Das Ende von Vivendi

Wie Kirch in Frankreich

Die Unternehmensgeschichte von Vivendi ist vor allem die eines Privatisierungsgewinnlers. Unter seinem damaligen Namen Comagnie Générale des Eaux hatte das Unternehmen, zunächst als privater Anbieter, die öffentliche Wasserversorgung im Großraum Lyon übernommen. Untersuchungsberichten zufolge verlangte das Unternehmen um bis zu 44 Prozent höhere Preise als öffentliche Dienstleister. Bis in die Achtziger war die Gesellschaft zum Hauptsponsor der politischen Klasse in der Region geworden. Anfang der Neunziger wurden illegale Parteispendenaffären bekannt.

Mit dem über Jahrzehnte hinweg angehäuften Vermögen begann das Unternehmen seit 1994, seine wirtschaftlichen Aktivitäten auf andere Branchen auszuweiten. Sein Generaldirektor Jean-Marie Messier wollte vor allem ins Unterhaltungs-, Multimedia- und Internet-Geschäft einsteigen. Wie besinnungslos kaufte er alles zusammen, was ihm in die Fänge kam, den französischen Privatfernsehsender Canal plus, das Presseimperium Havas, den Mobiltelefon-Riesen Cegetel/SFR sowie Telefongesellschaften in Marokko, Ägypten, Kenia und Ungarn. 1998 erwarb er sogar den US-amerikanischen Unterhaltungsgiganten Universal, der im Musik-, Film- und Kabelfernsehbereich tätig ist.

Daneben kaufte Vivendi Wasserversorgungsunternehmen von Berlin über Rumänien bis Bolivien auf. Messier setzte auf die Synergien der verschiedenen Medienzweige und strebte danach, vom Content (Video, Musik) über die Kanäle (Internet oder TV) bis zum Abonnement die gesamte Branche zu beherrschen, um in naher Zukunft seinen Kunden alles auf einem einzigen Empfangsgerät anzubieten.

Finanziert wurde Messiers Kaufrausch allein durch den Aktienboom, der im Jahr 2000 die Kurse an den internationalen Börsen in Schwindel erregende Höhen trieb. Als die Kurse fielen, wurde es eng für Messier. Im Jahr 2001 ging er dazu über, die Unternehmensbilanzen zu frisieren, indem er beispielsweise Schulden in außerbilanzliche Posten umwandelte. Doch als entsprechende Gerüchte an der Börse kursierten, war es vorbei mit der Herrlichkeit des vermeintlichen Genies. Seit dem Jahreswechsel 2000/01 hat die VU-Akte 73 Prozent an Wert eingebüßt.

»Der Mann, der 72 Milliarden Euro kostete«, nannte ihn das konservative Magazin Le Point. Auf diese Höhe wird der Schuldenberg geschätzt, den der Konzern unter seiner Leitung aufgetürmt hat.

Am Dienstag voriger Woche verließ Messier mit Tränen in den Augen den Firmensitz. Angestellte des Vivendi-Konzerns standen Spalier und applaudierten, nachdem Messier ihnen gedankt und viel Glück gewünscht hatte. Nicht alle der 320 000 abhängig Beschäftigten des multinationalen Unternehmens dürften allerdings diese Zustimmung teilen. Rund die Hälfte von ihnen hat ordentlich Geld verloren, weil sie in Aktien ihres »eigenen« Unternehmens investiert oder sich einen Teil ihres Lohns in Form von Gesellschaftsanteilen hatte auszahlen lassen. Manche der Angestellten sind ruiniert, da ihnen nun zugleich der Job und das angelegte Vermögen flöten zu gehen drohen.

Solche Sorgen hat Messier indes nicht; er holte für sich eine Abfindung von 18 Millionen Euro heraus.