Konflikte in der NPD

Kontrolliert kommen

Auf ihrem Bundesparteitag setzte sich die NPD-Führung gegen die innerparteiliche Opposition durch. Die Teilnahme an der Bundestagswahl im Herbst ist beschlossene Sache.

Fruchtbar sollte sie sein, die Atmosphäre. Und ruhig. Doch die Stimmung war nicht ganz so entspannt, wie es sich die Anführer der NPD für ihren 29. Bundesparteitag erhofft hatten. Die knapp 300 Delegierten zogen sich Mitte März eigens in einen Waldgasthof in der Nähe des niedersächsischen Königslutter zurück. Eine gute Wahl, schließlich gilt die Region seit der NPD-Gründung als Wählerhochburg der ältesten neonazistischen Partei Deutschlands. Dort blieb man zwar ungestört von Demonstranten und Journalisten. Hinter verschlossenen Türen ging es jedoch heftig zur Sache. Die Neonazis stritten um eine neue Führung und die Parteilinie. Vor allem ärgerte sich die Parteibasis über die als V-Männer enttarnten Führungskader. Entsprechend tief war die Enttäuschung über den neuen und alten Vorsitzenden Udo Voigt, als dieser verkündete, »lange von den V-Leuten gewusst« zu haben. Auf der Pressekonferenz am Ende des Parteitags war davon jedoch nichts zu hören. Stattdessen behauptete der mit 75 Prozent der Delegiertenstimmen in seinem Amt bestätigte Voigt, dass es »keinen Streit« gegeben habe, weder um seine Person noch um seinen politischen Kurs. Siegessicher fügte er hinzu: »Wir treten zu den Bundestagswahlen an.« Inzwischen habe die NPD in allen Bundesländern Kandidatenlisten aufgestellt und mobilisiere unter dem Motto: »Deutschland, wir kommen!« Nicht weniger Zuversicht verbreitete der ebenfalls in seinem Amt als stellvertretender Parteivorsitzender bestätigte Holger Apfel. Die »V-Mann-Äffäre« sei »für die Partei kein Problem«, die NPD stehe geschlossen hinter dem neu gewählten Bundesvorstand. In diesem sitzen dann auch Voigts Vasallen in trauter Eintracht als Stellvertreter beisammen: Jürgen Schön aus Sachsen, der ehemalige Generalsekretär Ulrich Eigenfeld und der Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdt. Dass der langjährige Parteisoldat und Rechtsanwalt Hans Günther Eisenecker nicht mehr zum Vorstand gehört, begründete Voigt damit, dass der Mann, der die NPD gemeinsam mit Horst Mahler im Karlsruher Verbotsverfahren vertritt, künftig »andere Aufgaben« übernehme. Der innerparteilichen Opposition um den früheren NF-Kader und ehemaligen NPD-Landesvorsitzenden in Sachsen-Anhalt, Steffen Hupka, und den früheren NPD-Vorsitzenden Günter Deckert war es auf dem womöglich letzten Bundesparteitag vor einem Verbot nicht gelungen, eine Mehrheit um sich zu scharen. Schon Hupkas Versuch, eine Woche vor dem Bundesparteitag die Machtfrage zu stellen, war gescheitert. Nur knapp 50 Kameraden kamen auf Einladung der einstigen Revolutionären Plattform der NPD in den Neonazitreff »Lindenkrug« im brandenburgischen Friedersdorf. Die Organisatoren des Treffens hatten mit 150 Teilnehmern gerechnet. Laut Presseberichten beklagte sich dort unter anderem Eisenecker bitter über den Kurs von Mahler und Voigt. Die Potsdamer Neuesten Nachrichten zitierten ihn mit dem Satz: »Man hört nicht auf mich.« Und auch Hupka scheint in der Partei kein Gehör mehr zu finden. So wird ihm trotz der Unterstützung, die er aus den von den Freien Kameradschaften dominierten NPD-Landesverbänden Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern erhält, wohl nichts anderes übrig bleiben, als seiner Partei weiterhin per Rundbrief »gute Ratschläge« zu erteilen. In einem Siebenpunkteplan, mit dem Hupka »das Ende der Partei abzuwenden« gedenkt, schreibt er, über welche Eigenschaften künftige Vorstandsmitglieder verfügen müssten: »Es müssen hohe Maßstäbe an die charakterliche Eignung angelegt werden. Ein fachlich qualifizierter, fleißiger Mensch kann dennoch ein Schwein sein. Um dies zu gewährleisten, wird für die Übergangszeit ein Ehrenkodex entworfen.« Eine von Hupka vorgeschlagene »neue Mannschaft für den Parteivorstand« unter dem Motto »ehrlich - jung - nationalistisch« macht deutlich, dass sich die Freien Kameradschaften noch immer darum bemühen, die Kontrolle über die Partei zu gewinnen, solange sie noch legal ist. So finden sich in Hupkas illustrer Liste der verurteilte Neonazi-Terrorist Manfred Börm aus dem niedersächsischen Handorf, der langjährige Bielefelder Neonazi-Kader Bernd Stehmann und der schleswig-holsteinische NPD-Vorsitzende Peter Borchert, gegen den derzeit wegen Körperverletzung ermittelt wird. Als Gewinner des Machtkampfs kann vorerst der NPD-Anwalt Mahler gelten. Der Verfasser der Stellungnahmen zum Verbotsantrag in Karlsruhe war es denn auch, der auf dem Parteitag selbstsicher behauptete, die Entscheidung der Verfassungsrichter werde zu Gunsten der NPD ausfallen, zumal die Partei »an die zehn V-Leute« in den eigenen Reihen enttarnt habe. Wer das im einzelnen sein soll, wollte Mahler dann aber doch nicht verraten. Was das Verbotsverfahren angeht, kann Mahler zumindest kurzfristig optimistisch sein. Zwar haben die obersten Verfassungsrichter noch nicht über einen neuen Zeitplan entschieden. Doch jetzt schon ist absehbar, dass die mündlichen Anhörungen nicht mehr vor der Bundestagswahl stattfinden werden. Für die NPD bleibt deshalb Zeit genug, ihre verunsicherte Basis durch verstärkte Mobilisierung auf der Strasse bei der Stange zu halten. Aber auch die nächste Machtprobe zwischen dem Vorstand und den Freien Kameradschaften steht schon bevor. Am 1. Mai will die NPD in Berlin, Dresden, Göttingen, Ludwigshafen und Nürnberg marschieren, während die Kameradschaften zum zweiten Mal einen Aufmarsch in Frankfurt am Main planen.