Repression in Westpapua

Allianz mit Allah

Nach dem Eintreffen indonesischer Spezialtruppen und militanter Islamisten in Westpapua droht der Unabhängigkeitsbewegung eine Repressionswelle.

Die Ankunft von MigrantInnen ist in Westpapua nicht ungewöhnlich. Auf den Schiffen, die Ende Mai landeten, befanden sich neben Familien aus Jawa und Madura jedoch auch militante Kämpfer von Laskar Jihad (Kämpfer des Jihad), einer islamistischen Gruppe, die in den vergangenen Jahren bereits auf den Molukken und auf Sulawesi mit Gewalt gegen christliche Bevölkerungsgruppen vorgegangen war. Zu dieser Zeit verlegte das indonesische Militär auch eine 150 Mann starke Spezialtruppe von Sumatra nach Westpapua.

Am 2. Juni wurde die Familie von Melkianus Awom ermordet, einem der politischen Anführer der OPM (Organisasi Papua Merdeka). Sechs Tage später folgte die Verhaftung von Benny Wenda, dem Generalsekretär des Koteka Tribal Assembly. Vertreter der OPM, die gegen die indonesische Zentralregierung kämpft, fürchten nun eine Repressionswelle, die den 1999 geschlossenen Waffenstillstand beenden würde.

Unter der Diktatur Suhartos gab es noch eine Rivalität zwischen der Regierung und militanten Islamisten. Nach seinem Sturz 1998 aber zeigte sich, dass Teile des Militärs auch bereit sind, mit den Islamisten zusammenzuarbeiten, insbesondere wenn es um die Bekämpfung von Autonomiewünschen nicht islamischer Bevölkerungsgruppen geht. Gegen die Unabhängigkeitsbewegung Osttimors wurden 1999 nationalistische Milizen eingesetzt. Der Verlust des mittlerweile selbstständig gewordenen Osttimor weckte bei den Nationalisten die Befürchtung, auch andere Gebiete könnten sich von Indonesien lösen.

Die Islamisten lehnen es ab, »islamisches« Territorium unter die Kontrolle von Nichtmuslimen zu stellen. Auf dieser Grundlage kam es zu einem taktischen Bündnis gegen Autonomie- und Unabhängigkeitsbewegungen, das Militär deckt und unterstützt die Operationen islamistischer Milizen.

Die Regierung Suharto hatte bei dem Versuch, aus dem heterogenen Land einen einheitlichen Nationalstaat zu machen, nicht nur die Verwendung von Lokalsprachen verboten, sondern auch - anfangs mit Unterstützung der Weltbank - Hunderttausende von »Transmigranten« aus den dicht bevölkerten Inseln Jawa und Madura umgesiedelt. Diese Politik sollte vor allem jene Gebiete unter Kontrolle halten, die dem Diktator als national unzuverlässig erschienen. TransmigrantInnen stellen heute bereits mehr als die Hälfte der Bevölkerung Westpapuas, es sind überwiegend Familien, die von der Zentralmacht als Manövriermasse missbraucht wurden.

Nach dem Zusammenbruch der autoritären Herrschaft Suhartos mussten sich die neuen Regierungen aber mit den sich nun wieder verstärkt zu Wort meldenden Minderheiten auseinandersetzen. In einigen Regionen des Landes führten Spannungen zwischen Einheimischen und TransmigrantInnen zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

Die weitgehend von der Subsistenzwirtschaft lebenden BewohnerInnen Westpapuas wurden 1963 nach dem Abzug der niederländischen Kolonialmacht und der Annexion durch Indonesien in den neuen Nationalstaat gezwungen. Als sich im Hochland größere Mengen ausbeutungsfähiger Erze fanden, begannen auch die Interessen von Bergbaukonzernen eine Rolle für die politische Entwicklung zu spielen. Eine der größten Gold- und Kupferminen der Welt befindet sich im Hochland von Westpapua und fördert für die US-amerikanische Freeport Mining Company und die britische Rio Tinto Zinc (RTZ) jeden Tag 50 000 Tonnen Erz im Tagebau. Dörfer und Jagdgründe der hier lebenden Lani wurden zerstört, Flüsse wie der Ajikwa sind mit den beim Bergbau verwendeten Chemikalien und Sedimenten stark belastet.

Nicht zuletzt deshalb kam es immer wieder zu lokalen Aufständen gegen die indonesische Zentralmacht, die als neue Kolonialherrschaft betrachtet wurde. Die verschiedenen militanten Widerstandsgruppen sammelten sich schließlich unter dem gemeinsamen Dach der OPM, die zwar nie besiegt werden konnte, aber wegen der schlechten Bewaffnung und mangelnder internationaler Unterstützung keine Chance hatte, den Konflikt für sich zu entscheiden. Nach Schätzungen der OPM fielen den Massakern und Bombardierungen 30 000 Menschen zum Opfer, Tausende flüchteten in das benachbarte Papua-Neuguinea oder wurden in den Urwald getrieben.

Die OPM ist keine zentralisierte Guerilla mit einheitlichem Kommando. Unter dem gemeinsamen Namen haben sich verschiedene, nur lose vernetzte lokale Widerstandsinitiativen gesammelt. Die Organisation besitzt weder einheitliche Ziele noch hat sie eine klare Vorstellung von der Zukunft Westpapuas. Während einige internationale Vertreter der OPM für die Schaffung eines Nationalstaates eintreten, plädieren andere für eine weit reichende Autonomie. Die meisten einfachen AktivistInnen scheinen vor allem ihre Ruhe haben zu wollen oder plädieren wie Sem Karoba, der internationale Sprecher der Alliance of Papuan Students for the Koteka Assembly and WestPaC, für ein nicht staatliches System, in dem die einzelnen Gruppen der Papuas unbehelligt leben können.

Nach dem Sturz Suhartos wollte die Bewegung den mit der neuen Regierung begonnenen Dialog nutzen, um auf diplomatischem Wege zu erreichen, was militärisch nicht zu erreichen war. Seit dem Februar 1999 schweigen die Waffen, zumindest die der Angehörigen der OPM. Im November des vergangenen Jahres wurde Theys Hiyo Eluway, einer der führenden Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung, entführt und ermordet.

Neun Offiziere der indonesischen Spezialtruppen werden der Tat verdächtigt. Generalmajor Sulaiman, der Leiter der Militärpolizei, die mit der Untersuchung befasst ist, sprach jedoch von einem »normalen Mord« und bestritt einen politischen Hintergrund. »Wir stufen das nicht als Menschenrechtsverletzung ein«, erklärte er Ende Juni der Jakarta Post.

Verständlicherweise ist das Vertrauen in solche Sicherheitskräfte gering. »Um des Friedens willen sollten außerhalb der Provinz rekrutierte Truppen aus Papua abgezogen werden«, forderte Augustin Iwangin Tanamal bei einem Treffen von Vertretern Westpapuas mit dem Parlamentssprecher Akbar Tandjug.

Mit der gleichzeitigen Landung von indonesischen Spezialtruppen und islamistischen Aktivisten scheint sich nun aber eine Allianz herauszubilden, die zur Eskalation beitragen und jede politische Einigung im Keim ersticken könnte.