Studieren im Sprint
von tjark sauer

Einführung von Studienkonten in Nordrhein-Westfalen

Die Bildungspolitik der rot-grünen Bundesregierung steht seit geraumer Zeit zu Recht unter dem Verdacht, unsozial zu sein und die Auslese zu fördern. Zur Zeit ist es die rot-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen, die deshalb kritisiert wird.

Wie schon im vergangenen Jahr versucht die Koalition auch jetzt wieder, Studiengebühren einzuführen. Was zunächst an den Protesten und dem Streik vieler tausend Studierender scheiterte, scheint nun vollbracht. (Jungle World, 46/02)

Zwar wird es an den nordrhein-westfälischen Hochschulen keine so genannten Langzeitstudiengebühren oder Verwaltungsgebühren geben, doch ein plumper Etikettenschwindel macht die Erhebung von Studiengebühren doch noch möglich. Langzeitgebühren heißen jetzt einfach Studienkonten.

Jeder Student und jede Studentin soll vom Sommersemester 2004 an in großzügiger Weise ein solches Studienkonto erhalten, das 200 Semesterwochenstunden umfassen soll. Diese Stunden soll man dann in der eineinhalbfachen Regelstudienzeit verbrauchen können. Wer es schafft, sich an diese zeitliche Vorgabe zu halten, studiert weiterhin kostenlos. Nicht aufgebrauchte Semesterwochenstunden können später für die Weiterbildung genutzt werden.

Kostenlos? Das hört sich doch prima an. Wer es jedoch nicht in der vorgeschriebenen Zeit packt, der zahlt. 650 Euro soll jedes zusätzliche Semester kosten. Dieses äußerst innovative Modell beschloss die rot-grüne Koalition am 22. Januar 2003 im Düsseldorfer Landtag.

Der gewünschte Effekt ist klar. Die Leute sollen schneller studieren. Auch mehr Wettbewerb soll entstehen. »Die Studierenden werden lieber eine andere Hochschule wählen, wenn sich herumspricht, dass sie dort schneller und besser zum Studienabschluss geführt werden«, meint die Ministerin für Wissenschaft und Forschung, Hannelore Kraft (SPD).

Während sich die rot-grüne Landesregierung noch ziert, auf direktem Wege allgemeine Studiengebühren einzuführen, wünscht sich die CDU in Nordrhein-Westfalen inzwischen sogar generelle Studiengebühren schon vom ersten Semester an und lehnt das Kontenmodell ab. Nach den Vorstellungen von Jürgen Rüttgers, dem möglichen Spitzenkandidaten der CDU bei den nächsten Landtagswahlen, sollen an den Universitäten 250 Euro pro Semester und an den Fachhochschulen 150 Euro erhoben werden.

Aber auch die neue rot-grüne Regelung ist bereits unsozial. Denn vor allem Studierende aus ärmeren Familien sind oftmals gezwungen, länger zu studieren. Da sie weniger finanzielle Unterstützung erhalten, sind viele von ihnen auf Nebenjobs angewiesen. Deshalb bleibt weniger Zeit für die Universität. Sie studieren länger und müssen dann dafür zahlen, obwohl sie sowieso kein Geld haben.

Die rot-grüne Politik versucht, das Modell der »Eigenverantwortung«, das auf dem Arbeitsmarkt mit dem Hartz-Konzept und zum Teil auch schon in der Gesundheitspolitik angewandt wird, auf die Bildung zu übertragen. Doch Studiengebühren, auch wenn sie als System von Studienkonten getarnt sind, fördern ein antisoziales Bildungsverhalten und vergrößern die gesellschaftliche Ungleichheit.