Entwicklungsprojekte gestoppt

Immer im Schatten

Weil die Regierung Togos die Demokratisierung blockiert, wurden auch Entwicklungsprojekte eingestellt, die der Bevölkerung zugute kämen.

Für Foli Koué Kankoue-Aho ist es ein Teufelskreis: »Ohne Geld keine Energie, ohne Energie keine Industrie, ohne Industrie keine Arbeit, ohne Arbeit kein Geld.« Der 36jährige togoische Ingenieur will Energie erzeugen, aber ihm fehlt das Geld. Seit Mitte der neunziger Jahre pendelt er auf der Suche nach Unterstützung für sein Projekt zwischen Deutschland und Togo. Mit wenig Erfolg, denn die Politik und die Hilfsorganisationen haben andere Prioritäten.

Der Ingenieur verfolgt das Ziel, im westafrikanischen Togo die Nutzung solarer Energie zu etablieren. Unter dem Label seines 1998 gegründeten Unternehmens Catat (Comptoir Africain pour le Transfer et l'Adaption de Technologie) will Kankoue-Aho zunächst Gesundheitszentren mit Solaranlagen zur Gewinnung von Warmwasser und Strom ausstatten. Die aus einer Ambulanz und einem Geburtsraum bestehenden, spartanisch gebauten Zweizimmerbarracken, die zur medizinischen Grundversorgung der Landbevölkerung dienen, liegen oft in Dörfern weitab vom öffentlichen Stromnetz. Bisher behilft man sich dort mit den einfachsten Mitteln: Wasser wird über Holzfeuern gekocht, zur Kühlung von Medikamenten und Impfstoffen werden unzuverlässige Petroleumkühlschränke verwendet.

Ein Pilotprojekt für die Warmwasserversorgung hat das Wohlwollen der zunächst kritischen Bevölkerung gewonnen, und im August des letzten Jahres konnte Kankoue-Aho die Verantwortlichen aus sieben Dörfern von den Vorzügen der Solartechnik überzeugen. Verträge über die Installation von je zwei Solaranlagen zur Beleuchtung und Impfmittelkühlung sowie einer Warmwasseranlage waren schnell unter Dach und Fach. Gleichzeitig willigten Dorfverwaltungen und Management-Komitees der Gesundheitsstationen in ein Programm zur langfristigen Aufrechterhaltung der technischen Infrastruktur ein. Mit Erlösen aus Medikamentenverkäufen sollen finanzielle Rücklagen gebildet werden, die zur Anschaffung von Ersatzteilen dienen.

Da seine eigenen finanziellen Mittel gerade einmal zur Realisierung des Pilotprojekts reichten, benötigt der Ingenieur die Unterstützung von Hilfsorganisationen. Doch trotz intensiver Bemühungen stapeln sich bislang lediglich Absagen auf seinem Schreibtisch, obwohl weder das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) noch die verschiedenen Hilfsorganisationen der Förderung von Solarprojekten in Afrika abgeneigt sind.

Doch in Togo scheint die Sonne auch auf den Präsidenten Gnassingbé Eyadèma. Seit er 1967 durch einen Militärputsch an die Macht kam, diktiert er das Geschehen in dem schmalen Landstreifen zwischen Ghana und Bénin. Gegen die Demokratiebewegung, die in den neunziger Jahren an Einfluss gewann, ging er mit allen Mitteln vor. Während der manipulierten Präsidentschaftswahlen im Juni 1998 wurden, so ein Bericht von amnesty international, »hunderte Menschen, auch Mitglieder des Militärs, extralegal exekutiert«. Die Leichen wurden an der Küste vor der Hauptstadt Lomé und im benachbarten Bénin angeschwemmt.

Die EU-Staaten und die USA haben bereits Ende 1992 die Entwicklungszusammenarbeit mit Togo suspendiert. Eine Bedingung für die Wiederaufnahme der Zahlungen ist die Durchführung freier Wahlen, die Eyadèma bis heute mit immer neuen Tricks verzögert. So erklärte sich die EU zwar bereit, den Dialog zwischen der Regierung und der Opposition zu finanzieren. Anfang Juni wurde die Finanzhilfe jedoch gestoppt, weil Eyadèma die Vereinbarungen mit der Opposition nicht einhielt.

Diese politische Konstellation betrachtet Foli Koué Kankoue-Aho mit gemischten Gefühlen: »Die Kehrseite des Entwicklungshilfestopps ist die Förderung von Korruption und damit die Stabilisierung des bestehenden Systems. Für die einfache Bevölkerung wird die Lage dadurch noch unerträglicher.«

Der Ingenieur steht mit seiner Sicht der Dinge nicht allein. In einem Interview der Zeit erklärte der Entwicklungsforscher Franz Nuscheler: »Die These, Demokratie sei grundsätzlich entwicklungsfördernd, eine Diktatur aber dagegen entwicklungshemmend, lässt sich nicht halten.« Gerade das Beispiel asiatischer Länder wie Taiwan oder Südkorea zeige, dass erst mit Investitionen ins Bildungswesen eine starke Mittelklasse entstehen konnte, die »den Demokratisierungsprozess aus eigener Kraft vorantrieb«. Nuschelers Schlussfolgerung: »Demokratie kann nicht von außen aufgesetzt werden, sie muss von innen kommen.«

Dass der Entzug von Entwicklungsgeldern die Falschen trifft, ist ein gern gebrauchtes Argument von Diktatoren und ihren Geschäftspartnern im Westen. Tatsächlich aber haben solche Maßnahmen die Demokratisierung autokratisch regierter afrikanischer Staaten nicht vorangebracht. Zudem verweist Kankoue-Aho darauf, dass sein Projekt von der Suspendierung finanzieller Hilfen eigentlich ausgenommen werden müsste. Denn in einer Pressemitteilung des BMZ vom Februar 1993 heißt es über die bis heute gültigen Modalitäten des Entwicklungshilfestopps: »Ausgenommen von dieser Entscheidung sind, wie Minister Spranger ausdrücklich betonte, lediglich solche Vorhaben, die unmittelbar der armen Bevölkerung zugute kommen.« Und da Kankoue-Ahos Projekt sich, einmal angeschoben, vom Profit aus dem Verkauf von Impfstoffen und Medikamenten selbst finanzieren soll, wäre es nicht von Leistungen abhängig, die der togoische Staat nicht erbringen kann oder will.

Denn Hilfsorganisationen zögern, sich in Ländern zu engagieren, in denen die Regierungspolitik viele Projekte scheitern lässt. »Die Arbeit in Togo ist sehr frustrierend. Politik und Makroökonomie machen unsere Bemühungen immer wieder zunichte. Gegenüber Spendern ist das schwer zu rechtfertigen«, beschreibt Eva Sodeik, eine Afrika-Expertin bei Brot für die Welt, die Situation. »Was nützt es, wenn ein Schulprojekt aufgebaut wird und dann ein halbes Jahr lang kein Unterricht stattfindet, weil der Staat Togo die Lehrer nicht bezahlt?« Die Enttäuschung der Hilfsorganisationen wird sich nach ihrer Einschätzung noch vergrößern: »Auch die wenigen Organisationen, die überhaupt noch in Togo aktiv sind, werden sich aus dem Land zurückziehen.«