Frank Steffel

Der Feind steht links

Der Feind steht rechts VI: Frank Steffel hat Parolen auf Lager, von denen man gar nicht wusste, dass es sie noch gibt.

Am besten hört man ihm einfach nur zu. Empörung wäre vielleicht angebracht, doch eigentlich redet Frank Steffel sich schon ganz allein um Kopf und Kragen. Egal ob in Talkshows, auf Wahlkampfveranstaltungen oder im Berliner Abgeordnetenhaus: »Die PDS will gar nicht in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ankommen, sondern, dass wir in ihrer sozialistischen Gesellschaft ankommen. Sie will Deutschland zum Teil ihres marxistischen Experiments machen«, sagte Steffel dort vor gut drei Wochen.

Eberhard Diepgen war an diesem denkwürdigen 17. Juni als Regierender Bürgermeister gerade von Klaus Wowereit (SPD) abgelöst, der 35jährige Steffel zum Spitzenkandidaten der CDU für die Parlamentswahlen im Herbst nominiert worden. Und dann gab am 48. Jahrestag des Arbeiteraufstands in der DDR auch noch Gregor Gysi seine Kandidatur für den Spitzenposten in der Hauptstadt bekannt. Ausgerechnet der Vorzeigereformer der Ostsozialdemokraten also, von dessen Antikommunismus die PDS-Genossen der Kommunistischen Plattform und des Marxistischen Forums ein Lied singen können. Doch Frank Steffel sieht das anders. Ganz anders: »Ich will keinen Neuanfang, meine Damen und Herren von der rot-grünen Regierung, in dem Berlin nach Peking und Havanna die dritte Millionenstadt unter kommunistischem Einfluss wird.«

Dass der Einfluss längst verstorbener Kommunisten auf Steffels Gedankenwelt größer ist als der von biederen PDS-Kadern auf die Berliner Politik, zeigte sich auch in der vergangenen Woche. Zum Wahlkampfauftakt hatte die Union auf den Ostberliner Alexanderplatz geladen, wo der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber gemeinsam mit dem CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz und der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel Stimmung für Steffel machen sollte.

Doch für Stimmung sorgten nicht die Größen der Union, sondern - die so genannten Kommunisten. Wie bei derartigen Gelegenheiten üblich, trugen sie Paradeuniform: bunte Haare, zerrissene Jeans und Nietenjacken. Statt roter Nelken flogen Eier, später auch noch Bierflaschen und Batterien. Ganz klein beim Angriff des Klassenfeindes: der Fraktionsvorsitzende der Berliner CDU, der sich zunächst hinter den breiten Schultern des bayerischen Ministerpräsidenten verbarg, ehe er in die Arme seines Bodyguards sank. »Die Täter haben billigend in Kauf genommen, dass jemand verletzt, schlimmstenfalls sogar getötet wird«, wetterte Steffel nach dem missglückten Attentat. »Meine Frau hatte Angst um mein Leben.«

Und die hässliche Fratze des Antikommunismus hatte schon mal ein mutigeres Gesicht als das des Raumausstattungsunternehmers Frank Steffel. Geboren fünf Jahre nach dem Mauerbau, machte er sein Abitur zu einer Zeit, als Michail Gorbatschow gerade anfing, die Sowjetunion auf die Müllhalde der Geschichte zu befördern. Abgehalfterte Unionschargen wie Franz-Josef Strauß oder Walther Leisler Kiep reisten nach Pankow, um mit der DDR-Führung über Milliardenkredite zur Rettung des bankrotten Staatssozialismus zu verhandeln. Kurz, in der bipolaren Weltordnung hatten sich Rechte wie Linke prima eingerichtet, es herrschten schlechte Zeiten für Klassenkämpfer.

Seinen ideologischen Überbau hat Steffel daher auch nur dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass er sich in den siebziger und achtziger Jahren auf Spielplätzen und Schulhöfen im Berliner Bezirk Reinickendorf herumtreiben konnte. Die Frontstadtmentalität und das geschlossene Westberliner CDU-Milieu dürften Steffels politische Regression in die Zeit des Kalten Krieges und seine Sehnsucht nach einer wirklichen ideologischen Auseinandersetzung entscheidend begünstigt haben. Dem Eintritt in die Schülerunion der Hauptstadt, deren Vorsitz er mit 17 Jahren übernahm, folgte 1991 der Sprung ins Berliner Abgeordnetenhaus - als 25jähriger. Auf ausdrücklichen Wunsch des CDU-Landesvorsitzenden Diepgen rückte er im Februar 2000 in den Parteivorstand auf, wenig später wählten ihn die CDU-Parlamentarier zu einem der Stellvertreter ihres Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky.

Landowsky dürfte auch der entscheidende Faktor bei der Herausbildung jener plumpen antikommunistischen Rhetorik gewesen sein, wie sie jüngere Leute als Steffel höchstens noch in den Übertragungen historischer Bundestagsdebatten zu hören bekommen. Als rechte Hand Diepgens setzte Landowsky nach der Regierungsübernahme der Berliner CDU 1981 auf ein System von Seilschaften zwischen Partei und Wirtschaft, das erst aufflog, als er vor drei Monaten einräumen musste, 40 000 Mark von einem Manager der Bank Berlin Hyp entgegengenommen zu haben. Eine Hand wäscht die andere, lautete über 20 Jahre die Devise des Berliner CDU-Generalsekretärs, der politische Gegner schonmal als »Ratten« und »linkes Lumpenproletariat« beschimpfte.

Keine schlechte Schule für Steffel, dem Landowsky zu seinem Amtsantritt als Fraktionsvorsitzender attestierte: »Er ist einer von den Guten.« Steffel bedankte sich auf seine Art: »Ich habe den Eindruck, dass sich manche an Klaus Landowsky für 20 Jahre Auseinandersetzung rächen und einen Vernichtungsfeldzug gegen führende Repräsentanten der Berliner CDU führen. Weder ist Klaus Landowsky ein Krimineller, noch habe ich den geringsten Anlass, an seiner persönlichen Integrität zu zweifeln.«

An der des schwulen SPD-Bürgermeisters Klaus Wowereit hingegen schon. Noch vor dessen öffentlichem Coming-out hatte Steffel ihm bescheinigt, »aufgrund seiner charakterlichen Struktur fast nicht dazu in der Lage« zu sein, »mit Menschen vertrauensvoll und partnerschaftlich zusammenzuarbeiten«. Darunter wird Steffel nach dem Bruch der Großen Koalition ohnehin nicht mehr leiden müssen.

Die Verantwortung dafür aber, dass der 35jährige nun einen Sommer lang mit verblichenen Klassenkampfparolen durch Berlin ziehen kann, trägt nicht allein die Berliner CDU. Denn unversehens geriet die Berliner Spitzenkandidatur Mitte vorigen Monats zur bundespolitischen Chefsache. Der Versuch Angela Merkels jedoch, Wolfgang Schäuble zu installieren, scheiterte am Ende an der Intervention eines echten Kalten Kriegers: Helmut Kohl persönlich schmiss sich für Steffel in die Bresche und kündigte an, »hier in die Schlacht zu ziehen, Rot-Rot zu sehen und das Wort Kurt Schumachers im Kopf zu haben: Kommunisten sind rot angestrichene Faschisten«.

Zum 40. Jahrestag des Mauerbaus am 13. August werden Kohl und Steffel übrigens gemeinsam auftreten. Am besten hört man ihnen einfach nur zu. Oder man kümmert sich rechtzeitig um alkoholische Getränke.