Aktionstag von jungen Gewerschaftern und Attac

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Am Samstag findet in Köln ein bunter Aktionstag von Nachwuchsgewerkschaftern und Attac-Aktivisten statt. 40 000 Demonstranten werden erwartet.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Über Politik dagegen schon. Und erst recht über Symbolik. Am Samstag dieser Woche findet in Köln so etwas wie eine Premiere statt. Erstmals arbeiten Nachwuchsgewerkschafter mit den Globalisierungskritikern von Attac zusammen, und herausgekommen ist dabei ein Aktionstag, der am 14. September unter dem Motto »Her mit dem schönen Leben - eine andere Welt ist möglich!« stattfindet. Organisiert haben ihn die Jugendorganisationen der Gewerkschaften Verdi, IG Metall, Transnet und Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) gemeinsam mit Attac-Deutschland. Mit von der Partie sind weitere Gruppen, vom Junkie-Bund Köln über den Gesundheitsladen bis zur Antifa Köln.

»Wir erwarten hierzu circa 40 000 Besucher aus ganz Deutschland«, schätzt die lokale Attac-Gruppe. Die Kölner Globalisierungskritiker scheinen mächtig stolz auf ihren Ortsverband zu sein. Seit man die Gruppe im März 2001 gegründet habe, habe man 250 Mitstreiter gewonnen. Und jetzt findet sogar der »Jahreshöhepunkt von Attac-Deutschland« in Köln statt.

Am Vormittag sind Aktionen auf öffentlichen Plätzen der Kölner Innenstadt geplant, bei denen auch Arbeitsloseninitiativen mitmischen. Als symbolischer Höhepunkt sollen am Mittag die »Freibeuter«, rekrutiert aus Verdi-Mitgliedern, ein im Rhein vor Anker liegendes »Schiff des Neoliberalismus und Reichtums« entern. Am Abend dieses ereignisreichen Tages soll es eine große Abschlusskundgebung und ein Konzert in der Deutzer Werft geben.

In der Endphase des Wahlkampfes sollen noch einmal die eigenen Vorstellungen und Forderungen einer »anderen Politik« in der Öffentlichkeit präsentiert werden. So verlangen die Organisatoren die Wiedereinführung der von Rot-Grün abgeschafften Vermögenssteuer, um den Sozialstaat zu finanzieren. »Unsere Forderung: jetzt umverteilen, von oben nach unten! Geld ist genug da.« Da Attac mit im Boot ist, darf auch die unvermeidliche Forderung nach einer »Spekulationssteuer auf alle Devisengeschäfte«, die so genannte Tobinsteuer, nicht fehlen.

Man kennt die Argumentation. Die Macht der Finanzmärkte untergrabe die Demokratie. Deshalb müsse stärker kontrolliert werden, zum Beispiel mittels Steuern. Und natürlich geht es auch darum, Institutionen wie den IWF zu demokratisieren. Der Staat wird als ein neutrales Instrument imaginiert, das nur von den Richtigen kontrolliert werden müsste, nämlich den Globalisierungskritikern, und schon hat man sie, die »andere Welt«.

Gewarnt wird auch vor dem Zweiklassensystem der Bildung und der Gesundheitsversorgung, das durch die Privatisierung der öffentlichen Aufgaben zu entstehen drohe. Und noch mehr wird angesprochen: Ökologie, Arbeitslosigkeit, Friedenspolitik und die Verarmung der Entwicklungsländer. Allerdings auf einem recht dürftigen Niveau: »Die 'Global Player' diktieren zunehmend die Politik. So wird die Demokratie ausgehöhlt. Eine solche ungerechte und krisenhafte Weltordnung führt unweigerlich zu politischer Instabilität, sie produziert Gewalt, Terrorismus und Krieg.«

Das Wort »Kapitalismus« fehlt in den Aufrufen und Erklärungen. Die Verteufelung der »neoliberalen Globalisierung« kann den Begriff aber nicht ersetzen. Der Aufruf betont zwar: »Wir lassen uns nicht blenden vom Gerede über ein angebliches 'Ende der Geschichte'. Die Philosophie vom unbeschränkten Markt ist kein Naturgesetz.« Doch über den Wegfall der sozialistischen Alternative nach dem Sieg des Kapitalismus, das meint die Rede vom »Ende der Geschichte«, wird nicht weiter gesprochen. »Eine andere Welt ist möglich!« Dieser nebulöse Allgemeinplatz muss die Hoffnung auf Änderung bedienen.

Wie diese andere Welt aussehen soll, erklärt Matthias Lindner von der Verdi-Jugend: »Wir stehen zum System der Marktwirtschaft, aber auf sozialer Grundlage.« So wird »unser Mega-Event« (IG Bau Jugend) voraussichtlich ein Ort symbolischer, leicht verständlicher Handlungen, die aber einer politisch differenzierenden Kritik entbehren. Da hilft es auch nicht, dass das Motto »Her mit dem schönen Leben« von dem revolutionären russischen Dichter Wladimir Majakowskij stammt, wie in einem »Informationsbaustein« erklärt wird. »Majakowskij war gleichzeitig politischer Aktivist und eine Art russischer James Dean. Im Gegensatz zum US-Jugendidol der 50er Jahre wusste er, was er tat.« Ist das schon Antiamerikanismus oder noch schlichte Dummheit?

Auch die parteipolitische Position bleibt eine Woche vor der Wahl fraglich. So wird es im Gegensatz zu den Erwachsenenorganisationen keine verklausulierte Wahlempfehlung zugunsten der SPD geben. »Die Mitglieder sind gefordert, sich die Wahlprogramme anzusehen, wer zum Beispiel den Flächentarifvertrag kippen will«, sagt Matthias Lindner. Danach sollen sie entscheiden, wen sie wählen. Zur Wahl selbst fordern die Aktivisten jedoch auf.

Die Jugendorganisationen der Gewerkschaften und Attac haben einander gefunden, und sie passen gut zusammen. Der gemeinsame Aufruf spricht viele Themen an und so soll er wohl auch vor allem viele Jugendliche erreichen. Die politischen Ziele und Mittel sind aber mehr als unbedarft und unklar. Mit Ausnahme der Tobinsteuer natürlich.

Und so müssen die Veranstalter des Aktionstages damit leben, dass inzwischen auch der hessische NPD-Landesverband seine Unterstützung erklärt hat und seine Anhänger nach Köln ruft: »Seit Jahren steht die NPD für eine antiglobalistische Wirtschaftsordnung. Die Politik der im Bundestag vertretenen Parteien, welche sich mit den Globalisten solidarisiert hat, muss nun die Verantwortung für Arbeitslosigkeit, Lohndumping, Demokratieabbau, Naturzerstörung und Sozialabbau tragen. Es ist Zeit für einen Politikwechsel.«

Natürlich distanzieren sich die Veranstalter von den ungebetenen Trittbrettfahrern. Diese ungewollte Solidaritätserklärung aber ist der Preis der programmatischen Beliebigkeit und einer fehlenden inhaltlichen Abgrenzung, die ja das Andocken extremer Rechter erst ermöglicht. Da im Programm des Aktionstages Rassismus schlicht nicht angesprochen und auch der traditionelle Arbeitsbegriff nicht in Frage gestellt wird, wundert es kaum, dass es zu diesem »Missverständnis« kommt.

Nur die Jugend der IG Bau schafft es in einem eigenen Aufruf, »eine offene Gesellschaft für alle« zu fordern und den Rassismus des Kanzlerkandidaten der Union, Edmund Stoiber, und des Bundesinnenministers Otto Schily (SPD) zu kritisieren. Ob während der Kundgebungen ähnliche Worte gefunden werden?

Sicher ist aber jetzt schon eines. »Wenn die bundesweite Demonstration am 14. September vorbei ist, wollen wir versuchen, nach dem Vorbild des Weltsozialforums in Porto Alegre und des Europäischen Sozialforums in Florenz auch in Köln ein Sozialforum ins Leben zu rufen«, kündigt Attac-Köln an. Denn »Probleme gibt es auch in unserer Stadt genug«.