Flüchtlingspolitik in Australien

Fotos lügen nicht

Gegenüber den pazifischen Staaten konnte die australische Regierung ihre harte Flüchtlingspolitik durchsetzen, doch im eigenen Land wird sie kritisiert.

So hatte sich die australische Regierung den Auftakt der regionalen Konferenz über Menschenschmuggel auf der indonesischen Insel Bali am Dienstag vergangener Woche nicht vorgestellt. »Wir erlebten ungeduldige Regierungen, die einseitige Maßnahmen ergriffen haben, um ihre nationalen Interessen zu schützen«, sagte die indonesische Ministerpräsidentin Megawati Sukarnoputri in ihrer Eröffnungsrede. Damit spielte sie auf die harte Haltung der australischen Regierung gegenüber Flüchtlingen in den letzten Monaten an.

Auf der von 36 asiatisch-pazifischen Staaten besuchten Konferenz, die gemeinsam von Indonesien und Australien initiiert worden war, sollte eine Strategie für die Bekämfung der »noch nie dagewesenen illegalen Flüchtlingsströme« gefunden werden, so die australische Regierung in einer Ankündigung. Hastig ließ der australische Außenminister Alexander Downer auf einer eiligst anberaumten Pressekonferenz dementieren, dass mit Megawatis Vorwurf Australien gemeint sein könnte. »Es hat etwas mit der Behandlung von indonesischen Bürgern in anderen Ländern zu tun.« Downer verwies auf Malaysia, wo zur Zeit Zehntausende illegalisierte indonesische Arbeiter das Land verlassen müssen.

In ihrer Eröffnungsrede bekundete die indonesische Ministerpräsidentin Sympathie für die Flüchtlinge, die »auf der Suche nach einer besseren Zukunft für ihre Familien sind«, und forderte die Zielländer auf, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Dennoch wurde vereinbart, die zwischenstaatliche Kooperation im Bereich der Polizei- und Geheimdienstarbeit zu verbessern und die Grenzkontrollen zu verstärken. Außerdem wurden Übereinkünfte getroffen, um die Rückführung von Flüchtlingen zu organisieren. So schloss Australien mit Osttimor ein Kooperationsabkommen, »um sicherzustellen, dass das Land kein Transitland für Flüchtlinge wird«, wie ein Sprecher des Ministers für Immigration, Philipp Ruddock, der Tageszeitung the age berichtete.

Ländern, die keine Gesetze zur Verhinderung »illegaler Einwanderung« besitzen, wurde von der australischen Regierung juristischer Beistand angeboten, um solche Gesetze auszuarbeiten. Indonesien hatte bereits vor der Konferenz neue Gesetze gegen Fluchthelfer erlassen. »Das UNHCR und die indonesische Regierung haben einen Plan ausgearbeitet, 400 illegale Migranten, die sich zur Zeit in Indonesien aufhalten, in ihre Heimatländer zurückzuschicken«, sagte der indonesische Außenminister Hassan Wirayuda.

Der australische Außenminister Downer wertete das Treffen entsprechend als vollen Erfolg für die Bemühungen, die Grenzen für Bootsflüchtlinge dicht zu machen. Es gelang der konservativen Regierung unter John Howard nicht nur, ihre harte Flüchtlingspolitik gegenüber den Staaten des asiatisch-pazifischen Raumes durchzusetzen. Die Abschlusserklärung, in der die Minister ihre »tiefe Besorgnis über mögliche Verbindungen zwischen terroristischen Elementen und Menschenschmuggle« konstatieren, erklärt Flüchtlinge implizit zu einem Sicherheitsrisiko. Das stärkt die australische Position nach der internationalen Kritik an der australischen Asylpolitik während des Hungerstreiks im australischen Flüchtlingslager Woomera Ende Januar. Innenpolitisch hingegen gerät die Regierung unter John Howard wegen der so genannten »Kinder-über-Bord-Affäre« immer mehr in Bedrängnis.

Am 7. Oktober letzten Jahres brachte das australische Kriegsschiff »HMS Adelaide« in der Meerenge zwischen Australien und Indonesien ein Flüchtlingsschiff auf. Anhand von zwei Fotos behauptete die australische Regierung zu dieser Zeit, die Flüchtlinge hätten absichtlich ihre Kinder ins Meer geworfen, um den Kapitän des Kriegsschiffes zu zwingen, sie an Bord zu nehmen. Außenminister Downer verkündete damals: »Zivilisierte Menschen würden nicht einmal im Traum daran denken, ihre eigenen Kinder so zu behandeln.« (Jungle World, 46/01) Zu dieser Zeit befand sich die Regierung mitten im Wahlkampf und konnte nicht zuletzt wegen ihrer restriktiven Positionen in der Flüchtlingspolitik die Wahlen für sich entscheiden.

Anfang Februar stellte sich allerdings heraus, dass weitere Fotos existieren. Aus ihnen wird klar ersichtlich, dass das Flüchtlingsschiff untergegangen war und die Kinder in Seenot von Bord gingen. Ministerpräsident Howard behauptete, nicht über die tatsächlichen Vorgänge informiert gewesen zu sein. Zwar sei der damalige Verteidigungsminister Peter Reith am 7. November, drei Tage vor der Wahl, vom Militär informiert worden, aber er habe die Informationen nicht an Howard weitergeleitet. Die Schuld für die falsche Darstellung der Ereignisse auf hoher See lag nach Howards Bekunden allein beim Militär. Vor zwei Wochen sprang der Chef der australischen Armee, Admiral Chris Barrie, für die Regierung in die Bresche und erklärte vor dem australischen Senat unter Eid, die Fotos könnten »nichts zwingend beweisen«.

Wegen dieser Erklärung wurde er jedoch innerhalb der Streitkräfte, wo Howards Beliebtheit inzwischen recht niedrig zu sein scheint, heftig kritisiert. Am vergangenen Donnerstag revidierte Barrie seine Aussage vor der versammelten Presse: »Ich habe nun den Schluss gezogen, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass Kinder über Bord geworfen wurden.« John Howard sieht keinen Grund zur Beunruhigung. »Die Aussagen Barries lösen bei mir nicht im mindesten Unbehagen aus«, erklärte er der Tageszeitung Sydney Morning Herald.

Die sozialdemokratische Opposition, die sich im Wahlkampf noch mit Vorschlägen zur Abschottung vor Flüchtlingen zu profilieren versuchte, fordert nun eine Untersuchungskommission des Senats. Schon Mitte Februar hatten 51 Prozent der Australier in einer Umfrage Howards Darstellung für unglaubwürdig erklärt; Barries Kehrtwende dürfte das Vertrauen in den Ministerpräsidenten weiter erschüttern. Der Großvater einer australischen Marineangehörigen, die Zeugin des Schiffsunglücks war, bezeichnete den Ministerpräsidenten wegen seiner Taktik, sich hinter dem Militär zu verstecken, als Feigling.