Privatisierung der Telefongesellschaft

Telefongroschen für die Staatskasse

Mit dem Ausverkauf der Telefongesellschaft an die Deutsche Telekom nähert sich die Privatisierungswelle in Kroatien ihrem Ende. Ihr Haushaltsloch stopfen konnte die Regierung damit nicht.

Der Parlamentspräsident war außer sich. Die Verantwortlichen müssten wohl ihren Hut nehmen, wetterte Zlatko Tomcic in der zweiten Augustwoche, sollte sich herausstellen, dass geheime Absprachen zwischen der Regierung in Zagreb und der Deutschen Telekom den jüngsten Telefonpreiserhöhungen zu Grunde liegen. Der Anlass für den Wutausbruch: Ende Juli hatte die kroatische Hrvatski Telekomunikacije (HT) angekündigt, künftig ganz Kroatien als eine Tarifzone zu behandeln.

Privatkunden beschert das schon in diesem Monat Telefonrechnungen, die zwischen zwölf und 24 Prozent über den bisherigen liegen. Business-Kunden wiederum können mit Preisnachlässen von fünf bis 18 Prozent rechnen, das behauptet zumindest das Telekommunikationsunternehmen.

Doch Tomcics Ruf nach Konsequenzen hat einen Hintergrund, der weit über die Tarifpolitik des größten kroatischen Telekommunikationsdienstleisters hinausgeht und der die Beziehungen zwischen Zagreb und der Deutschen Telekom in Bonn noch ernsthaft stören könnte. Nach langem Hin und Her hatte die Regierung von Ministerpräsident Ivica Racan (SDP) Anfang Juli dem Verkauf von HT-Aktien an den einstigen deutschen Staatsbetrieb zugestimmt. Mit 11 000 Angestellten ist die HT eines der größten Unternehmen des Landes, außerdem stehen drei Mobilfunknetze und der führende Internetprovider Hinet unter HT-Hoheit. Kein Wunder, dass die Regierung nicht begeistert war, für den Verkauf an die Deutsche Telekom nur 500, und nicht die ursprünglich geforderten 550 Millionen Euro zu erhalten. Im Gegenzug bekommt die Deutsche Telekom bei dem für September anvisierten Abschluss der Transaktion 16 Prozent der HT-Aktien.

Damit würden die Bonner die Aktienmehrheit von 51 Prozent erlangen, nachdem sich das Unternehmen schon im Oktober 1999 in Kroatien eingekauft hatte. Damals zahlten sie für 35 Prozent der Anteile 850 Millionen US-Dollar (rund eine Milliarde Euro). So gesehen erscheint Tomcics Verdacht, die kroatische Telefongesellschaft sei von der Deutschen Telekom zu der Preiserhöhung gezwungen worden, mehr als plausibel, schließlich könnte sie ein Kompensationsgeschäft für die hohen Investionskosten gewesen sein. Ob die Regierung in Zagreb Tomcics Plädoyer für kundenfreundliche Tarife folgt, ist jedoch fraglich. Ein Rückzug aus dem Telefondeal würde die Privatisierungspolitik der Zagreber Sechser-Koalition erheblich stören.

Auch dürfte die sozialliberale Regierung Racans Schwierigkeiten haben, neue Investoren für das Telefonnetz an der Adria zu finden; einheimische, wie Tomcic sie verlangt, gibt es schon gar nicht. Die Zahl der kroatischen Geldgeber, die dieses Jahr mehr als 230 Millionen Kuna (rund 30 Millionen Euro) in Infrastrukturmaßnahmen oder den Ausbau neuer Technologien stecken, lässt sich an den Fingern einer Hand abzählen; einer der größten ist ausgerechnet die Katholische Kirche.

Auch aus einem anderem Grund wird die Regierung kaum von ihrer Zusage an die Deutsche Telekom abrücken: Erst im März gewährte der Internationale Währungsfonds (IWF) dem von Arbeitslosigkeit und Armut - nach Berechnungen der Weltbank leben mindestens 400 000 Kroaten unterhalb der Armutsgrenze, offiziell sind 23 Prozent ohne Arbeit - gezeichneten Land einen Kredit in Höhe von 250 Millionen US-Dollar. Er ist jedoch an strenge Auflagen gebunden. So soll das horrende Haushaltsdefizit, das im laufenden Jahr umgerechnet eine Milliarde Mark beträgt, bis Ende 2002 um mehr als die Hälfte gesenkt werden. Gelingt das nicht, gibt es auch keine neuen Darlehen. Der einzige Weg, die Vorgaben der internationalen Kreditgeber einzuhalten, ist aus anderen Schwellenländern bekannt: Massenentlassungen, Lohnstopps, Kürzungen bei den Renten, im Bildungs- sowie im Gesundheitswesen.

Weil sich der IWF und andere Sponsoren davon ein höheres Wirtschaftswachstum versprechen, wird die Sparpolitik auch in Kroatien von Privatisierungen der großen Staatsbetriebe flankiert. So hat sich die Regierung gegenüber den Währungshütern in Washington verpflichtet, die Ausgaben vor allem im Staatsapparat zu senken - von den 200 000 Beschäftigen sollen bis zum Dezember 2002 rund 40 000 entlassen werden.

Eigentlich hatte die Regierung bei ihrem Amtsantritt zu Beginn des letzten Jahres angekündigt, mit dem Verkauf der zwölf größten Staatsunternehmen mehrere Milliarden Kuna in die leeren Kassen zu pumpen und das von Ex-Präsident Franjo Tudjman geradezu exzesshaft betriebene Deficite Spending zu beenden. Doch auch wenn das Haushaltsloch durch die Telekom-Millionen ansatzweise gestopft wird, kann sie sich eine Abkehr vom bisherigen Sparkurs nicht erlauben.

Daran ändert auch die Behauptung von Finanzminister Mato Crkvenac nichts, der letzte Woche gegenüber der kroatischen Nachrichtenagentur Hina Vorwürfe zurückwies, die derzeitigen Sparmaßnahmen seien vom IWF diktiert. Inzwischen liegt die Pro-Kopf-Verschuldung bei rund 2 000 US-Dollar, zu den Auslandsschulden von elf Milliarden kommt eine Binnenverschuldung von rund sechs Milliarden US-Dollar sowie das Haushaltsdefizit in Höhe von einer Milliarde. Zur Zeit der größten jugoslawischen Schuldenkrise Anfang der achtziger Jahre betrug die Pro-Kopf-Verschuldung lediglich die Hälfte. Der Journalist Milan Gavrovic führt das auf die »übervorsichtige Politik von Racans Sozialdemokratischer Partei« zurück, »die die Sünden ihrer Vorgänger größtenteils fortsetzt und die von der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) geschaffene Klientelstruktur weiter finanziert«.

So wird wohl auch der Wunsch des stellvertretenden Premierministers Slavko Linic eine leere Hoffnung bleiben, der den Telekom-Deal als wichtigen Schritt im Privatisierungsprozess bezeichnete. Denn nicht nur die Hrvatski Telekomunikacije ging für weniger Geld als eingeplant an ausländische Investoren, auch der Verkauf der letzten drei staatlichen Banken (Dubrovacka, Postanska und Croatia) scheint schwieriger zu sein als gedacht.

Daher dürfte sich die Vereinbarung am Ende nur für die deutschen Telefonexperten bezahlt machen, die auf dem Aktienmarkt derzeit schlecht dastehen. Und noch aus einem anderen Grund werden die Bonner über ihre Mehrheitsbeteiligung in Kroatien froh sein. Schließlich wurden die Expansionsbestrebungen nach Osteuropa empfindlich gebremst, als der französische Mischkonzern Vivendi den Zuschlag für zwei Prozent der Anteile an der polnischen Elektrim Telekomunikacja (ET) erhielt. Damit schnappten die Franzosen den Deutschen die entscheidenen Anteile am größten polnischen Internet- und Festnetzbetreiber weg, der die Deutsche Telekom zum Mehrheitseigner bei ET gemacht hätte.