Notfalls mit Gewalt

Die Fixerstube im Hamburger Schanzenviertel soll geschlossen werden. Hinter dem Plan des Senats steckt eine längst überholte Strategie. Schill ahoi II: die Drogenpolitik. von andreas blechschmidt

Wir bieten einen Raum frei von Verfolgungs- und Beschaffungsdruck, wo Drogenabhängige essen und trinken, durchatmen, sich waschen und ihre Wunden pflegen lassen können und sich über den alltäglichen Kontakt situativ Wege zum Ausstieg aufzeigen lassen können«, beschreibt das Fixstern-Team seine Arbeit. Doch damit soll Ende des Jahres Schluss sein.

Die erste echte Koalitionskrise seit seinem Amtsantritt im Oktober 2001 hat das Hamburger Regierungsbündnis aus CDU, Schill-Partei und FDP in den letzten Wochen erlebt. Nicht etwa Ronald Schill gab dazu den Anlass, sondern sein bisher ebenso unauffälliger wie farbloser Kollege und Parteifreund Peter Rehaag.

Der Umwelt- und Gesundheitssenator hat verkündet, eine zentrale Drogenhilfeeinrichtung im Stadtteil St. Georg schaffen zu wollen, wo illegale Drogen konsumiert werden können. Gleichzeitig will er den Fixstern, die einzige auf akzeptierender Drogenarbeit basierende Hilfseinrichtung mit einem Konsumraum im Hamburger Schanzenviertel, schließen.

Rehaag teilte den Betreibern des Fixstern mit, ihre Einrichtung bilde »einen fortwährenden Anlass für Beeinträchtigungen im Stadtviertel«. Im aufstrebenden Schanzenviertel ist der Anblick sozialer Probleme offensichtlich nicht mehr opportun.

Das nun rief den kleinsten Regierungspartner, die FDP, auf den Plan. Die Liberalen haben sich ausdrücklich gegen die Schließung des Fixstern ausgesprochen, weil sie nämlich, ganz im Gegensatz zu Rehaag, eine Verschlechterung der Situation befürchten, sobald der Druckraum geschlossen wird.

Und so soll noch im September der Koalitionsausschuss zusammentreten, der gemeinhin als letzte Instanz gilt, die einen Bruch des Bündnisses noch verhindern kann. Der Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Burkhardt Müller-Sönksen, erklärte zuvor noch empört, es sei »nicht hinnehmbar, dass sich Senator Rehaag wissentlich über die unmissverständliche Position der FDP hinwegsetzt«.

Doch von der großen Empörung blieb nicht viel übrig, denn nach einem Krisengespräch der Koalitionäre am 9. Juli blieb es bei der Schließung des Fixstern. Lediglich eine ausstiegsorientierte Beratungseinrichtung mit medizinischer Grundversorgung soll das bisherige Angebot des Fixstern ersetzten. Ansonsten besteht der Senat auf der neuen zentralen Einrichtung.

Was auf den ersten Blick wie eine gewöhnliche politische Entscheidung wirkt, ist eine merkwürdige Mischung aus überkommenen drogenpolitischen Konzepten, hilflosem Aktionismus und populistischer Scheinpolitik. Denn die zentrale Drogeneinrichtung im Innenstadtquartier St. Georg ist mit ihrer Konzeption aus ausstiegsorientierter Hilfe, medizinischer Grundversorgung und Konsummöglichkeit in einem so genannten Druckraum in mehrfacher Hinsicht zum Misserfolg verdammt.

Zum einen werden hier lediglich Kapazitäten gebündelt, die ohnehin schon den Bedarf nicht decken. Mit der Schließung des Fixstern wird die Unterversorgung noch dramatischer. Der Fachrat der freien Träger der Drogenhilfe erklärt: »Wir müssten die Kapazitäten verdoppeln, um die Leute vom Fixstern aufzunehmen.« Mit der in St. Georg geplanten Einrichtung wird zum anderen genau jener Politik der vergangenen sechs Jahre entgegengewirkt, die mit Hilfe polizeilicher Repression die offene Drogenszene aus St. Georg vertrieben hat. Darüber hinaus herrscht in Fachkreisen Einigkeit darüber, das eine Zentralisierung des Drogenhilfeangebots nicht funktionieren wird. Der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Michael Reusch, sagt: »Die Süchtigen fahren nicht quer durch die Stadt zu der geplanten zentralen Einrichtung. Für die ist eine wohnortnahe Betreuung das Beste.«

Doch für fachliche Argumente sind die Entscheidungsträger im Hamburger Senat nicht zugänglich. Stattdessen untermauert insbesondere die Schill-Partei den Anspruch, ihre Vision einer drogenfreien Stadt zu verwirklichen, und sei es mit Gewalt. Zu deutlich trägt denn auch das »Konzept wirksamer Drogenpolitik in Hamburg« von Anfang dieses Jahres die Handschrift der rechtspopulistischen Sicherheits- und Ordnungsstrategen. Darin heißt es, mit Hilfe erhöhter Polizeipräsenz, konsequenter Strafverfolgung und der schnellen Abschiebung »ausländischer Dealer« solle eine »Reduzierung des Drogenangebots und der Drogennachfrage« erreicht werden. Eine Politik, die schon in den achtziger Jahren gescheitert war und dazu führte, dass sich niedrigschwellige Angebote etablieren konnten.

»Wir bewegen uns mit Riesenschritten zurück in die Vergangenheit, von der wir gehofft hatten, dass wir sie vor zehn Jahren hinter uns gelassen hätten«, klagt Rainer Schmidt, der Geschäftsführer von Palette e.V., einer der Pioniere, die sich für die Legalisierung von Fixerstuben in Hamburg eingesetzt haben. Schon unter dem rot-grünen Vorgängersenat sei Hilfe immer mehr zugunsten repressiver Maßnahmen zurückgedrängt worden. Zum Beispiel beschloss Rot-Grün seinerzeit die Verabreichung von Brechmitteln bei der Festnahme mutmaßlicher Dealer, was im Fall des 19jährigen Achidi J. im Dezember 2001 tödlich endete (Jungle World, 52/01). Doch seit dem Beginn der Amtszeit des neuen Senats sei jeder liberale Umgang mit der Drogenproblematik tabuisiert.

Das mussten auch die Träger der Drogenhilfe in Hamburg feststellen. Die Betreiber des Fixstern wären bereit gewesen, nach der Schließung der Fixerstube die reduzierte Beratungsstelle weiterzuführen. Dann hätte der Kontakt zur Szene erhalten bleiben und die Erfahrung der MitarbeiterInnen vor Ort weiter genutzt werden können.

Doch die Einrichtung gilt als politisch unbequem, weshalb sie der Senat lieber abwickelt und hohe Abfindungssummen an die gekündigten MitarbeiterInnen zahlt. Stattdessen wird die Beratungsstelle neu ausgeschrieben. Vermutlich wird ein politisch verträglicherer Träger den Zuschlag erhalten. Geld scheint plötzlich keine Rolle zu spielen. Der Verdacht drängt sich im Übrigen auch bei der geplanten zentralen Einrichtung in St. Georg auf: Die vorgesehene Immobilie muss zunächst einmal für 5,2 Millionen Euro gekauft werden. Bei jährlichen Zuwendungen von 700 000 Euro wäre die Existenz des Fixstern damit noch etliche Jahre gesichert.

Ob die Schließung des Fixstern und der vom Senat gewünschte Strategiewechsel in der Hamburger Drogenpolitik tatsächlich stattfinden, hängt nicht zuletzt davon ab, wie groß der Protest dagegen sein wird.

Nachdem sich bereits über 2 000 BewohnerInnen des Schanzenviertels für den Fixstern ausgesprochen hatten, meldeten sich zuletzt auch Gewerbetreibende zu Wort. Zum Beispiel Gunhild Abigt, eine Hotelbesitzerin: »Was der Drogenszene hier im Stadtteil hilft, das hilft auch den anderen hier lebenden Menschen im Quartier.«