Die Tennisspielerin Anna Kournikowa

Schöner schmettern

Anna Kournikowa hat es schwer. Ist sie nun eine Tennis spielende Schlampe oder eine schlampige Tennisspielerin?

In welcher Schreibart auch immer man den Namen »Anna Kournikowa« in eine Internet-Suchmaschine eingibt, das Resultat ist immer mindestens vierstellig. Die russische Tennisspielerin ist nicht nur mit einer eigenen Homepage und zahlreichen Zeitungsmeldungen, sondern auch mit vielen Fansites im WWW vertreten. Dort werden weniger ihre recht spärlichen sportlichen Erfolge, sondern vielmehr die attraktivsten Fotos des schönen Stars veröffentlicht.

Die die globale öffentliche Meinung beherrschenden Sportpuristen sehen allein schon dadurch ihr Urteil über Kournikowa bestätigt. Die Frau kann nichts außer gut aussehen. Sie gilt zum Beispiel in Deutschand als »Luder«, ein aus dem Rennsport übernommener Begriff, der Frauen bezeichnet, die zwar nichts können, aber dabei hübsch aussehen. Bild beschied etwa vor einigen Monaten: »Ludert mit den Männern rum. Mehr NHL-Lover (2) als Turniersiege (0). Faselt, dass ihr Tenniskönnen und nicht das Aussehen für Millionen-Verträge sorgt.«

Dabei handelt es sich nicht nur um einen Fall von sportlicher Desinformation. Im Jahr 1999 gewann Kournikowa an der Seite ihrer Partnerin Martina Hingis das Finale im Doppel bei den renommierten Australian Open. Es geht auch um Revisionismus. Jahrzehntelang wurde das euphemistisch »Damentennis« genannte Genre von großen, kantigen Frauen mit herben Gesichtszügen beherrscht, was, gemessen an der Aufgabe, nicht unbedingt ein Fehler gewesen sein muss.

Schließlich gelang in dieser Zeit häufig bloß den Spielerinnen mit den längsten und durchtrainiertesten Armen der entscheidende Netzroller, waren nur diejenigen mit muskulösen Oberschenkeln im Stande, den kräftezehrenden Schlagabtausch an der Grundlinie für sich zu entschieden oder schnell genug ans Netz zu sprinten. Schönheit gehörte auf den damaligen Tennisplätzen dagegen zu den Sekundärtugenden.

Frauen hatten auf den Courts einfach nur ihr Programm abzuspulen, während die männlichen Tennisstars herumpöbeln durften wie John McEnroe, glühende Nationalisten sein konnten wie Goran Ivanisevic oder sich als autistische Säcke gebärdeten wie Björn Borg.

In der weiblichen Tenniswelt irgendwie aufzufallen, galt dagegen als Todsünde. Die wenigen, die auf Individualität beharrten, wurden von den Medien bestraft. Arantxa Sanchez-Vicario wurde mehrmals unterstellt, sie sei dauerbekifft, da ihre permanente gute Laune nicht anders zu erklären sei. Den bekennenden Lesben Billie Jean King und Martina Navratilova galten die ebenso schlecht recherchierten wie sensationslüstern aufgemachten Berichte, in denen sich junge Talente über sexuelle Belästigungen im Umkleideraum beklagten.

Und Monica Seles, die es gewagt hatte, das ungeschriebene Gesetz von der lautlosen Tennisarbeit zu brechen und die jeden Ballwechsel mit Quietschen und Stöhnen begleitete, wurde selbst als Nummer eins zur Zielscheibe mehr oder weniger geschmackvoller Witzchen. Als »Monic-Ugh Seles,« wurde die »in der Lautstärke eines Lear-Jets stöhnende« Spielerin in der britischen Presse bezeichnet, ein eilends installierter »Grunt-o-Meter« sollte ihre Geräuschentwicklung messen. Ein Messerattentat wirkte da fast als logische Schlussfolgerung der aufgeregten Berichte über die Queen Of The Scene.

Bei Anna Kournikowa lag der Fall anders. Fachlich war ihr zunächst nichts vorzuwerfen. Dennoch ging es rasch um etwas anderes: »Ich hasse Tennis, aber ich liebe Anna«, schrieb ein Fan bei einem Turnier in Florida auf sein Transparent. Kournikowa teilt das Schicksal vieler gut aussehender Frauen im Berufsleben. Leugnen sie ihre Schönheit, gelten sie als kokette Weibchen, bekennen sie sich zu ihrem Ausssehen, stellt das einen weiteren Beweis für Oberflächlichkeit und Dummheit dar.

Die Kournakowsche Zwickmühle begann womöglich bereits vor mehr als zehn Jahren. 1991 hatte die Firma IMG, eine Tochter des US-Sportmarketing-Unternehmens McCormack, eine erste Nachwuchssichtung in Russland durchgeführt. Während des Kremlin-Cups in Moskau hatte beim Turnier für junge Talente besonders die damals neunjährige Anna Kournikowa den zuständigen Agenten überzeugt. Paul Theouphanis hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits einen Namen als Manager von Tennisstars wie Monica Seles, Lindsey Davenport und Thommy Haas gemacht.

Zwei Jahre später fing das Mädchen in der Tennisakademie des berüchtigten Schleifers Nick Bollettieri an, einem Partner von IMG. Der daraufhin sogar seinen berüchtigten Stil, den Kritiker als eindimensional und lediglich auf den schnellen Erfolg gerichtet bezeichnet hatten, zur Disposition stellte. Anna durfte variabel spielen, Kournikowa habe, ebenso wie das damalige Talent Haas, »sozusagen Waffen sportlicher Art, um auf allen Belägen ihr Spiel durchsetzen zu können«, erklärte IMG-Manager Tony Godsick damals.

Ihre Mutter wurde noch 1995 vom Tagesspiegel im einschlägigen Duktus des Kalten Krieges beschrieben. Wünsche nach einem Interview würden an ihr »wie an einem T 34, dem legendären russischen Panzer, abprallen«, berichtete der Frontstadtpeporter, sie wolle lieber im Hintergrund bleiben. Die Vermarktung des kommenden Tennisstars wurde von der zuständigen Firma bewusst behutsam betrieben. Unter zahlreichen Werbe- und Sponsorangeboten wählte man lediglich zwei aus: den Sportkleidungshersteller Adidas und den Schlägerhersteller.

Im Gegensatz zur ebenfalls sehr hübschen Tennisspielerin Gabriela Sabatini, die in den Medien als eine Person mit »Tennisellenbogen auf der Seele« beschrieben wurde, kommt Kournikowa mit der Presse gut zurecht. Speziell angesetzte Fototermine sollen den entlegensten Nestern einen Hauch von der in der Tenniswelt grassierenden »Anna-Mania« vermitteln. Jemand wie Kournikowa ist jedoch bei den Konkurrentinnen zwangläufig nicht sonderlich beliebt.

Die ehemalige Weltklassespielerin Nathalie Tauziat beschrieb sie in ihrem Enthüllungsbuch »Les Dessous du Tennis Feminin« als »blonden Glücksfall«, der für die WTA-Tour ein »Zusatzgewinn« sei. Tauziat beobachtet eine Szene beim Turnier von Key Biscayne. Anna Kournikowa spielt gegen Lindsey Davenport, die Stimmung im Publikum ist eindeutig für Anna. »Ich ging ins Büro der WTA und fragte, wie sie darüber dachten. Jemand antwortete mir: ðWeißt du, sie ist so schön.Ð Mein Statement fiel ebenso kurz wie eindeutig aus: ðWas glaubst du, was Tennis ist, ein Casting für den nächsten James Bond?Ы

Tauziat erklärt nicht weiter, wie die Verantwortlichen Annas Fans hätten stoppen sollen, dafür beklagt sie sich heftig über angeblich ungerechte Ranglisten. In der so genannten Commitment List, dem Gegenstück zur offiziellen Weltrangliste, würden die Spielerinnen nach ihren Marktwert beurteilt. Die 20 ersten erhalten demnach für Turnierteilnahmen Bonuszahlungen, die von ihrem Commitment-Ranking abhängig sind. Im Jahr 2000 wurden Anna Kournikowa trotz schlechter sportlicher Leistungen 100 000 Dollar ausgezahlt, während bessere Spielerinnen sich mit der Hälfte oder weniger zufrieden geben mussten. Tauziat erhielt nur 15 000 Dollar.

Dies sei, so Jon Wertheim, der Autor des in diesem Jahr erschienenen Buches »Veenus Envy«, weniger darauf zurückzuführen, »dass sie nicht Gefahr läuft, versehentlich für ein Model gehalten zu werden, sondern weil sie, um fair zu bleiben, dafür berüchtigt ist, mit Sponsoren sehr unkooperativ umzugehen.« Bei den Tennisexperten riefen die Enthüllungen Tauzits keine große Aufregung hervor: »Mit manchen Spielern verkauft man eben Tickets und mit manchen nicht«, meinte Bob Arrix, der Organisator des Turniers von Long Island. »Da macht es doch Sinn, die Profis zu belohnen, die man als Publikumsmagneten einfach braucht. Und wenn sie dabei zufällig auch noch hübsch aussehen, umso besser.«