Vorbilder bewähren sich

Partystimmung bei den Nazis in Sachsen: Fünf Mitglieder der Skinheads Sächsische Schweiz wurden nur zu Bewährungsstrafen verurteilt. von alexander fichtner

Die SSS, das ist der Mythos, das sind die Vorbilder«, erklärt ein Mitglied der Pirnaer Aktion Zivilcourage. »Die haben vorgemacht, was die anderen jetzt nachmachen.« Diese Vorbildfunktion spielte jedoch in dem Prozess gegen fünf Mitglieder der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) vor dem Dresdner Landgericht keine Rolle. Wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung, schweren Landfriedensbruchs, Körperverletzung, Volksverhetzung und der Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen wurden die Angeklagten am vergangenen Donnerstag nur zu Bewährungsstrafen zwischen 18 und 24 Monaten verurteilt. In den Clubheimen der Nazis dürften die Sektkorken geknallt haben.

Drei der Angeklagten erhielten Jugendstrafen, die anderen beiden, die zur Tatzeit volljährig waren, müssen die Prozesskosten tragen. Die Bewährungsstrafen waren bereits vor dem letzten Verhandlungstag zwischen der Verteidigung, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht ausgehandelt worden.

Monatelang hatten die Angeklagten geschwiegen oder ihre Taten verharmlost. Am 7. Mai legten sie dann überraschend ein Schuldbekenntnis ab. Daraufhin wurde die Beweisaufnahme beendet. Zu den für diesen Tag angesetzten Zeugenvernehmungen wegen eines Überfalls der SSS auf den Jugendklub in Liebethal kam es nicht mehr.

Im Verhandlungsverlauf hatten die Angeklagten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft trotz der gegen sie sprechenden Beweise stets zurückgewiesen. Noch im Dezember 2002 erklärten die Angeklagten Rico D. und Andreas W., die SSS sei ein Jugendverein gewesen, in dem man sich gegenseitig bei Behördenangelegenheiten geholfen und gemeinsam einen Jugendclub ausgebaut habe. Gewalttätige Auseinandersetzungen habe es nur am Rande und nur unter Alkoholeinfluss gegeben.

Das Gericht sah es hingegen als erwiesen an, dass die SSS gezielt Jagd auf Ausländer, Linke und fremd Aussehende gemacht habe. Es handelt sich um eine rechtsextreme Organisation mit einer festen Hierarchie. Ihre Einstufung als kriminelle Vereinigung sei das Hauptziel des Prozesses gewesen, sagte der Oberstaatsanwalt Jürgen Schär.

In seinem Plädoyer verglich er die Struktur der SSS mit einer Pyramide: Sympathisanten der Gruppe hätten den Boden gebildet, gefolgt von den Anwärtern, die sich in einer sechsmonatigen Probezeit bewähren mussten, um in eine der beiden Aufbauorganisationen (oberes oder unteres Elbtal) aufgenommen zu werden. Über den Aufbauorganisationen standen die so genannten Member of SSS und an der Spitze der Angeklagte Thomas S. als Sprecher der Organisation.

Wer der Führung widersprochen habe, habe mit Sanktionen rechnen müssen. Deshalb sei die SSS auch als kriminelle Vereinigung einzustufen, erklärte Schär. Sie habe zwischen 60 und 80 Mitglieder gehabt, mit ihren Anhängern habe es sich insgesamt um 120 Personen gehandelt. Die Fähigkeit der SSS, 30 bis 40 Personen für Überfälle zu gewinnen, wertete Schär als Beleg für ihren Charakter als kriminelle Vereinigung.

Trotzdem bleiben alle Angeklagten auf freiem Fuß. Der Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der Vertreter der Nebenklage, bemängelte in seinem Plädoyer, das Bedürfnis der Opfer nach Genugtuung sei im Prozess auf der Strecke geblieben. Die Täter hätten sich nicht entschuldigt und kein Zeichen der Reue von sich gegeben. »Bis heute findet sich auf den einschlägigen Internetseiten Hetze gegen Betroffene«, sagte Kaleck. Es bleibe nur der Weg, in zivilrechtlichen Verfahren angemessene Schmerzensgelder von den Tätern einzuklagen.

Auch ein Mitarbeiter der Pirnaer Aktion Zivilcourage, Sven Folkert, kritisierte das Urteil. Er sagte der Jungle World: »Durch die Abkürzung des Verfahrens und die Verurteilung als kriminelle Vereinigung fällt für die Opfer die Möglichkeit weg, mit dem Erlittenen abzuschließen.« Für Folkert, der selbst nach dem Konzert seiner Band in Liebethal zusammengeschlagen wurde, ist nach wie vor nicht klar, wer damals die vermummten Täter waren.

Die Verteidiger zeichneten in ihren Plädoyers das Bild von nach Halt und Orientierung suchenden Jugendlichen, die, provoziert von der Antifa, ausgegrenzt von der Öffentlichkeit und vernachlässigt von der Politik, allein gelassen worden seien. Der Verteidiger Carsten Schrank behauptete: »Es ist keiner zusammengeschlagen worden. Jedenfalls nicht so, dass er wochenlang ins Krankenhaus musste. « Und die Verteidigerin Marina Meissner las dem Gericht aus Klaus Farins Buch »generation-kick.de« vor, um den angeblichen jugendkulturellen Aspekt der SSS hervorzuheben.

Mit Carsten Schrank und Günther Herzogenrath-Amelung vertraten die Angeklagten zwei prominente Anwälte der rechten Szene. Beide gehörten zu den Unterzeichnern des Aufrufs von Horst Mahler mit dem Titel: »Ja zu Deutschland, ja zur NPD.« Schrank war auch ein Verteidiger im Gubener Hetzjagdprozess, er vertrat vier Mitglieder der Naziband »Landser« und wehrte im Auftrag der NPD Demonstrationsverbote ab. In Königstein hielt er auf Einladung von Uwe Leichsenring, dem Kreisvorsitzenden der NPD, einen Vortrag zum Thema: »Wie verhalte ich mich bei einer Hausdurchsuchung?« Die SSS soll mehrfach für Leichsenring Veranstaltungen geschützt haben.

Herzogenrath-Amelung hingegen, der Verteidiger des SSS-Sprechers Thomas S., soll ein Berater des SS-Mannes Erich Priebke gewesen sein, wie das Neue Deutschland berichtete.

Schranks Mandant Thomas R. soll nach wie vor eine wichtige Rolle in der rechtsextremen Szene in Ostsachsen spielen. Auf der von ihm betriebenen Homepage (www.Elbsandstein.org) finden sich unter anderem Tipps zum Umgang mit dem neuen Waffengesetz. Die Märkische Allgemeine Zeitung behauptete am 13. Mai, er baue zur Zeit in Südbrandenburg neue Strukturen auf und stelle Verbindungen zwischen Neonazis in Sachsen und Brandenburg her.

In Pirna und Umgebung kommt es indes nach wie vor zu Übergriffen. Erst im Januar überfielen Rechtsextreme eine Geburtstagsparty. Einem Opfer brachen sie dabei durch Tritte ins Gesicht das Jochbein.