Präsidentenwahl in Bulgarien

Kalte Küche

Nach wenigen Monaten ist die Regierung des bulgarischen Königs in die Krise geraten. Die Präsidentschaftswahlen lockten deshalb kaum jemanden hinter dem Ofen hervor.

Es kann nicht nur am Einbruch des harten Winters in Bulgarien gelegen haben. Nur 54,5 Prozent der Wahlberechtigten gingen am 18. November ins Wahllokal, um über einen neuen Präsidenten abzustimmen. Damit erreichte die Wahlbeteiligung ein Rekordtief - 1996 gaben noch mehr als 60 Prozent der Wähler ihre Stimme ab. Damals gewann der noch amtierende Präsident Peter Stojanow von der rechtskonservativen Union der demokratischen Kräfte (SDS) gegen seinen Widersacher Iwan Marasow von der KP-Nachfolgerin, der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP).

Das diesjährige Desinteresse lässt sich nur mit der wachsenden Desillusionierung in der Bevölkerung erklären. Denn bisher hatte zumindest der Präsident des Landes als Integrationsfigur gegolten. Den Ministern und Parlamentariern wurde hingegen angesichts der vielen Anekdoten über deren persönliche Bereicherungen im Zuge der Privatisierungspolitik in den neunziger Jahren immer weniger vertraut.

Bei den Parlamentswahlen im Juni war es dem kurz zuvor aus dem spanischen Exil zurückgekehrten bulgarischen Zaren Simeon II. gelungen, das faktische Zweiparteiensystem mit einem erdrutschartigen Sieg seiner damals neu gegründeten Nationalen Bewegung Simeon II. (NDSV) aufzubrechen. Zuvor hatten seit 1992 abwechselnd die postkommunistische BSP und die SDS regiert, letztere seit 1997 mit Iwan Kostow als Ministerpräsidenten.

Viele Bulgaren verbanden mit der Rückkehr des Königs große Hoffnungen auf eine Verbesserung ihrer sozialen und ökonomischen Situation. Simeon Sakskoburgotski, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, hatte während des Wahlkampfes viele Versprechen abgegeben. So wollte er dafür sorgen, dass noch bis Ende des Jahres 2001 das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen von etwa 1 500 Euro jährlich um 20 Prozent erhöht, die Renten und das Kindergeld angehoben, die ausstehenden Löhne ausgezahlt, die Arbeitslosenrate von fast 20 Prozent gesenkt und die staatliche Korruption eingedämmt sein würden.

Das Parteiprogramm der NDSV übertraf zwar an Oberflächlichkeit selbst die für Wahlkampagnen typischen Gemeinplätze. Doch nach zwölf Jahren Misswirtschaft und persönlicher Bereicherung durch die Funktionäre der abwechselnd regierenden SDS und BSP, setzten viele gerne auf den scheinbar aus dem Nichts aufgetauchten Simeon, der von der Tagespresse zudem systematisch zur nationalen Vaterfigur aufgebaut wurde. Zur Regierungsbildung musste die NDSV allerdings mit der Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS) von Ahmed Dogan koalieren, die ihre Basis vorwiegend beim türkischsprachigen Teil der Bevölkerung hat.

Simeons eigenem Bekunden nach reitet die Koalition zwar von Erfolg zu Erfolg und er selbst sieht sowohl die Nato- als auch die EU-Vollmitgliedschaft bis zum Jahre 2006 als sicher an. Doch die neue Regierung hat das Vertrauen ihrer Wähler bereits verloren. So benötigte Simeon II. mehr als zwei Monate, um ein vollständiges Kabinett zu präsentieren. Das von den politischen Neueinsteigern der NDSV dominierte Parlament debattierte länger über die Tagesordnung als über Gesetzesänderungen. Und während das Lohnniveau nach wie vor stagniert, haben sich die Parlamentsabgeordneten ihre Diäten sogar rückwirkend erhöht. Längst zirkulieren auch zahlreiche Gerüchte über die Spielsucht des nur gebrochen bulgarisch sprechenden Zaren und seinen privaten Konkurs, während seine öffentlichen Auftritte mit Desinteresse quittiert werden. Von einer Erhöhung der Sozialleistungen ist ebenfalls keine Rede mehr. Stattdessen hat der Wirtschaftsminister Nicolaj Wassilew ein rigides Sparprogramm aufgelegt.

Mit dem Beginn des Winters ist die Frustration bei weiten Teilen der Bevölkerung noch größer geworden. Bereits im vergangenen Jahr hatten sich einige Haushalte in der Hauptstadt Sofia eigenmächtig von der staatlichen Fernwärmeversorgung abgekoppelt und ihre Heizkörper versiegeln lassen. Denn die Beheizung einer 100 Quadratmeter großen Wohnung kostet mittlerweile einen mittleren Monatslohn. Dieses Jahr hat in einigen Stadtteilen Sofias bereits mehr als die Hälfte der Bewohner ihre Heizanlagen unbrauchbar gemacht. Die staatlichen Energiebetriebe drohen jetzt damit, die ausstehenden Rechnungen gerichtlich eintreiben zu lassen. Mitunter handelt es sich dabei um Beträge von mehreren tausend Euro. Viele Hauptstädter versuchen nun, bei den Banken einen Kredit zu erhalten, mit dem sie ihre Rechnungen begleichen können - um dann die Heizung abzustellen.

Während die soziale Situation im Land von vielen als hoffnungslos empfunden wird, startete die Kampagne für die Präsidentschaftswahlen. Amtsinhaber Stojanow trat dieses Mal zwar als unabhängiger Kandidat an. Er wurde aber offiziell sowohl von seiner SDS als auch von der NDSV unterstützt, die es nicht geschafft hatte, selbst einen Kandidaten aufzustellen. Der Kandidat der Sozialisten, Georgi Parwanow, hatte mit einer für bulgarische Verhältnisse unüblichen Wahlkampfidee großen Erfolg. Er richtete eine Website mit der Rubrik »Fragen Sie Parwanow« ein, die sich regen Interesses erfreute.

Daneben traten auch Kandidaten verschiedener kleiner Parteien zur Wahl an, darunter Bogomil Bonew und Reneta Indzhowa. Der Geheimdienstmitarbeiter Bonew arbeitete unter Kostow als Innenminister, bis er im Frühjahr vergangenen Jahres demonstrativ zurücktrat. Er beschuldigte Kostow und Stojanow, dass sie nichts gegen die Korruption in der SDS unternehmen würden, und gründete anschließend die ultrarechte und orthodox-religiöse Bürgerpartei für Bulgarien.

Reneta Indzhowa ist die ehemalige Chefin der staatlichen Privatisierungsagentur und war von der DPS aufgestellt worden. Deren Vorsitzender Dogan, dem enge Verbindungen zu Geheimdienstkreisen nachgesagt werden, ließ jedoch, nachdem die Resultate des ersten Wahlgangs klar waren und Indzhowa damit ausgeschieden war, seine Partei eine Erklärung absegnen, in der Parwanow Unterstützung zugesichert wird. Dass die DPS mit der Partei von Simeon II. koaliert, war für Dogan dabei kein Hindernis. Die DPS sei »noch nie Dienerin einer anderen Partei gewesen und Bulgarien braucht einen neuen Präsidenten«, erklärte er.

So ergab der erste Wahlgang kein klares Resultat zugunsten von Peter Stojanow. Die Stichwahl am vergangenen Sonntag gewann schließlich Parwanow klar mit rund 56 Prozent der Stimmen. Nachdem der König nichts verändert hat, will nun der Sozialist einen »tiefen Wandel« vollbringen. Zumindest an die Versprechen haben sich die Bulgaren mittlerweile gewöhnt.