Klage gegen Banken, die das Apartheidssystem unterstützten

Die Sprache, die sie verstehen

Opfer des südafrikanischen Apartheidregimes haben eine Sammelklage gegen Banken aus der Schweiz und den USA eingereicht. Nun sind deutsche Geldinstitute an der Reihe.

Sie habe ein Waschbrett mitgebracht, um es dem New Yorker Anwalt Ed Fagan »über den Kopf zu ziehen«, ruft eine aufgebrachte Frau. Fagan müsse begreifen, dass er seine »Schmutzwäsche anderswo waschen« solle. Rund 100 zumeist ältere DemonstrantInnen aus der Umgebung der Aktion für eine unabhängige Schweiz (Auns) und der Schweizerischen Volkspartei (SVP) versammelten sich am Montag vergangener Woche auf dem Zürcher Paradeplatz, die Stimmung war aufgebracht.

Denn wo immer Fagan auftritt, wittern die Rechtsextremen Böses für die Schweiz. Sie wollen den »notorischen Nestbeschmutzer« niederschreien und vertreiben. Heftig sind die Tiraden gegen den Anwalt und gegen Dorothy Molefi, die Mutter des 1976 in Soweto getöteten 13jährigen Hector. Der Mob ist derart außer sich, dass Fagan und Molefi keine Chance haben, vor den Toren der UBS und der Credit Suisse ihre Sammelklage gegen die beiden Schweizer Großbanken sowie gegen die New Yorker Citicorp zu begründen.

Am 19. Juni reichte eine amerikanische Anwaltsgruppe um Fagan, die unlängst Schweizer Großbanken zu einer Zahlung in Milliardenhöhe im Zusammenhang mit den so genannten nachrichtenlosen Konten ermordeter Juden gezwungen hatte, die Klageschrift im Namen südafrikanischer Apartheidsopfer ein. Fagan lieferte sein 47seitiges Papier gegen die UBS, die Credit Suisse und die Citicorp im Bezirksgericht von Manhatten ab. »Ohne die Verschwörung dieser Finanzinstitute und Firmen wäre die Apartheid nicht möglich gewesen«, heißt es darin.

Da Finanz-, aber auch Diamant- und Waffengeschäfte die rassistische Herrschaft in Südafrika verlängert hätten, so Fagan, seien die beteiligten Firmen genauso schuldig wie der Polizist, der den Abzug seiner Waffe betätigte. Die Höhe der geforderten Entschädigung ist noch unklar. Während in einigen Schweizer Zeitungen die Summe von 80 Milliarden Dollar auftauchte, sprach Fagan in Zürich von einem »höheren zweistelligen Milliardenbetrag für die individuelle Widergutmachung«.

»Hat die Schweiz die Apartheid verlängert?«, fragte die Weltwoche auf ihrer Titelseite, um gleich im Untertitel Entwarnung zu geben. Martina Egli von der Recherchegruppe Schweiz-Südafrika sieht das anders. Die Schweizer Banken, so Egli, »eilten immer dann zu Hilfe, wenn es für das Apartheidsregime finanziell prekär und den anderen ausländischen Banken zu heikel wurde«.

So etwa beim »Umschuldungsabkommen« von 1986, das der ehemalige Präsident der Schweizer Nationalbank, Fritz Leutwiler, ermöglichte. »Durch Leutwilers Hilfe wieder liquid, konnte Pieter Willem Botha Mitte 1986 das Verhandlungskonzept des Commonwealth ignorieren. Stattdessen griffen seine Militärs ANC-Stützpunkte in Sambia, Simbabwe und Botswana an«, sagt Egli.

Den Schweizer Großbanken wird vorgeworfen, mit stillschweigender Billigung der Regierung zahlreiche Vereinbarungen umgangen zu haben, auf die sich andere Länder verständigt hatten. Immer wieder sicherten die Schweizer Banken mit Goldanleihen das finanzielle Überleben des Apartheidregimes. »Hätte man damals«, so Egli weiter, »die Goldimporte in die Statistik einbezogen, wäre die Schweiz mit Abstand der größte Handelspartner Südafrikas gewesen.«

Dennoch bezeichnen es die beiden betroffenen Schweizer Banken, die die Sammelklage auf gerichtlichem Weg zurückweisen wollen, als »absurd«, für die Verbrechen des Apartheidregimes mitverantwortlich gemacht zu werden. Auch für den Wirtschaftsverband Economiesuisse ist die Klage »unter jedem Titel unberechtigt«.

Ein Gratulationsfax von Nelson Mandela aus dem Jahre 1994 zu Leutwilers 70. Geburtstag, in dem Mandela ihm für sein Engagement in Südafrika dankt, ist für die NZZ am Sonntag Anlass genug, um den Vorwurf gänzlich zu entkräften. Der Auslandsressortleiter der Weltwoche, Armin Guhl, dreht den Spieß ganz um. Er beschuldigt die Anti-Apartheid-Bewegung, durch »ideologische Verbissenheit und falsch verstandene Solidarität« weniger der schwarzen Bevölkerungsmehrheit geholfen, als den südafrikanischen Großkonzernen in die Hände gespielt zu haben: »Wer also heute über die Schuld der Banken spricht, müsste fairerweise auch über die Schuld der Anti-Apartheid-Aktivisten sprechen.«

So wie die Legitimität der Forderungen nach Entschädigungszahlungen in Frage gestellt wird, lehnt die überwiegende Mehrheit der Schweizer Bevölkerung auch das Mittel der Sammelklage ab. Mascha Madörin, eine langjährige Aktivistin der schweizerischen Anti-Apartheid-Bewegung, sieht dagegen in der Sammelklage ein probates Mittel, »damit auch 'kleine Leute' in juristischen Auseinandersetzungen mit mächtigen Firmen eine Chance haben«.

Zum Ärger der Banken hat sich der Bundesrat bisher recht zurückhaltend zur Sache geäußert. Sein Sprecher, Achille Casanova, stellte fest, dass die Anklagepunkte sehr summarisch seien und nicht von konkreten Fakten gestützt würden. Mit Genugtuung habe der Bundesrat zur Kenntnis genommen, dass die südafrikanische Regierung »derartige Sammelklagen« nicht unterstütze.

Zwar wird die heutige Regierung Südafrikas mehrheitlich von ANC-Politikern gebildet. Ihre Reserviertheit ist dennoch nicht verwunderlich. Mit einer offenen Auflehnung würden sie den Verlust ihrer Kreditwürdigkeit riskieren. Behindern wolle man die Klage aber auch nicht, heißt es in Pretoria.

Derlei Rücksichten müssen diejenigen, die gegen den rassistischen Staat gekämpft und dabei Familienmitglieder verloren oder selbst körperliche und seelische Schäden erlitten haben, nicht nehmen.

Fagan kann sich denn auch auf hochkarätige Unterstützung aus Südafrika berufen. Nachdem die renommierte Organisation Jubilee 2000 erfolglos versuchte, große Konzerne und Banken am runden Tisch dazu zu bringen, freiwillige Zahlungen zu leisten, unterstützt sie nun die Apartheidsopfer bei ihren Klagen auf Entschädigung. So begrüßte Jubilee 2000 die Initiative Fagans als »entscheidenden Wendepunkt im Kampf um Wahrheit, Gerechtigkeit und Versöhnung«.

Die Sammelklage gegen die UBS und die Credit Suisse ist der Anfang einer ganzen Serie von Klagen. Eine Sammelklage gegen sämtliche »Brecher des Uno-Embargos« sei im Büro von Fagan in Vorbereitung, heißt es von Fagans Schweizer Vertreter Norbert Gschwend.

Mit welchem Selbstverständnis Schweizer Unternehmen während des Kalten Krieges operierten, zeigt ein Brief des Zürcher Waffenproduzenten Dieter Bührle aus dem Jahre 1963: »Die Firma hat in den letzten Jahren große Anstrengungen gemacht, um diesen interessanten Kunden zu gewinnen. Sie glaubte dabei von der Überlegung ausgehen zu dürfen, dass die Republik der Südafrikanischen Union wesens- und artverwandt in Europa sei und im Kampf gegen den Kommunismus und gegen dessen Ausbreitung auf dem afrikanischen Kontinent eine beträchtliche Bedeutung haben dürfte.«

Neben Schweizer Unternehmen wie den Pilatus-Flugzeugwerken oder der früheren Waffenschmiede Oerlikon-Bührle werden etliche multinationale Konzerne wie Shell oder Siemens, die vom Apartheidregime profitierten, mit einer Klage rechnen müssen.

In der vergangenen Woche eröffneten die Opferanwälte eine neue Runde und reichten in New York Klage gegen IBM, die Deutsche Bank, die Dresdner Bank sowie die Commerzbank ein. Der Technologiekonzern soll den südafrikanischen Sicherheitsapparat mit Hightech versorgt haben, während die deutschen Geldinstitute insgesamt 4,5 Milliarden Dollar im Apartheidstaat investierten und so zu seinem Fortbestand beitrugen.

Karl-Friedrich Brenner, Sprecher der Dresdner Bank, sagte in der vorigen Woche, man werde zunächst die Ansprüche prüfen, bevor man sich dazu äußere. Noch auf der letzten Hauptversammlung der Deutschen Bank fuhr der jetzige Aufsichtsratsvorsitzende Rolf Breuer einen »kritischen Aktionär« an, der zum wiederholten Male die Rolle des Instituts im früheren Südafrika thematisieren wollte: »Wir wollen nicht mit Ihnen sprechen, verschwenden Sie nicht unsere Zeit!« Die Sammelklagen wird man nicht mit einer solchen herrischen Geste abwürgen können.