Reformstau in der Uno

Schröder macht so weiter wie bisher von carlos kunze

Letzte Woche in New York. Es ging um die Zukunft des Irak. Und um die der Uno. Und um das Verhältnis zwischen Deutschland, Frankreich, Russland einerseits und den Vereinigten Staaten andererseits. Was im Hinblick auf eine UN-Resolution zum Irak dabei herauskommt, ist noch unklar. Aber, viel wichtiger für Deutschland: Nach 30 Jahren hat erstmals wieder ein deutscher Bundeskanzler vor der regulären Uno-Vollversammlung eine Rede gehalten. Gerhard Schröder hatte seinen großen Auftritt. Und er hat ihn genutzt. Für Deutschland, für den Weltfrieden, für die Uno und insbesondere auch für den Multilateralismus.

»Neue Bedrohungen, derer kein Staat der Welt allein Herr werden kann«, sagte Schröder, »erfordern mehr denn je internationale Zusammenarbeit.« Das muss man den USA mit ihrem penetranten Unilateralismus ja mal sagen. »Aber sie erfordern auch neue Strategien. Deshalb sind wir aufgerufen, die Instrumente der Vereinten Nationen im Hinblick auf die neuen Herausforungen zu überprüfen.« Neue Herausforderungen erfordern bekanntlich neue Lösungen: »Innerhalb der Vereinten Nationen müssen wir die Kraft zu den überfälligen institutionellen Reformen finden.« Die Reformen will Schröder keineswegs alleine definieren: »Ich teile auch die Auffassung des Generalsekretärs, dass die Legitimität des Sicherheitsrats davon abhängt, dass er repräsentativ für alle Völker und Regionen ist. Eine Reform und Erweiterung – gerade auch um Vertreter der Entwicklungsländer – ist notwendig.«

Einer Notwendigkeit aber kann man sich schlecht verweigern: »Für Deutschland wiederhole ich, dass wir im Rahmen einer solchen Reform auch selbst bereit sind, mehr Verantwortung zu übernehmen.«

Mehr Verantwortung – das bedeutet: Ein ständiger Sitz im Sicherheitsrat wäre für Deutschland angemessen. Und schon wird auf Spiegel-online getitelt: »Moskau für ständige Mitgliedschaft Deutschlands«, denn der russische Präsident Wladimir Putin »soll« sich dafür ausgesprochen haben, »die Institutionen der Vereinten Nationen auf den Prüfstand zu stellen«. Und dazu gehört, schade, die Quelle ist nicht übermäßig gut, »laut deutschen Regierungskreisen« auch ein »ständiger Sitz im Sicherheitsrat für Deutschland und Japan«. Wo sind nur die Entwicklungsländer geblieben? Und: Ist da nicht der Wunsch der Vater des Gedankens? Welches Interesse sollte Putin daran haben, den internationalen Einfluss des russischen Staates durch neu hinzukommende Veto-Mächte zu beschneiden?

Für Schröders UN-Einsatz könnte Wilfried von Bredow von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik das Drehbuch geschrieben haben. Von Bredow räsoniert mit wachsender Begeisterung über die »weltpolitische Position Deutschlands«. So zum Beispiel: Deutschland »ist eine Mittelmacht in der Spitzengruppe der Mittelmächte. Um seine nationalen Interessen im internationalen System optimal zur Geltung zu bringen, benötigt es einen handlungsfähigen europäischen Akteur auf der weltpolitischen Bühne und eine enge Kooperation und Koordination zwischen Europa und den Vereinigten Staaten.« Als Methode zur Durchsetzung »nationaler Interessen«, das heißt der Interessen des deutschen Establishments, aber ist »pro-aktiver Multilateralismus« angebracht. Aus Gründen der katastrophalen deutschen Geschichte und weil man es mit unilateralem Vorpreschen, beispielsweise in Sachen Anerkennung Bosniens und Kroatiens, nicht sonderlich weit gebracht hat. Und wenn als Gegengift gegen den kriegerischen US-Unilateralismus friedlicher deutscher Multilateralismus angeboten wird, wer wagte es, sich einem »pro-aktiven« deutschen Sitz im Sicherheitsrat verweigern?