Vorbereitung auf den 1. Mai in Berlin

Widerspenstig bleiben!

Das Personenbündnis zum 1. Mai ist ein Instrument von Sozialstrategen, um Kreuzberg zu befrieden.

Seit einigen Monaten arbeitet ein »Personen-Bündnis für einen politischen 1. Mai 2002 in Berlin Kreuzberg«, bestehend aus ParteipolitikerInnen, Privatpersonen, Professoren und Studierenden, an einer neuen Konzeption für den 1. Mai in Kreuzberg. Wie viele Menschen im Kiez kritisieren auch sie die ritualisierte Gewalt, die den 1. Mai in den letzten Jahren prägte. Völlig außer Acht lässt dieses Bündnis jedoch den Frust und die berechtigte Wut der Menschen über das politische Establishment, das für soziale Missstände in der Stadt ebenso verantwortlich ist wie für die kriegerische Außenpolitik Deutschlands.

Warum will ein bürgerliches Bündnis Alternativen zum revolutionären 1. Mai aufzeigen? Kreuzberg, wie auch andere Stadtteile, stehen wieder vor einer Phase der Umstrukturierung. Die Armen sollen aus dem Bezirk vertrieben werden, und es soll ein sauberes Innenstadtgebiet für eine schöne Hauptstadt entstehen.

Befriedung ist angesagt, und wenn es nicht die Regierenden schaffen, dann versuchen es deren HelfershelferInnen. Der im Bündnis vertretene und für die Kontakte zum Quartiersmanagement zuständige ehemalige Bezirksstadtrat für Bauwesen der Alternativen Liste, Werner Orlowsky, tat sich schon 1987 in der Bekämpfung von Basisprojekten hervor. Dem phantasievollen Widerstand ist es zu danken, dass einige der Projekte erhalten blieben. Heute versucht das Quartiersmanagement, politische Projekte zu neutralisieren oder an die kurze Leine des Bausenators Peter Strieder (SPD) zu legen, es stellt somit das neueste Regulations- und Umstrukturierungsinstrument der Sozialstrategen dar, um Kreuzberg zu befrieden.

Kreuzberg und andere Bezirke sollen auf Hauptstadt getrimmt und unter soziale Kontrolle auf möglichst hohem Niveau gebracht werden. Die Vordenker des Bündnisses scheuen sich nicht, mit dem Innensenat, den Polizeibehörden, den Grünen und Sozialdemokraten Strategien zu entwickeln, um den KreuzbergerInnen politische Inhalte und Ausdrucksformen für den 1. Mai vorzuschreiben.

Die Auseinandersetzungen um den 1. Mai 2001 hatten einen politischen Inhalt, weil sie sich gegen das Demonstrationsverbot wandten, und sie hatten einen antifaschistischen Charakter, weil sie sich gegen die Erlaubnis des Naziaufmarsches richteten. Sie für unpolitisch zu erklären, weil die Kreuzberger Kids ihren verständlichen Frust rausgelassen haben, ist anmaßend.

Unpolitisch sind weniger die Kids als diejenigen, die die Ursachen negieren, die zu solchen Reaktionen führen: den alltäglichen Rassismus, die schulische und berufliche Perspektivlosigkeit, häusliche Gewalt, soziale Verarmung und das finanzielle Ausbluten von sozialen Projekten. Soziale und politische Unzufriedenheit kann man nicht von ihren Ausdrucksformen isolieren, man kann sie nur abermals unterdrücken.

Der Friede im Inneren muss geschaffen werden wie kürzlich in München, wo der Widerstand gegen die US- und Nato-Kriege im Keim erstickt werden sollte, um vor internationalem Publikum die Kriegsfähigkeit Deutschlands zu demonstrieren. Ungeachtet dessen, dass Grüne und Sozialdemokraten Verantwortung für die Nato-Kriegsverbrechen in Jugoslawien und Afghanistan tragen, wollen sie Einfluss in der außerparlamentarischen Linken gewinnen und die politische Marschrichtung am 1. Mai bestimmen.

Viele KreuzbergerInnen - und nicht nur sie - fühlen sich von dem Bündnis aus all diesen Gründen verarscht. Sie, die seit über 30 Jahren politische Basisarbeit leisten und die Demos und Straßenfeste veranstaltet haben, dafür Prügel und Tränengas von den Bullen einstecken mussten, werden vom Bündnis nun als unpolitische Deppen dargestellt.

Kreuzberg sollte seiner widerspenstigen Tradition treu bleiben und den Befriedungsversuch entschieden zurückweisen. Selbst zu denken und zu handeln, sich zu organisieren und kollektiv die sozialen und politischen Probleme in die eigenen Hände zu nehmen, bedarf keiner bevormundenden Politstrategen wie Gysi, Strieder, Körting oder Grottian. Der 1. Mai in Kreuzberg bleibt rot und revolutionär!

Die vollständige Fassung findet sich unter: www.gegeninformationsbuero.de