Der Mord an Daniel Pearl

Tödliche Mischung

In der vergangenen Woche ist eine Kopie des Videos veröffentlicht worden, das die Entführer des US-amerikanischen Journalisten Daniel Pearl aufgenommen haben und auf dem seine Ermordung festgehalten ist. Das Original war in der Vorwoche pakistanischen Behörden zugespielt worden, die es an US-Offizielle weitergaben. In einem CNN-Bericht wurde der Inhalt des Videos beschrieben. Die Kopie ist gut drei Minuten lang, mehr als 30 Sekunden kürzer als das Original; ungenannte Quellen bestätigten CNN zufolge, dass die Kopie bis auf die Kürzungen mit dem Original übereinstimme.

In der Eingangssequenz der Kopie erklärt Daniel Pearl - offensichtlich unter starkem Druck der Entführer -, dass er ein jüdischer Amerikaner sei, dass seine Mutter, sein Vater und er selbst Juden seien. Danach kommen einige Ausführungen über seine Besuche in Israel.

Seine Entführer hatten ihn beschuldigt, ein Agent der CIA und des Mossad zu sein, was das Wall Street Journal, die Zeitung, für die er gearbeitet hatte, und die US-Regierung dementierten.

Nach einem Schnitt in dem Video sagt Pearl, die Gefangenen in Guantanamo befänden sich in einer ähnlichen Situation wie er. »Wir (die Amerikaner) können nicht sicher sein, nicht frei umherlaufen, solange unsere Regierungspolitik unverändert bleibt und wir es zulassen, dass sie unverändert bleibt.« Ein weiterer Schnitt, dann erneut Daniel Pearl: »Als Amerikaner können wir nicht weiter die Konsequenzen des Handelns unserer Regierung zulassen, wie die unbedingte Unterstützung des Staates Israel.«

In den etwa 90 Sekunden der Video-Kopie, in denen Daniel Pearl spricht, werden CNN zufolge Bilder von Körpern, Beerdigungen und Worte wie »Afghanistan« eingeblendet. Darauf eine knappe Minute, in der die brutale Ermordung des Journalisten gezeigt wird. Dann ein Bild von Pearl mit der Überschrift »Nationale Bewegung für die Wiederherstellung pakistanischer Souveränität«, wie sich die Gruppe, die die Entführung und Ermordung durchführte, nennt. Schließlich erscheinen die Forderungen der Gruppe: u.a. Freilassung der pakistanischen Gefangenen in Guantanamo, Ende der US-Präsenz in Pakistan, Lieferung der F-16-Kampfflugzeuge - die die USA nach dem pakistanischen Atomtest 1998 gestoppt hatte - an Pakistan.

Es ist unklar, was in den fehlenden 30 Sekunden des Original-Videos zu sehen ist. Dennoch dürften sich einige vorsichtige Schlussfolgerungen aus dem freigegebenen Material ziehen lassen. Es handelt sich offensichtlich um eine Mixtur aus islamistischer Propaganda und dem Versuch, die nationalistische Karte in Pakistan auszuspielen. Insbesondere der offene Antisemitismus entstammt dem islamistischen Diskurs, und er fällt in Pakistan auf einen fruchtbaren Boden. Ein Journalist der Village Voice, der im Dezember in Pakistan recherchierte, schrieb dazu, in Pakistan »fließt der Antisemitismus so leicht wie Wasser« - in den Zeitungen, in den Aussagen pakistanischer Regierungsoffizieller, mit denen er Interviews führte, in den madrassas, in denen Fundamentalisten Hunderttausende von Schülern unterrichten.

Die Verknüpfung mit den nationalistischen Forderungen zielt darauf ab, die mit der politischen Entwicklung nach dem 11. September unzufriedenen Teile des pakistanischen Staatsapparates - v.a. aus den geheimdienstlichen und militärischen Strukturen, die die Taliban aufbauten - ins Spiel zu bringen. Und womöglich eine Propaganda zu entfalten, in der der pakistanische Generalspräsident Pervez Musharraf als Knecht einer »jüdisch-amerikanischen Weltverschwörung« und Verräter an nationalen Interessen dargestellt wird.