Vergesst die Sportschau!

Auch mit der neuen Sportschau bleibt die Bundesliga, wie sie vorher war: unspektakulär und langweilig. von enno bolten

Uns hat mal wieder keiner gefragt. Zuschauen und zahlen. Ja, das sollen wir. Aber bestimmen, wo, wie und was übertragen wird: nein. Insofern: Warum diskutieren, was für die nächsten drei Jahre beschlossene Sache ist?

Sehen wir darüber hinweg und kommen zur entscheidenden Frage: Wird der Spieltag mit der ARD schöner, glänzender, berauschend? Kann Gerhard Delling überleiten in die tolle Liga?

Die Antwort ist: nein. Das liegt an der Liga selbst. Sie ist nämlich so, wie sie immer war. Und langsam wird das langweilig. Zwar trifft man häufiger Leute, die Bundesliga gucken und enthusiastisch tun. Doch ihr Interesse ist nicht echt. Die Bundesliga euphorisiert einfach nicht mehr. Da hilft keine Sportschau und auch sonst kein Format.

Doch Schritt für Schritt: Warum schlägt unser Herz um 15.30 Uhr nicht höher? Vielleicht, weil die Liga hinter ihrer eigenen Werbung zurückbleibt. Vielleicht wegen Reinhold Beckmanns Jeansjacke. Sie ist ein Symbol und steht für den Anfang des Endes. Denn mit ihr wurde deutlich: Die Bundesliga allein ist zu wenig, als dass sie die Millionen interessieren könnte, die es braucht, um die Übertragungsrechte zu bezahlen. Warum alles teurer wurde, aber nicht besser: keine Ahnung. Vielleicht lag der Effekt der Preissteigerung nur darin, den Abschwung zu verlangsamen. Wichtig ist: Es mussten für all die Werbung mehr Zuschauer her. Nun fängt man Zuschauer nicht mit Werbung: Also erfand man Datenbanken und Touchscreen-Geräte, dramatisierte, skandalisierte, wontorrarte. Alles, um den Zuschauer glauben zu lassen, es ginge um etwas.

Doch hat der Zuschauer begriffen, dass es an einem Samstag im November in Wolfsburg um nichts geht. Weiß die Sportschau das? Wie will sie den Zuschauer dennoch begeistern?

Ernst Huberty hat die Antwort gegeben. Er sagt, und das ist Sportschau-Kuriosum Nr. 1: Lasst doch alles weg und zeigt nur Fußball. Ein Rückschritt soll den Erfolg bringen. Kann das klappen? Oder ist es nicht eher so, dass ohne den Schnickschnack erst offenbar wird, wie dröge der Bundesligafußball sein kann und meist ist?

Kuriosum Nr. 2 ist übrigens, dass man trotz schlichter Berichterstattung dann doch Gewinnspiel und Werbung bietet. Und mich soll der Blitz treffen, wenn die Sportschau den Trash und Tratsch außerhalb des Feldes dauerhaft ignoriert.

Zurück zur nachlassenden Faszination der Liga: Wen interessiert Frankfurt gegen Freiburg, wenn es die Championsleague gibt? Damit nicht genug. Auch in dieser Klasse machen sich Ermüdungserscheinungen breit. Auch hier denkt der Zuschauer: »Ist ja irgendwie immer dasselbe.«

Noch etwas hat die Liga geschwächt: die Berichterstattung. Die Liga wird in Vorschau und Nachbetrachtung genauer analysiert als ein Flugzeugabsturz über der Frankfurter Innenstadt. Hier ein Schwerpunkt, dort eine Analyse, hier ein Porträt, dort eine Zusammenfassung. Wäre ja nicht schlimm, wenn die Lage erhellt würde. Bloß: eben nicht. Viel Geschreibe und Gerede, aber regelmäßig keine Neuigkeiten, keine Erkenntnisse. Der Grund: Es gibt nichts zu entschlüsseln, Fußball ist relativ einfach. Diskussionsbedarf besteht eigentlich nicht. Es sei denn, man möchte das Spiel größer machen, als es ist.

Die Sportschau sagt, das genau wolle sie nicht, lädt aber – Kuriosum Nr. 3 – gleich in der ersten Sendung Uli Hoeneß ein, um mit ihm über den Zustand des Rasens im Olympiastadion zu reden. Der Zuschauer denkt: »Die müssen doch wissen, dass das nervt. Halten die mich für doof?«

Die Sportschau steckt in einem Dilemma: Bleibt sie schlicht, riskiert sie, dass die Liga so unspektakulär daherkommt, wie sie ist, und die Zuschauer sich langweilen. Bauscht die Sportschau die Liga auf, riskiert man, dass der Zuschauer zermürbt und strapaziert zu seiner Frau sagt: »Schatz, kannst ruhig umschalten.« Die ARD kann also nicht gewinnen. Die Sportschau wird vielleicht enden wie bisher jedes Remake der ARD.

So wird verständlich, warum niemand so richtig in Jubel ausbrach, als der Fußball nach Hause kam, zur ARD. Redaktionsleiter Steffen Simon zum Beispiel. Wird er zitiert, dann meist mit der Aussage, man habe für die Vorbereitung der Sendung kaum Zeit gehabt. Das klingt schlecht. Nur Heribert Faßbender ist wie immer gut drauf. Er spricht von »Aufbruchstimmung«. Und Beckmann? Beckmann ist das Kuriosum Nr. 4.