Operation »Amber Fox« unter deutscher Führung

Volle Deckung

Mit der Operation »Amber Fox« in Mazedonien führt die Bundeswehr erstmals einen Einsatz der Nato an.

So wohlwollend wurden deutsche Soldaten im Ausland bislang nur selten erwartet. »Die Deutschen sollen hier ruhig Präsenz zeigen. Sie werden respektiert und können auch die UCK-Terroristen überzeugen, friedlich zu bleiben. Immerhin haben die Deutschen ja schon lange gute Beziehungen zu ihnen«, so Jordan Boschkow, der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des mazedonischen Parlaments, gegenüber Jungle World. Noch vor zwei Wochen klang das ganz anders: »Ich bin strikt gegen eine weitere Nato-Mission hier«, empörte er sich. »Die haben uns für blöd verkauft.«

Offenbar ist es der Nato mit ihrer nun beginnenden Operation »Amber Fox« gelungen, den Widerstand der mazedonischen Politik mit einem geschickten Schachzug zu brechen. Die Bundeswehr soll das Oberkommando der neuen Mission übernehmen und auch den Großteil der etwa 1 000 Soldaten stellen. Eine klassische Aktion der Nato hätte kaum die Zustimmung der Mazedonier gefunden, ein Einsatz unter deutscher Leitung hingegen schon.

Das klingt zwar seltsam, spiegelt aber sehr genau die Stimmung der mazedonischen Regierung wider. Denn Deutschland wird in Mazedonien weniger mit der Nato, sondern vor allem mit der Europäischen Union in Zusammenhang gebracht. Die kühne Schlussfolgerung der mazedonischen Politiker: Ein Engagement der Deutschen sichert nicht nur den fragilen Frieden, es könnte mittelfristig auch zu einer engeren Bindung an die EU führen.

»Die Deutschen haben hier im Lande eine ganz gute Vorarbeit geleistet. So hat das Kfor-Kontingent in Tetovo in den letzten Jahren auch einige Hilfsprojekte für die Bevölkerung initiiert. Die Deutschen sind den Mazedoniern auch ganz sympathisch«, sagt Harald Schenker, der Sprecher der OSZE-Mission in Skopje, der Jungle World.

Vermutlich wird es bei den Mazedoniern zu bitterer Enttäuschung kommen, denn das Ziel des Einsatzes liegt sicherlich nicht darin, das Land so schnell wie möglich in die EU zu integrieren. Die Entscheidung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, gleich 600 bis 700 Soldaten nach Mazedonien zu schicken, hat eher mit der deutschen Unterstützung für die USA, aber auch mit deutschen Eigeninteressen zu tun. Schröder hat George W. Bush seine uneingeschränkte Unterstützung bei seinem »Krieg gegen den Terror« zugesichert und die deutsche Eifrigkeit in Mazedonien dürfte ein Teil der Einlösung dieses Versprechens sein. Schließlich haben die Amerikaner derzeit Wichtigers zu tun. Indem sich Deutschland in Mazedonien stärker engagiert, wird die USA bei ihrem Versuch entlastet, die Terrorattacken in New York und Washington zu ahnden. Zudem kann Deutschland in Ruhe seinen Einfluss auf dem Balkan ausbauen.

Doch trotz der derzeit günstigen Voraussetzungen ist der Ausgang der Operation »Amber Fox« sehr ungewiss. Im Gegensatz zu »Essential Harvest« ist der Nachfolgeeinsatz offensiv angelegt und trägt daher ein größeres Konfliktpotenzial in sich. Immerhin sollen die Soldaten die OSZE, das Rote Kreuz und andere internationale Organisationen bei der Rückführung von Flüchtlingen in die bisher umkämpften Regionen Mazedoniens unterstützen und gleichzeitig Scharmützel zwischen der mazedonischen Armee und vermutlich noch immer nicht befriedeten UCK-Terroristen verhindern.

»ðEssential HarvestÐ war dagegen recht risikoarm: Die Nato errichtete einfach einige Waffensammelpunkte und wartete, bis die UCK-Terroristen ihre schrottreifen Flinten vorbeibringen«, erklärt Harald Schenker. Die nun anstehende Aufgabe gestalte sich wesentlich umfangreicher. Etwa 120 000 slawischsprachige und albanischsprachige Mazedonier sind derzeit innerhalb Mazedoniens auf der Flucht vor den bewaffneten Auseinandersetzungen der letzten Monate. Und alle Flüchtlinge wieder in ihre Herkunftsregionen zurückzubringen, wird wohl nicht ohne Schwierigkeiten durchzuführen sein.

Zwar ist die Operation »Amber Fox« momentan auf drei Monate angelegt, doch die Aufgabe in dieser Zeit zu erledigen, wird wohl nicht einfach sein: »Die drei Monate sind vor allem politische Kosmetik, damit die Mazedonier überhaupt zustimmen. Ich kann aber nicht sagen, dass wir in drei Monaten alle Leute zurückgebracht haben und daher die Nato-Mission beendet werden kann«, meint Schenker.

»Erste Soldaten unserer Operation sind bereits in Mazedonien unterwegs«, berichtete der neue »Amber Fox«-Oberbefehlshaber, der Brigadegeneral Heinz-Georg Keerl, am vergangenen Freitag. Möglichst schnell soll die Operation nun beginnen, doch die Eile birgt auch Gefahren. Der politische Reformprozess in Skopje ist noch nicht abgeschlossen. Erstens steht die Ratifizierung der Verfassungsänderungen zur Besserstellung der albanisch-sprachigen Bevölkerung durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament noch aus; sie ist erst für Mitte Oktober vorgesehen. Zudem wird derzeit im mazedonischen Parlament über ein Referendum zu diesen Verfassungsreformen diskutiert, wobei noch keine Entscheidung abzusehen ist.

Sollte das Parlament aber demnächst ein solches Referendum beschließen, könnten sich die »Amber Fox«-Soldaten plötzlich mitten in einem Bürgerkrieg wiederfinden. »Wenn es zu einem Referendum kommt und die Fragen in diesem Referendum hart formuliert werden, sodass die Bevölkerung sich gegen die Reformen ausspricht, wird es sehr kritisch«, befürchtet Schenker. Dann nämlich würden die inzwischen offiziell aufgelösten UCK-Einheiten abermals losschlagen.

Feststehen dürfte allerdings schon jetzt, dass sich das mazedonische Parlament für irgendeine Art der Volksbefragung ausspricht, immerhin ist der Wahlkampf für den geplanten Urnengang am 27. Januar nächsten Jahres schon in vollem Gange. Da will natürlich keine Partei Wähler verlieren, indem sie ohne Vorbehalte für eine Reform plädiert.

Die mazedonische Politik wird zusätzlich durch das schon lange von allen Beobachtern prognostizierte Einsickern ehemaliger UCK-Terroristen in das Parteiensystem polarisiert. Ali Ahmeti, bislang Chef der UCK, möchte entweder eine eigene Partei gründen oder sich in der erst im März entstandenen radikalen albanischen Nationalen Demokratischen Partei (NDP) engagieren. Eine beachtliche Karriere: Vom Terroristen zum Parlamentarier. »Kämpfer und Kommandeure haben die Führung aufgefordert, einen Plan für das weitere Vorgehen vorzulegen«, kommentierte Rafiz Haliti, bisher ein führender UCK-Kommandeur, in seiner Hochburg Radusa nördlich von Skopje, diese Entwicklung gegenüber Journalisten.

Aber selbst wenn »Amber Fox« wider Erwarten eine langweilige Mission ohne größere Zwischenfälle werden sollte, bleibt es in Mazedonien weiter spannend. Die in der letzten Woche feierlich vollzogene Selbstauflösung der UCK nimmt keiner wirklich ernst. »Ach, dann werden die Terroristen eben losschlagen, ohne einen offiziellen Namen zu haben«, erklärte Jordan Boschkow dazu lapidar.

Ob »Amber Fox« überhaupt wieder den früheren Zustand im Land herstellen kann, bleibt in jedem Fall ungewiss: »Diese Mission ist nur symbolisch. Wir glauben nicht, dass diese Soldaten dafür sorgen können, dass die Mazedonier weiterhin in ihren alten Siedlungsgebieten wohnen können. Die Albaner werden sie wieder vertreiben«, befürchtet Boschkow und sagt voraus, dass es in einigen Jahren keine slawisch-sprachigen Mazedonier mehr rund um Tetovo geben wird. In dieser Region leben viele albanisch-sprachige Mazedonier.

Dann hätten die UCK-Terroristen mit einigen Jahren Verspätung alle ihre Ziele erreicht: Eine strikte Trennung der mazedonischen Gebiete gemäß der Sprachen ihrer Bewohner.