26.09.2001
Die Regierung sucht das Bündnis mit den USA

Anti-Terror, Terror & Co.

Die algerische Regierung will sich der von den USA geführten »antiterroristischen Koalition« anschließen.

Seit den Attacken von New York und Washington scheint es diplomatische Bemühungen um eine konzertierte Aktion der westlichen Führungsmächte und Algiers zu geben, die sich gegen die algerischen radikalen Islamisten richten soll.

Die algerische Regierung hat am Donnerstag der vergangenen Woche über die amtliche Nachrichtenagentur APS halboffiziell verlauten lassen, sie sei bereit, sich einer von den USA geführten »antiterroristischen Koalition« anzuschließen. Abschwächend wurde hinzugefügt, dass es dabei um die Bekämpfung des Terrorismus gehen müsse und nicht um einen »Krieg gegen ein Land oder Volk, eine Religion, eine Kultur oder Zivilisation«.

Als Gegenleistung für ihre Zustimmung zu US-geführten Operationen erwartet die Regierung in Algier ein energisches Vorgehen der tonangebenden westlichen Mächte gegen die Infrastruktur des radikalen Islamismus, die sie bisher diplomatisch geduldet haben.

Der Tageszeitung Le Matin zufolge ist in Algier und Washington »die Akte Anouar Haddam erneut geöffnet worden«. Anouar Haddam residierte jahrelang als diplomatisch anerkannter, offizieller Repräsentant der Islamistenpartei Fis (Islamische Rettungsfront) in Washington. Dort verlas er Ende Januar 1995 das Bekennerschreiben zum wohl blutigsten Attentat des algerischen Bürgerkriegs und rechtfertigte diesen Anschlag. Um das Zentralkommissariat im Zentrum von Algier zu treffen, hatte eine islamistische Terrorgruppe einen vollbesetzten Bus in eine Autobombe verwandelt und auf dem Boulevard Amirouche hochgehen lassen; über 50 Zivilisten starben. Doch in den späten neunziger Jahren wurde Haddam von den USA diplomatisch abserviert. Nun scheint eine Auslieferung des 1995 in Algier in Abwesenheit Verurteilten nicht mehr ausgeschlossen.

Zugleich wurde am Ende der vergangenenen Woche bekannt gegeben, dass der in London ansässige Islamist Kamreddine Kherbane »auf Anweisung des US-State Department« (so beispielsweise Le Matin) im marokkanischen Rabat verhaftet worden sei. Dort wollte er seinen Schwager Said Hamaz besuchen, der eine 15jährige Haftstrafe wegen Waffenschmuggels zugunsten der GIA (Bewaffnete islamische Gruppen) verbüßt.

Kherbane, der 1989 in Algerien zu den führenden Gründungsmitgliedern des Fis zählte, hatte den größten Teil der achtziger Jahre hindurch die algerischen Freiwilligen im afghanischen Krieg gegen die sowjetische Besatzungsmacht organisiert. Im pakistanischen Peschawar, wo er eine Residenz unterhielt, nahm er die Neuankömmlinge in Empfang, bei deren Ausbildung er Presseberichten zufolge von US-amerikanischen Diensten betreut wurde. Seit dem Sommer 1998 war er der Verbindungsmann zwischen Ussama bin Laden und dem GSPC (Salafitische Gruppe für Predigt und Kampf) von Hassan Hatab. Der vor allem im nordöstlichen Algerien aktive GPSC ist eine Abspaltung der GIA und hat vermutlich ein paar Hundert Mitglieder. Die bewaffnete Gruppe, die Le Soir d'Algérie zufolge dem internationalen Netzwerk Al-Qaida von Ussama bin Laden angehört, hat in der letzten Woche für den Fall von Vergeltungsschlägen der USA mit »Operationen gegen amerikanische und europäische Interessen in Algerien« gedroht.

Die gegenwärtige internationale Situation hat für die algerischen Islamisten vor allem zur Folge, dass ihre Pläne zunichte gemacht wurden, Anfang Oktober einen offiziellen Kongress des in Algerien und in Frankreich verbotenen Fis im westeuropäischen Ausland, vermutlich in London, abzuhalten.

Eines der bekanntesten Fis-Mitglieder, Omar Abdelkader, verließ Ende August wegen der Kongressvorbereitung das Land, obwohl er unter Aufsicht der Justiz stand. Seine ungehinderte legale Ausreise ließ viele Beobachter schlussfolgern, die Regierung sehe in ihm den kommenden Führer der Fis und ihren Verhandlungspartner.

Seit 1999 betreibt Präsident Abdelaziz Bouteflika - aus einer vermeintlichen Position der Stärke des algerischen Staates - eine Politik der »Aussöhnung« mit den Islamisten, die jedoch seit dem Sommer von Teilen der Armee und der politischen Klasse immer stärker kritisiert wird.

Wie am vorigen Donnerstag verlautete, ist Omar Abdelkader mittlerweile in den Niederlanden zum Polizeiverhör geladen worden; seine unfreiwillige Rückkehr nach Algerien gilt als wahrscheinlich. Zur Vorbereitung des Kongresses nahm an einem Treffen in einer türkischen Moschee in Bonn übrigens auch Abdelkader Aït El Hadi teil, seit 1999 offizieller Vertreter des GSPC in Deutschland.

Teile des algerischen Militärs und der politischen Klasse möchten die Gunst der Stunde nutzen und ihrer Position gegenüber dem radikalen Islamismus erneut zu internationaler Legitimität verhelfen. Denn sie wurde nicht nur von anderen Fraktionen innerhalb des Regimes in Frage gestellt, sondern vor allem auch auf internationaler Ebene delegitimiert.

Neben den teils kritikwürdigen Repressionspraktiken trug hierzu ein international geführter Propagandakrieg bei, der sich in den letzten drei Jahren erheblich verschärft hat. Betrieben wurde er zum einen von der islamistischen Internationale, die ihre Repräsentanten in Algerien, die zeitweilig von Saudi-Arabien finanziert wurden, zu rehabilitieren bestrebt war.

Hinzu kamen seit Mitte der neunziger Jahre die europäische Sozialdemokratie und ihre Umgebung, die weit in die Reihen diverser NGO hineinreicht. In Frankreich, das innerhalb der EU für die Länder des Maghreb zuständig ist, steht die konservative Rechte hinter den algerischen Militärs und befürwortet eine autoritäre Krisenherrschaft, die sich durch den quasi idealen Feind des radikalen Islamismus legitimiert. Hingegen unterstützen die sozialdemokratischen Parteien seit den frühen neunziger Jahren eine Strategie der Einbindung des Islamismus in eine »politische Lösung«.

So unterstützten die französischen Sozialisten den so genannten Vertrag von Rom, der im Januar 1995 in der Kirchengemeinde von San'Egidio abgeschlossen wurde und eine Machtteilung unter Beteiligung der Islamisten vorsieht. An seiner Ausarbeitung wirkten allerdings auch italienische Christdemokraten und Vertreter der ultrarechten Lega Nord als Schirmherren mit. Als Vertreter des Fis unterschrieb Anouar Haddam.

Auch die kabylische Regionalpartei FFS (Front der sozialistischen Kräfte), die eine der Hauptkräfte hinter dem Vertrag von Rom darstellt, ist seit den frühen neunziger Jahren Mitglied der Sozialistischen Internationale (SI). Spätestens seit der diplomatischen Initiative von Rom ist daher das Umfeld der europäischen Sozialdemokratie, dem sich die Grünen und ein bedeutender Teil des NGO-Spektrums angeschlossen haben, an einem Diskurs beteiligt, der dem algerischen Establishment die Hauptschuld am Blutvergießen gibt.

Die US-Administration verhielt sich bis zum Jahresende 1995 ähnlich, zumal die CIA im Jahre 1994 eine Machtübernahme der Islamisten prognostizierte. Die starke Beteiligung der Bevölkerung an der Präsidentschaftswahl am 16. November 1995 - den Todesdrohungen der bewaffneten Islamisten zum Trotz - warf diese Analyse über den Haufen und ließ die US-Regierung ihre Algerienpolitik ändern.

Allerdings ging sie nicht so weit, Algier beispielsweise - wie gefordert - sämtliche Erkenntnisse der US-Geheimdienste und Satellitenbilder über die Bewegungen islamistischer Guerillagruppen zur Verfügung zu stellen. Zeitungsberichten zufolge soll sich das nun möglicherweise ändern. Um den Preis, dass die Regierung in Algier, die bisher noch an einer antiimperialistischen Rhetorik festhielt, die Führungsrolle der USA akzeptiert.