Umgehungsstraße auf dem Gelände des KZ Ravensbrück geplant

Erholen statt gedenken

Die brandenburgische Stadt Fürstenberg plant den Bau einer Umgehungsstraße auf dem Gelände des ehemaligen KZ Ravensbrück.

Das ganze KZ-Gelände ist für uns ein großer Friedhof«, sagt Irmgard Konrad, die 1943 von Auschwitz in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück deportiert wurde. Und auf Friedhöfen baut man keine Straßen.

Eigentlich. Doch Irmgard Konrad und andere Mitglieder der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V. befürchten, dass genau das schon bald geschehen könnte. Denn die brandenburgische Stadt Fürstenberg plant eine Umgehungsstraße, die über das ehemalige KZ-Gelände führen soll.

Die Befürworter der Straße bestreiten dies. Die geplante Trasse führe nicht über KZ-Gelände, behaupten sie. Schließlich seien die beiden Lagerbereiche, das KZ Ravensbrück und das Mädchen- und spätere Vernichtungslager Uckermark, durch einen »Korridor« voneinander getrennt gewesen. Und weil der vermeintliche Korridor mit dem KZ-Gelände nichts zu tun habe, könne dort getrost eine Straße gebaut werden, argumentiert der Fürstenberger Förderverein Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, zu dessen Mitgliedern auch die Bürgermeisterin Gudrun Appel zählt. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass dort die SS-Baracken gestanden haben sollen und auch in diesem Bereich Menschen ermordet wurden.

Das brandenburgische Landesamt für Denkmalspflege und die Stiftung brandenburgische Gedenkstätten teilen hingegen die Auffassung der Lagergemeinschaft. Für sie umfasst das ehemalige KZ-Gelände mehr als die jetzige Gedenkstätte. Horst Seferenz, der Sprecher der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, spricht vom dem »Gesamtzusammenhang der KZ-Topographie«, der neben dem KZ-Gelände Ravensbrück, dem Lager Uckermark und dem Siemens-Werk auch den so genannten Täterbereich, also die ehemaligen SS-Baracken, umfasse.

Die Stadt Fürstenberg könnte allen Beteiligten diese entwürdigende Diskussion ersparen, wenn sie die vom Landesamt für Denkmalpflege geforderte Denkmalsbereichssatzung, die auch das Siemens-Werk und das Lager Uckermark betrifft, endlich beschließen würde. Denn wie auf Friedhöfen dürfen auch auf dem Gelände eines Denkmals keine Straßen gebaut werden. Diese Satzung hat die Stadtverordnetenversammlung allerdings schon 1995 abgelehnt, sagt Dieter Hübner, Mitarbeiter der Abteilung Inventarisierung beim Landesamt für Denkmalpflege, obwohl »bis hin zum Staatssekretär versucht wurde, Einfluss zu nehmen«. Inzwischen wird einzig jene Variante für die Straße, die über das KZ-Gelände führen soll, von den Vertretern der Stadt, der Gedenkstättenstiftung und dem Straßenbauamtes als durchführbar bezeichnet.

Der von der Lagergemeinschaft akzeptierte Kompromiss, der eine enge Umfahrung des KZ-Geländes Uckermark vorsieht, wird hingegen definitiv abgelehnt. Genau auf diesem Areal ist Anfang des Jahres ein so genanntes Flora-Fauna-Habitat (FFH) zum Schutz seltener Tier- und Pflanzenarten ausgewiesen worden. Und dieses Habitat wird von den Befürwortern der Straße als Grund für die Ablehnung des Kompromisses angeführt.

Allerdings muss das Gebiet von der EU noch als FFH-Gebiet anerkannt werden, erklärt Thomas Heyne, der Leiter des zuständigen Straßenbauamtes. Zwar seien alle Voraussetzungen erfüllt, aber wenn »zwingende Gründe des öffentlichen Interesses« vorhanden sind, kann entsprechend den EU-Naturschutzrichtlinien auch durch ein derartiges Gelände eine Straße gebaut werden. Anders als die brandenburgischen Verantwortlichen könnten die zuständigen Planer in Brüssel den Erhalt einer ehemaligen KZ-Gedenkstätte als einen »zwingenden« Grund für eine Ausnahmegenehmigung ansehen.

Auch aus der Sicht von Öko-Gruppen ist die Straße über das KZ-Gelände nicht die beste Variante. Ganz im Gegenteil. Für Norbert Wilke, Mitarbeiter der Grünen Liga Oberhavel, hat diese Ortsumfahrung nur negative Aspekte. Er nennt die aufwendige Havelüberquerung, die hohe Lärmbelästigung benachbarter Gemeinden und die Zerstörung des ältesten Naturschutzgebietes im Landkreis.

Die Gruppe favorisiert eine innerstädtische Trassenführung als beste Lösung für die Stadt und die Umwelt. »Sie ist am billigsten, am schnellsten zu realisieren und am kürzesten.« Sie würde am Bahndamm entlang durch die Stadt führen. »Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Stadt lieber eine Autobahn bauen will, und das geht bei der innerstädtischen Variante nicht. Denn die ist nur zweispurig«, so Wilke. Da der Verkehrswegeplan eine weitere Autobahn ausschließt, soll die Bundesstraße vierspurig gebaut werden, vermutet er. »Bei dem dann zu erwartenden hohen Verkehrsaufkommen wird Fürstenberg allerdings keine Kurstadt werden.« Trotzdem ist die innerstädtische Trassenführung nicht mehr Gegenstand der straßenbaulichen Prüfungen.

Und das ist eigentlich merkwürdig, da von den Befürwortern der Straße über das KZ-Gelände immer wieder betont wird, dass von ihrem Bau die touristische Attraktivität Fürstenbergs abhänge. Die »Region ist nicht nur KZ, sondern auch Erholungsgebiet«, betont die SPD-Abgeordnete Angelika Krüger-Leißner. Und deshalb spricht auch Edda Tunn, die Sprecherin des Fürstenberger Fördervereins, davon, »dass jetzt auch mal an die Lebenden gedacht werden müsse«. Wer das verhindert, ist für sie klar: die Lagergemeinschaft, die sich nach den Worten Tunns nicht für die Bevölkerung interessiere.

Es ist schon fast eine Drohung, wenn immer wieder auf die »unnachgiebige Haltung« der Lagergemeinschaft hingewiesen wird. »Die Bevölkerung des heutigen Fürstenberg hat diese Leiden (der KZ-Opfer, K.E.) nicht verursacht und kann daher wenig Verständnis für ihre Unnachgiebigkeit aufbringen«, heißt es in einem offenen Brief des Fürstenberger Fördervereins. Besonders empört ist man darüber, dass die Lagergemeinschaft internationale Proteste angekündigt hat. Genau wie Anfang der neunziger Jahre, als nur durch Proteste der Bau eines Supermarktes vor den Toren der KZ-Gedenkstätte verhindert werden konnte. Aber seitdem hätten die Fürstenberger dazugelernt, versichert Krüger-Leißner. Allerdings hat sie auch Angst vor einem »Umschlag der Stimmung in der Bevölkerung«.

Die Lagergemeinschaft will sich nicht vom Protest abhalten lassen. Gerade auch weil die Mitglieder davon überzeugt sind, dass eine Umgehungsstraße notwendig ist. Aber sie dürfe nicht über das KZ-Gelände führen. Und sie wollen alles tun, um das zu verhindern. Den Supermarkt haben sie damals schließlich auch verhindert.