Deutschland wegpacken

In Berlin finden vom 22. Januar bis zum 8. Februar die Antifaschistischen Aktionswochen statt. Diesmal geht es gegen Nationalismus, Militarisierung und Antisemitismus. von arne norden

Christo und Jeanne-Claude staunten gewiss nicht schlecht, bekämen sie den Antifa-Flyer aus Berlin in die Hände. Ihr Kunstprojekt aus dem Jahre 1995, der verhüllte Reichstag, geschmückt mit zwei wehenden Antifa-Fähnchen, bildet die Kulisse zur Parole: »Wenn wir kommen, kann Deutschland einpacken!«

Unter diesem Motto ruft das Antifaschistische Aktionsbündnis III A3 zu einer Demonstration am 1. Februar auf. Sie wird vom S-Bahnhof Greifswalder Straße nach Weißensee zu »Orten des Rechtsextremismus« sowie zum dortigen jüdischen Friedhof führen. Er war in den vergangenen Jahren immer wieder mit antisemitischen Schmierereien und Anschlägen geschändet worden.

Die Demonstration soll der Höhepunkt der diesjährigen Antifaschistischen Aktionswochen werden. Über 40 Veranstaltungen und Aktionen, die vorwiegend im Nordosten Berlins stattfinden, kündigen die Veranstalter für den Zeitraum vom 22. Januar bis zum 8. Februar an.

Das Antifaschistische Aktionsbündnis ist ein seit dem Ende des Jahres 1998 bestehender Zusammenschluss verschiedener Antifagruppen vor allem aus den nordöstlichen Stadtteilen Berlins. Die Initiativen, die zur Zeit im A3 vertreten sind, stammen aus Weißensee, Pankow und dem Prenzlauer Berg. In den Anfangszeiten des Bündnisses stand der Protest gegen den Einzug der Bundeszentrale der Republikaner in das in Pankow gelegene Gartenhaus der Villa Garbáty im Vordergrund. Das Haus hatte sich bis zur Enteignung durch die Nazis im Besitz einer jüdischen Fabrikantenfamilie befunden.

Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die Aktionen gegen das in Weißensee gelegene Clubhaus der Nazi-Rocker Die Vandalen, das inzwischen geschlossen wurde. Auch die Kampagne Stop Nazi-Shops, mit der Läden, die offen oder unter dem Ladentisch rechtsextremes Propagandamaterial verkaufen, bekannt gemacht und zum Aufgeben gezwungen werden sollten, wurde von dem Bündnis mitbetrieben.

Während in den ersten Jahren also klassische Antifathemen die Arbeit bestimmten, ist der Zusammenschluss in diesem Jahr angetreten, um gegen »Nationalismus, Militarisierung und Antisemitismus« vorzugehen. Dabei dürfen die Aufklärung und der Widerstand gegen rechtsextremistische Strukturen zwar keinesfalls fehlen, machen aber nur einen kleinen Teil der Veranstaltungen aus.

Schwerpunkte der Aktionswochen bilden die Auseinandersetzung mit dem historischen und dem gegenwärtigen Antisemitismus sowie eine grundlegende Kritik des deutschen Nationalismus. Den Begiff der Militarisierung habe man gewählt, um den in der derzeitigen linken Diskussion sehr aufgeladenen Begriff des Krieges zu vermeiden, sagte ein A3-Mitglied.

Stand das Bündnis anfangs der PDS nahe, so sind dort mittlerweile auch die Antifaschistische Gruppe im Prenzlauer Berg (Agip) oder die Gruppe »Geschlecht ist konstruiert (Gik)« vertreten. Auch der Tenor des zu den Aktionswochen herausgegebenen Antifa Jugendinfo lässt wenig Zweifel daran aufkommen, dass die Zusammenarbeit mit Teilen der PDS und mit den Grünen vor allem strategische Gründe hat. In der Zeitung wird in mehreren Beiträgen Kritik am Antizionismus innerhalb der Linken sowie an der Art der Mobilisierung gegen den Krieg geübt. So nehmen sich die beiden Aufrufe des Bündnisses zur Demonstration am 1. Februar insbesondere die Friedensbewegung und die Globalisierungskritiker vor.

»Beide Strömungen neigen zu personifizierter Kapitalismuskritik und verkennen damit nicht nur den Charakter des Kapitalismus als gesellschaftlichen Zustand, sondern versuchen sich mit der Suche nach Schuldigen und ›Bösen‹ um eine rationale Analyse zur drücken«, heißt es dort. Demgegenüber müsse »ein radikal linker Antifaschismus (…) den Abschied vom Antizionismus und von verkürzter Kapitalismuskritik zur Voraussetzung haben«.

Diese inhaltliche Ausrichtung hat im Bündnis zwar zu kontroversen Diskussionen geführt, nicht aber wie bei vielen anderen linken Gruppen zur Spaltung. Nach Auskunft eines Sprechers seien allerdings bürgerliche Partner des Bündnisses nach dessen Neuorientierung und unübersehbarer Radikalisierung auf Distanz gegangen.

Dafür haben sich zahlreiche linke Berliner Gruppen für eine Teilnahme an den Aktionswochen gewinnen lassen. Neben der Initiative gegen das Chipkartensystem, der HUmmel Antifa oder der Gruppe Venceremos sucht man eine Gruppe allerdings vergeblich. Die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) ist wie schon in den vergangenen Jahren nicht dabei.

Sowohl die Entstehungsgeschichte des A3 als regionales antifaschistisches Bündnis aus dem Nordosten Berlins als auch die unterschiedlichen politischen Vorstellungen waren anfangs der Grund dafür. Der AAB war vor allem die Strategie, sich auf die Arbeit vor Ort zu beschränken und nur gegen Nazistrukturen vorzugehen, zu begrenzt. Sie wollte schließlich auch den Kapitalismus zum Thema machen. Inzwischen findet man es bei der AAB ganz gut, »dass auch andere mal was machen«, wie ein Mitglied sagte.

Das Fehlen der AAB fällt angesichts der Fülle der teilnehmenden Gruppen und der Veranstaltungen ohnehin nicht ins Gewicht. So sind Filmvorführungen der A.G. Gender Killer zum Frauenkonzentrationslager Ravensbrück und zum Schicksal eines homosexuellen Paares im KZ Dachau vorgesehen, auch einen Rundgang zu den Stätten des ehemaligen jüdischen Lebens in Pankow wird es geben.

Darüberhinaus sind Veranstaltungen der Gruppe RedSideZ zum »Nationalismus in den Gewerkschaften« und zum »Geschichtsrevisionismus« vorgesehen, und auch die »Militarisierung der deutschen Außenpolitik« und die »Militarisierung im öffentlichen Raum« werden Themen sein, um nur einige zu nennen.

Und am 25. Januar spielen in der ehemaligen Zigarettenfabrik der Familie Garbáty unter anderem die Berliner Poppunker Wir sind Helden auf. Sie sind, wie das Antifa Jugendinfo schreibt, passenderweise »richtig politisch«.

Das vollständige Programm der Antifaschistischen Aktionswochen, die Aufrufe sowie das Antifa Jugendinfo sind zu finden unter www.a3.antifa.de