Pressefest der Deutschen Stimme

Das Wunder von Grimma

Das NPD-Zentralorgan Deutsche Stimme hat Probleme, einen Platz für sein Pressefest zu finden.

Sie hatten alles so gut vorbereitet. Bereits in der Juli-Ausgabe wurde auf einer ganzen Seite des NPD-Parteiblatts Deutsche Stimme für das Pressefest geworben. Im August lag der Zeitung dann ein farbiger Hochglanzprospekt bei, in dem der Ort des Geschehens angedeutet wurde. Die Party solle am 25. August »in Mitteldeutschland« und »unter freiem Himmel« stattfinden. Nähere Informationen würden die Teilnehmer mit der Eintrittskarte erhalten, hieß es.

Die ganze Konspiration nutzte aber nichts, denn niemand war bereit, den Neonazis eine entsprechende Halle zur Verfügung zu stellen. Nicht in der Umgebung des Verlagssitzes Riesa und auch nicht im gesamten Erzgebirge. Vor mindestens 1 500 besoffenen Skins schreckte man überall zurück. Und doch hätte noch alles gut für die NPD enden können. Wenn ihr sächsischer Landesvorsitzende nicht Winfried Petzold geheißen hätte.

Petzold beherrscht nämlich die Grundregel der Konspiration nicht, er kann den Mund einfach nicht halten. Und daher sprach es sich in Grimma, der Hauptstadt des sächsischen Muldentalkreises, schnell herum, dass eine NPD-Delegation unter der Leitung des stellvertretenden Parteivorsitzenden Holger Apfel im Rathaus vorgesprochen hatte, um eine Kundgebung für den 25. August anzumelden.

»Eine Kundgebung geht an diesem Tag nicht«, erklärte Bürgermeister Matthias Berger, »da ist Mulderegatta. Aber ihr könnt am 8. September kommen.« Die Vertreter der NPD machten artig einen Diener, verabschiedeten sich, und akzeptierten am nächsten Tag den Ausweichtermin. Die Stadt, werden sich die Alt- und Jungnazis gedacht haben, liegt verkehrstechnisch günstig, und der dort lebende NPD-Landesvorsitzende braucht dringend ein Erfolgserlebnis. Aber vor allem: Dort haben wir nicht nur eine stabile Basis, sondern noch nie Ärger mit Gegenaktionen gehabt.

Deshalb war es nur logisch, dass sich die Neonazis bei den Einladungen nicht zurückhielten. Ein verurteilter Bombenleger wie Peter Naumann als Redner? Kein Problem. Ein verurteilter italienischer Terrorist wie Roberto Fiore von der Forza Nuova als Stargast? Aber immer doch. Ein wegen NS-Wiederbetätigung mehrfach verurteilter österreichischer SS-Mann wie Herbert Schweiger? Warum nicht? Und dass Veröffentlichungen der angekündigten Bands Nordwind und Noie Werte wegen Volksverhetzung beschlagnahmt worden sind, gilt in diesen Kreisen sowieso als Qualitätsbeweis. Auch Frank Rennicke sollte als Überraschungsgast nicht fehlen.

Vieles in Grimma sprach dafür, dass sich die Hoffnungen der Neonazis erfüllen ließen. Ein CDU-Landrat, von dem man weiß, dass er ein verlorenes Gerichtsverfahren mehr fürchtet als Großveranstaltungen von Neonazis. Ein gerade gewählter, unerfahrener Bürgermeister, ein starkes, mobilisierungsfähiges Umfeld der NPD im Muldentalkreis, mangelnde Gegenwehr in der Vergangenheit. So beschränkte sich der Widerstand gegen den Naziaufmarsch am 1. Mai 2000 darauf, bunte Tücher aus einigen Fenstern zu hängen.

Bessere Voraussetzungen hätte sich die NPD nicht wünschen können. Hinzu kommt eine PDS, die sich im Landkreis bisher nicht als Avantgarde des Antifaschismus hervorgetan hat. Das im Mai 2000 vom sächsischen PDS-Landesvorsitzenden Peter Porsch angekündigte Grundsatzpapier zum modernen Antifaschismus kennt hier bis heute niemand.

Dann kam jedoch alles anders, als es die NPD erwartet hatte. Die oft gescholtene PDS-Kreisvorsitzende Kerstin Köditz informierte, sofort nachdem ihr die Anmeldung der NPD zu Ohren gekommen war, die Öffentlichkeit und forderte ein Verbot der Veranstaltung. Der CDU-Bürgermeister Berger verlangte nicht nur die Ausschöpfung aller juristischen Mittel für ein Verbot der NPD-Veranstaltung, sondern lud umgehend zu einer Bürgerversammlung in den Rathaussaal.

Überraschenderweise wurde im bisher so zögerlichen Grimma während der Versammlung nicht darüber debattiert, ob es überhaupt Gegenaktionen geben sollte, sondern nur darüber, ob sie am Tag der Neonaziprovokation stattfinden sollten oder aber einen Tag vorher. »Und was mache ich dann am Samstag?«, fragte daraufhin ein Teilnehmer »soll ich dann etwa in meinen Schrebergarten gehen und mich still verhalten?« Und dann wurde in Grimma Basisdemokratie geübt. Mit großer Mehrheit entschied sich die Versammlung für breit angelegte Gegenaktionen unter dem Motto »Bunte Vielfalt statt braune Einfalt« am Tag der Neonazikundgebung. »Wenn wir jetzt nicht Gesicht zeigen«, betonte eine Frau aus dem Kirchenvorstand, »dann kommen die Nazis immer wieder.«

Ganz unwidersprochen konnte das Bürgervotum jedoch nicht bleiben. Der stellvertretende Landrat Klaus-Jürgen Linke (CDU) sah in der Forderung nach einem Verbot der Naziveranstaltung eine »Nötigung« der Verwaltung. Man prüfe intensiv, so seine lapidare und monotone Auskunft auf alle Fragen. Was von den Teilnehmern als schlechtes Zeichen gewertet wurde.

Doch Wunder gibt es immer wieder. In einer achtseitigen Begründung wurde das Pressefest am letzten Mittwoch vom Landrat Gerhard Gey verboten. Er begründete das Verbot mit der »Festigung des Zusammengehörigkeits- und Machtgefühls der Teilnehmer bei gleichzeitig deutlich zum Ausdruck gebrachter Ausgrenzung und Einschüchterung Missliebiger - insbesondere ausländischer Mitbürger«.

Die NPD ihrerseits klagt natürlich. Nicht nur über das Verbot, sondern auch dagegen. Bürgermeister Berger ist das aber egal: »Sollte die Veranstaltung nicht verboten werden, stellt die Stadt Grimma weder Strom noch Wasser, Zelt oder Gastronomie zur Verfügung. Die können den ganzen Tag auf dem Volkshausplatz im Kreis marschieren, eine Veranstaltung mit Volksfestcharakter wird es nicht geben.« Und Kerstin Köditz ergänzt: »Manchmal ist sogar die PDS lernfähig. In Grimma wird es am 8. September Aktionen gegen Nationalismus, Rassismus und Faschismus geben - ob die NPD nun kommt oder nicht.«