Die Republikaner gewinnen die Kongresswahlen

The Winner Takes It All

Nach den Kongresswahlen verfügt die Republikanische Partei über die Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments. Das erleichtert es Präsident George W. Bush, die Interessen konservativer Lobbygruppen durchzusetzen.

Für viele Konservative war es mehr als nur ein Wahlsieg. »Präsident Bush und die Republikanische Partei haben heute Geschichte geschrieben«, verkündete Ari Fleischer, der Sprecher des Weißen Hauses. Denn vor den Kongresswahlen, die ungefähr zur Hälfte der Amtszeit des Präsidenten stattfinden, muss dessen Partei mit Verlusten rechnen. Als erster Republikaner konnte George W. Bush diese Regel durchbrechen. Nach anderthalb Jahren mit einer demokratischen Mehrheit im Senat gewannen die Republikaner nun auch dort die Oberhand. Ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus konnten sie ausbauen, und die Parlamente in den Bundesstaaten und in den Kommunen sind nun republikanisch dominiert.

Die Niederlage der Demokratischen Partei hätte schlimmer ausfallen können, immerhin verzeichnete sie deutliche Gewinne bei den Gouverneurswahlen. Der »überraschend deutliche Sieg für die Republikaner«, den die taz ausmachte, war die Kongresswahl nicht. Die republikanische Mehrheit im Kongress ist äußerst dünn, im Senat besteht sie aus zwei Stimmen von 100 und im Repräsentantenhaus aus acht von 435. In den Bundesstaaten Missouri und New Hampshire siegten die republikanischen Senatskandidaten nur knapp. So konnte die linksliberale Washington Post tröstend anmerken, dass »der Unterschied zwischen den Gewinnern und den Verlierern in diesen beiden Staaten, und somit auch im Senat, weniger als zwei Prozent der abgegebenen Stimmen in diesen Bundesstaaten betrug«. Es handelt sich insgesamt um 42 000 Stimmen.

Doch auch eine knappe Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses eröffnet fast ungeahnte Möglichkeiten für einen ohnehin starken Präsidenten wie Bush. Er kann jetzt kompromisslos handeln. Steuersenkungen, die Einrichtung einer weiteren nationalen Ordnungsbehörde mit Geheimdienstfunktionen und die Nominierung einer neuen Generation von Bundesrichtern stehen an. Geplant sind auch eine so genannte Energiereform und die Beseitigung der letzten Reste des schon jetzt weitgehend demontierten sozialen Netzes.

In der Demokratischen Partei wird nun über die Gründe der Niederlage debattiert. Die Folgen des 11. September seien »ein starker Faktor« gewesen, erklärte der Abgeordnete Dick Gephardt. Tatsächlich mussten die Demokraten sich im Wahlkampf mit dem geplanten Krieg gegen den Irak beschäftigen, die wirtschaftliche Rezession und soziale Fragen spielten nur eine geringe Rolle. Bush bestimmte das Leitthema des Wahlkampfs, er inszenierte das patriotische Pathos am Jahrestag des 11. September und in der Debatte über den Irak perfekt.

Im Kampf konservativer Strömungen um die strukturelle Mehrheit war auch die politische Konjunktur patriotischer Themen hilfreich. Die christlichen Rechten, die mitgliederstarken Lobbyorganisationen wie die National Rifle Association und die finanziell starken wie zum Beispiel die Interessenverbände der Pharma-, Energie- und Tabakindustrien sowie die New Republicans, die konservativen Intellektuellen, trugen zur konservativen Konsolidierung der Macht in der amerikanischen Politik und Gesellschaft bei.

Letztlich sind es die Ergebnisse des Kampfes um die kulturelle Hegemonie in den USA, den vor 23 Jahren der damalige Präsidentschaftskandidat Ronald Reagan ausrief. Die »Reagan Revolution« bestand aus einer Neuorientierung auf patriotische Themen und den »American Way of Life«. In den achtziger Jahren entstand durch die Offensiven der christlichen Rechten in den Medien und in der Wissenschaft eine beachtliche Bewegung aus Intellektuellen und Publizisten, die eine »konservative Revolution« wollten. Im Jahr 1994 übernahmen schließlich die Republikaner unter der Führung des rechtskonservativen Newt Gingrich das seit Dekaden von den Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus.

Entscheidend für die neue strukturelle Mehrheit der Republikaner war jedoch die Einigkeit der Parteifraktionen. Der seit dem Parteitag von 1976 zwischen dem damaligen Präsidenten Gerald Ford und seinem Herausforderer Reagan herrschende Streit zwischen dem gemäßigten und dem rechtskonservativen Flügel scheint beigelegt zu sein.

Beide Fraktionen haben mit Bush eine perfekte Führungsfigur gefunden. Er stammt aus einer Politikerdynastie, die zum gemäßigten Flügel gezählt wird und bringt das nötige Geld in das Bündnis ein, die konservativen Strömungen verfügen über eine Massenbasis und formulieren die Ideologie der Partei. Auch der Machtkampf innerhalb des gemäßigten Flügels zwischen den Clans der Doles und der Bushs scheint beendet zu sein, seit Elizabeth Dole einen Senatorenposten innehat.

Die Ansprüche der diversen konservativen Strömungen in der Partei und der Geldgeber sind selbstverständlich groß. Die Wirtschaftsverbände und die Oberschicht erwarten, mit Steuersenkungen reichlich belohnt zu werden, neue Projekte in der Rüstung und der inneren Sicherheit versprechen gute Geschäfte. Es ist den politisch starken New Republicans nur besser möglich, konservative Werte zu propagieren.

Davon dürfte vor allem die christliche Rechte unter der Obhut des Attorney General John Ashcroft profitieren. Sie will die Trennung von Staat und Religion aufheben und eine auf reaktionären Werten basierende Politik machen. Möglich erscheint sogar eine Offensive gegen das Recht auf Abtreibung. Im Wege stünden solchen Versuchen unter den gegenwärtigen politischen Umständen in den Institutionen nur noch die geschwächten Demokraten im Kongress, eine Sperrminorität der Bundesstaaten mit demokratischen Gouverneuren und die Bundesrichterin Sandra Day O'Conner, die zwar von Reagan nominiert wurde, aber das Recht auf Abtreibung nicht als Verstoß gegen die Verfassung wertet.

Die Demokratische Partei hat noch nicht entschieden, wie sie reagieren will. In solchen Momenten gibt es in der US-Politik eigentlich nur eine einzige Lösung, die Flucht nach vorn, egal wie. Ein Teil der Parteiführung und viele Basisaktivisten wollen deshalb vor allem die Sozial- und Wirtschafspolitik Bushs attackieren, auch in der Hoffnung, einen Teil der mehr als 60 Prozent der Stimmberechtigten mobilisieren zu können, die diesmal der Wahl fernblieben. Für die Linksliberalen und die Gewerkschaften wäre das eine Chance, wieder mehr Einfluss zu gewinnen.

Der konservative Trend in der amerikanischen Gesellschaft hat jedoch auch die Demokratische Partei erfasst. Spätestens seit dem Wahlsieg Bill Clintons dominieren die so genannten Modernisierer. Wegen der neuen politischen Konstellationen könnte sich das nun ändern, vor allem die Vertreter der schwarzen, hispanischen oder jüdischen Communities fordern eine schärfere politische Profilierung. Ob die Partei einen solchen Schritt wagt, bleibt dennoch fraglich.

Auch die außerparlamentarische Linke kann dem konservativen Trend derzeit wenig entgegensetzen. Trotz der recht erfolgreichen Mobilisierungen gegen den Irakkrieg bleiben linke und linksradikale Gruppen schwach, in der gegenwärtigen Situation ist eine emanzipatorische Politik kaum möglich. Die Linke wird sich wohl darauf beschränken müssen, die liberalen, feministischen, antirassistischen und ökologischen Errungenschaften der letzten 40 Jahre zu verteidigen, so gut es geht.