ich-ag der woche

Ein netter Zug

Als Normalverdiener fragt man sich, warum sich die Bahn AG sehr feudale Büroeinrichtungen leisten kann, wo es doch am Geld mangelt. Und warum sollen eigentlich Züge wie Flugzeuge mit Bordservice ausgestattet sein, wenn die Kunden der Bahn sich doch allesamt mit besseren Viehwagen zufrieden geben würden, wenn nur der Preis stimmte – was der Erfolg des Wochenendtickets bewies. Doch als Normalverdiener ist man selbstverständlich dumm. Wäre man’s nicht, wäre man ja kein Normalverdiener mehr. Und weil man dumm ist, stellt man diese dummen Fragen. Denn die Bahn ist ja bekanntlich nicht für Bahnfahrer zuständig, sondern für Erfolgsmenschen, und die haben sich wohl zu fühlen. Insbesondere, wenn es solche Erfolgsmenschen wie Hartmut Mehdorn sind, die ein aufregend schlechtes Geschäftsergebnis eingefahren und die Kunden vertrieben haben.

Dass das neue Preissystem an allem schuld sei, war schnell ausgemacht, selbst dem Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) ist es aufgefallen, und flugs wurden Vorstände entlassen sowie die als Erfinderin des Preissystems geltende Leiterin des Preis- und Erlösmanagements. Mehdorns Vertrag hingegen wurde eilig verlängert, so dass wir nun bis 2008 unsere Freude an ihm haben. Weil kein Ersatz da war? Die Süddeutsche Zeitung kolportierte, dass Mehdorn seinem Freund, dem ebenfalls als Erfolgsmensch geltenden Kanzler, gedroht habe, um die Vertragsverlängerung durchzusetzen. Womit, so fragt man sich. Die Antwort ist einfach: Wahrscheinlich drohte Mehdorn, dass er andernfalls zurücktrete. Das ist die Dialektik des Erfolgs.

jörg sundermeier