woche im Nationalrat in Bern rechte Politiker aus der französischen Schweiz durch und verhinderten mit ihrem Nein bei der Abstimmung im Parlament, dass der Cannabis-Konsums liberalisiert werden kann. Die Schweizer müssen also weiterhin sorgsam darauf achten, wo sie ihre Tütchen rauchen. Allerdings will der Bundespräsident und Gesundheitsminister Pascal Couchepin trotz der Niederlage nicht aufgeben und hält weiter an einer Liberalisierung fest. Die Cannabis-Gegner hätten seiner Meinung nach zwar »viel Sinn für den Staat, aber wenig Sinn für sein praktisches Leben«. Couchepin erwägt nun ein Kompromissangebot. Demnach bleibt der Konsum von Cannabis zwar weiterhin verboten. Doch im Falle von jugendlichen Konsumenten unter 18 Jahren soll wenigstens auf einen Eintrag ins Strafregister verzichtet werden.

Sie, das andere Europa

Italien. Schon am vergangenen Freitag ging es los. Aber friedlich. Die Proteste gegen die Regierungskonferenz zur Verabschiedung der EU-Verfassung in Rom begannen mit einer Ladung Mist vor Silvio Berlusconis Wohnung. Am nächsten Tag ging es etwas heftiger zur Sache. Rund 80 000 Globalisierungsgegner demonstrierten und versuchten dabei, den Polizeiring um den weiträumig abgesperrten Veranstaltungsort zu durchbrechen. Diesmal gab es keine »rote Zone« wie in Genua, die die europäischen Politiker schützte. Dafür wurden fast alle öffentlichen Plätze in Rom von Kameras überwacht, und rund um das Kongressgebäude waren Scharfschützen postiert. Als die Demonstranten, die »Wir sind das andere Europa« skandierten, in unmittelbarer Nähe des Versammlungsorts ankamen, kam es zu Straßenschlachten mit den 9 000 Sicherheitskräften, die das Konferenzgebäude abriegelten. Die Polizei setzte Tränengas ein und drängte die Demo zurück. 50 Leute wurden festgenommen, mindestens ein Mensch wurde verletzt. Auch in der Innenstadt kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, als mehrere hundert Menschen das Büro einer Arbeitsvermittlung zerstörten und andere zwei Tankstellen und die Filiale einer italienischen Bank beschädigten.