Der Premier entlässt seine Außenministerin

Tränen siegen nicht

Während die weltpolitische Bedeutung des Landes wächst, tritt Japans Außenministerin Tanaka zurück.

Das Krisenmanagement hätte auch von einem autoritären Grundschullehrer stammen können: Wenn die Suche nach dem Schuldigen an widersprüchlichen Beteuerungen scheitert, werden einfach alle Beteiligten bestraft. Genauso beendete Premierminister Junichiro Koizumi in der vorletzten Woche eine Auseinandersetzung zwischen Außenministerin Makiko Tanaka und dem Staatssekretär des Äußeren, Nogami Yoshiji, indem er beide kurzerhand entließ. »Japanische Lösung«, kommentierte Hatoyama Yukio, der Vorsitzende der stärksten Oppositionskraft Demokratische Partei, und meinte es ausnahmsweise einmal nicht positiv.

Nur eine Woche zuvor hatte die Wiederaufbaukonferenz für Afghanistan in Tokio stattgefunden. Zwei Nichtregierungsorganisationen (NGO), die ursprünglich eine Einladung erhalten hatten, waren kurzfristig wieder ausgeladen worden. Da deren Sprecher zuvor in einem Interview geäußert hatte, der Regierung sei nicht zu trauen, war das kein besonders überraschender Vorgang.

Für die Überraschung sorgte jedoch Außenministerin Tanaka: Am 28. Januar in einem Parlamentsausschuss befragt, wie es zu der Ausladung gekommen sei, erzählte sie offenherzig von einem Telefonat mit einem ihrer Beamten vom Tag nach der Konferenz. Demzufolge hatte Suzuki Muneo, Abgeordneter und Außenpolitikexperte der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP), diesen angewiesen, die Einladung zurückzuziehen. Nogami Yoshiji, der eilends vor den Ausschuss zitierte höchste Beamte des Außenministeriums, beharrte aber darauf, dass von Suzuki nie die Rede war.

Beide Seiten hielten an ihrer Version fest, Tanaka brach in einer Beratungspause vor Kameras in Tränen aus und beklagte ihr hartes Los als Politikerin, die den Bürokraten stets unterlegen sei. Was Koizumi kurz darauf hämisch mit den Worten kommentierte: »Ja, Tränen, das sind die stärksten Waffen der Frauen. Dagegen kommen Männer einfach nicht an.«

Was so schmählich endete, hatte vor erst neun Monaten durchaus vielversprechend begonnen. Tanaka hatte es als erste Frau zu einem tatsächlich bedeutenden Regierungsposten gebracht. Nachdem die Tochter des ehemaligen Premierministers Tanaka Kakuei bei der Wahl zum Parteivorsitzenden Koizumi beinahe gefährlich geworden wäre, trat sie schließlich in der Öffentlichkeit an seiner Seite als politische Partnerin in Erscheinung und trug mit dazu bei, dass die Regierung Koizumi außerordentlich große Zustimmung verzeichnen konnte.

Doch schon wenige Tage nach ihrem Amtsantritt legte sich die populistisch auftretende und es offensichtlich mit den von ihrem Regierungschef gerne mit grandioser Rhetorik beschworenen »Strukturreformen« ernst meinende Ministerin mit ihren BeamtInnen an. Da sie vermutete, dass seit Anfang 2001 nach und nach aufgedeckte Schwarzgeldaffären in ihrem Ministerium keine Einzelfälle darstellen, verkündete sie öffentlich, die gesamte Führung bestrafen oder entlassen zu wollen. Nach den ersten Versetzungen formierte sich sowohl im Ministerium als auch in der LDP Widerstand. Eine von den Medien geförderte Schlammschlacht gegen die Ministerin wurde organisiert, die daraufhin auf weitere Entlassungen verzichtete.

Maßgeblicher Drahtzieher der Vorgänge war auf der Seite der LDP Suzuki Muneo. Der ehemalige parlamentarische Staatssekretär und »heimliche Außenminister« erfreute sich guter Kontakte zu den führenden Beamten im Ministerium. Wie mittlerweile klar ist, hatte Suzuki am Tag vor dem Beginn der Afghanistan-Konferenz über das zuständige Büro für Nahost- und Afrikafragen dem Sprecher der beiden betroffenen NGO, Kensuke Ônishi, ausrichten lassen, er hätte sich bei ihm für das tags zuvor erschienene Interview zu entschuldigen, was dieser selbstverständlich ablehnte. Keine drei Stunden später wurde Ônishi mitgeteilt, dass es seinen beiden Organisationen nicht erlaubt werde, an der Konferenz teilzunehmen.

Suzuki Muneo, der zum rechten Flügel der LDP gehört und sich in der Vergangenheit mit Äußerungen über die »rassische Homogenität« Japans hervortat, hat politische Gründe dafür, mit unliebsamen Pazifisten rau umzuspringen. So verhinderte er bereits im vergangenen November, dass das Außenministerium die Teilnahme afghanischer NGO an einer von japanischen NGO organisierten Vorbereitungskonferenz finanziell unterstützt.

Suzuki Muneo macht sich vor allem für die Rückgabe der nördlichen Kurilen-Inseln stark, die Japan im Zweiten Weltkrieg an die Sowjetunion verloren hatte. In diesem Zusammenhang hatte er im März 2001 für die Versetzung des im Außenministerium für die Beziehungen zu Russland Zuständigen gesorgt, eine Entscheidung, die Tanaka sogleich nach ihrem Amtsantritt rückgängig machte - eine erste Grundlage für die Feindschaft der beiden. Auch Suzuki Muneo ist nicht ganz unbeschadet aus der aktuellen Affäre herausgekommen und musste zumindest seinen Posten als Vorsitzender des außenpolitischen Rates der LDP niederlegen, was seiner Macht aber keinen Abbruch getan haben dürfte.

Die Querelen im Ministerium des Auswärtigen kommen zu einem für das japanische Establishment denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Schließlich ist Japan, Deutschland darin durchaus ähnlich, dabei, sich eine gewichtigere Rolle in der so genannten internationalen Gemeinschaft zu sichern. Die Afghanistan-Konferenz, deren politischer Teil nicht zufällig von Deutschland ausgerichtet wurde, ist dafür ein gutes Beispiel.

Davon abgesehen, scheint vom Außenministerium aber derzeit nicht die Initiative zu weiterem internationalen Engagement auszugehen, sondern eher vom Verteidigungsamt und vom Premier selbst. So im Falle der Entsendung von Truppen nach Afghanistan oder der Versenkung des vermutlich nordkoreanischen Schiffes in chinesischen Gewässern im Dezember.

Die Neubesetzung des Ministerpostens mit der bisherigen Umweltministerin Yoriko Kawaguchi, obwohl weit gewichtigere Namen im Gespräch waren, deutet darauf hin, dass das Außenministerium auch weiterhin keinen starken Einfluss auf die zentralen Kabinettsentscheidungen wird nehmen können. Was Revisionisten wie Suzuki Muneo oder Junichiro Koizumi in Zukunft noch mehr Spielraum lassen könnte.