Das Verbot der KPD vor 45 Jahren

Verbote entgiften

Beim Verbot der KPD im Jahre 1956 zeigte sich der deutsche Staat nicht so zimperlich wie beim NPD-Verfahren heute.

All diejenigen, die sich jemals mit alten Genossinnen und Genossen unterhalten haben, kennen die Geschichten aus den fünfziger Jahren, aus der Zeit nach dem Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Sie haben gehört von den einstigen Reichstagsabgeordneten der KPD, die mehrere Jahre ins Konzentrationslager gesperrt worden waren, die mitgeholfen hatten beim Wiederaufbau der Bundesrepublik und die behandelt wurden wie Schwerverbrecher, ja, die sogar ihre Entschädigung für die Verfolgung, die sie in der Nazi-Zeit erlitten hatten, zurückzahlen mussten.

Sie haben gehört von denjenigen, die an ihrem Arbeitsplatz verhaftet wurden, weil sie etwas mit der KPD zu tun haben sollten, und denen dann, obschon die Polizei ihnen nichts nachweisen konnte, der Arbeitsplatz gekündigt wurde. Sie wissen von jenen, die nach 1945 ein zweites Mal wegen ihrer politischen Überzeugungen ins Exil gehen mussten.

Als Ende 1951 im Klima des Kalten Krieges die Bundesregierung unter Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) das Verbot der KPD beantragte, sah es zunächst nicht so aus, als sei es - anders als das gleichzeitig beantragte Verbot der eindeutig revanchistischen Sozialistischen Reichspartei (SRP) - tatsächlich durchsetzbar. Immerhin war die KPD eine von den Alliierten lizenzierte Partei, die also explizit auch von den US-Amerikanern und den Briten zugelassen worden war.

Interessanterweise war es gerade die Forderung der KPD nach einer Wiedervereinigung, die als eine der Begründungen für das KPD-Verbot angeführt wurde. Denn diese Wiedervereinigung sollte gemäß der Stalin-Note mit einer militärischen Neutralität des gesamten Deutschland einhergehen. Des Weiteren wurde vom Verfassungsgericht der »politische Gesamtstil« der Partei angeprangert, der »Ausdruck einer planmäßigen Hetze, die auf die Herabsetzung und Verächtlichmachung der Verfassungsordnung der Bundesrepublik« abziele. Es war gleichsam ein ästhetisches Urteil. Ein kurz zuvor beschlossener Richtungswechsel der Partei wurde im Verfahren nicht mehr anerkannt.

Am 17. August 1956 wurde trotz des starken Protestes aus dem westlichen und östlichen Ausland die KPD gemäß Artikel 21 Absatz II des Grundgesetzes verboten. Ihre Besitztümer wurden eingezogen, desgleichen die Güter von KPD-nahen Firmen, die ihren Sitz im Ausland hatten, nach Meinung des Bundesgerichtshofes jedoch verfassungsfeindliche Vereinigungen darstellten. Ebenso wurden etliche Zeitungen verboten, Landtagsmandate kassiert und viele Mitglieder der Partei sofort verhaftet. Insgesamt zog dieses Verbot um die 3 000 Verfahren gegen Einzelpersonen nach sich, von denen viele zwar nicht verurteilt wurden, ihr bürgerliches Leben war allerdings danach nicht selten zerstört.

Der politische Grund für das Verbot der KPD lag vor allem darin, dass die Parteikommunisten und die von ihnen beeinflussten Verbände wie die Freie Deutsche Jungend (FDJ, 1951 verboten) und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN, Verbotsanträge 1951 und 1959, beide nicht rechtswirksam) sowie weitere 80 Organisationen, die gleichfalls verboten wurden, den Protest gegen die Remilitarisierung der BRD unterstützten und zudem dank ihrer vielfältigen Kontakte über ganz andere Möglichkeiten politischen Handelns verfügten als unorganisierte linke und linksbürgerliche Gruppen.

Mit dem Verbot der KPD war die Geschichte einer breiten organisierten Linken in Westdeutschland zunächst einmal beendet. Genau das war auch das erklärte Ziel der Regierung. Im CDU-nahen Rheinischen Merkur hieß es, man wünsche die »endgültige Abtötung des Marxismus, die Entgiftung des Sozialismus, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa«.

Zwar agitierte die KPD-Spitze von ihrem Exil in der DDR aus noch bis in die sechziger Jahre mehrere tausend Mitglieder, versuchte sowohl auf die Deutsche Friedensunion (DFU) einzuwirken, wie auch in anderen linken Organisationen Einfluss zu nehmen, doch ließ sich in der Illegalität keine große politische Rolle mehr spielen. Gleichzeitig wurde ein hoher Druck auf alle außerparlamentarischen oppositionellen Gruppen in der Bundesrepublik ausgeübt, da es den Gerichten verhältnismäßig leicht fiel und es der Regierung zupass kam, in friedensbewegten Organisationen Wiedergänger der verbotenen Organisationen zu erblicken.

Für viele Intellektuelle stellte das KPD-Verbot daher eines der »sichtbarsten Zeichen« (Klaus Wagenbach) dar, welcher Staat sich da konstituiert habe. Denn während einerseits Nazis, wie etwa der Kommentator der so genannten Nürnberger Rassegesetze, Hans Globke (CDU), höchste politische Ämter innehatten, wurde die KPD verboten und die Persönlichkeitsrechte der Kommunisten und anderer Oppositioneller wurden stark eingeschränkt.

Die Wiederzulassung von kommunistischen Parteien erfolgte nur wegen der studentischen Revolten von 1968 und in dem Wissen, dass der Staatskommunismus sowjetischer Prägung in den neuen pluralistischen Demokratien keine große Attraktivität mehr besaß. Die Konstruktion der so genannten »wehrhaften Demokratie«, die auf der Staatsauffassung des NS-Staatsrechtlers Carl Schmitt beruht, richtet sich dementsprechend nach wie vor hauptsächlich gegen Linke.

Auch der Wechsel zu einer rot-grünen Regierung 1998 brachte hier keine Änderung. Kommunisten wie Emil Carlebach, die von der heutigen Regierung die Rehabilitation der KPD-Mitglieder verlangten, wurden nicht erhört. Stattdessen setzen die, die behaupten, 1968 die Republik erneuert zu haben, die alte Politik unvermindert fort.

Wenn man nun sieht, wie tapsig, dumm und zugleich außerordentlich zaghaft das Innenministerium im NPD-Verbotsprozess vorgeht, wenn man sieht, dass V-Männer in der NPD das Honorar vom Verfassungsschutz mit dem zu überwachenden Objekt teilten und wie selbst solche Mitglieder der Partei, die die Radikalisierung der NPD wesentlich vorangetrieben haben, weiterhin unbeirrt als V-Leute »geführt« und bezahlt werden, so verwundert dies nur, wenn man vergisst, in welcher Tradition diese politischen Prozesse stehen. Zwar wird auch - sollte es doch noch zu einem Verbot der NPD kommen - hier das Parteivermögen eingezogen werden. Dennoch dürfen sich die meisten NPD-Mitglieder sicher sein, dass sie persönlich kaum etwas zu befürchten haben. Warum auch? Nicht wenige von ihnen sind ja verdiente Mitarbeiter dieses Staates.