Wirtschaftskrise und Proteste

Unruhe vor dem Sturm

Als Zimbabwes Regierung den Benzinpreis erhöhte, kam es in Harare zu Protesten. Der Gewerkschaftsverband ZCTU bereitet einen Generalstreik vor.

Der Weg vom Township Mabvuku in die zwanzig Kilometer westlich gelegene City der Hauptstadt Harare ist für viele Bewohner des verarmten Vorortes der tägliche Weg zur Arbeit als Straßenhändler, Wachmann oder Fabrikarbeiter. Anfang vergangener Woche ging auf der Minibus-Route jedoch zeitweilig nichts mehr. In Reaktion auf die drastische Anhebung des Benzinpreises um 75 Prozent, den die Pendler durch eine Erhöhung der Fahrtkosten zu spüren bekamen, errichteten Demonstranten Barrikaden und attackierten Busse mit Steinen.

Eine Eskalation der Proteste konnte dank der Vermittlung kommunaler Verantwortlicher vorerst verhindert werden. Der Gewerkschaftsdachverband ZCTU kündigte jedoch für den Fall, dass die Regierung die Erhöhung der Kraftstoffpreise nicht zurücknehmen werde, einen zweitägigen landesweiten Streik für Anfang Juli an. »Die Regierung hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, unsere Anfragen und Forderungen zu beantworten oder zur Kenntnis zu nehmen«, erklärte ZCTU-Generalsekratär Collin Gwiyo. Sollte es bei der uneinsichtigen Haltung bleiben, werde »die Massenaktion durchgeführt, um die Regierung zur Rücknahme der Erhöhung zu zwingen«.

Inländische Medien halten nun eine Wiederholung der Food Riots von 1998 für wahrscheinlich. Damals lieferten sich Demonstranten nach einem Anstieg der Preise für Kraftstoffe und Mais schwere Straßenschlachten mit dem Militär und der Polizei, in deren Verlauf mindestens neun Menschen getötet und Tausende festgenommen wurden.

Die Erhöhung der Benzinpreise wirkt sich über die steigenden Transportkosten auch auf die Preise für Grundnahrungsmittel aus, die bereits um durchschnittlich 40 Prozent gestiegen sind. Und die Lage dürfte sich weiter verschlechtern. Die Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen erwartet, dass die Ernte des Hauptnahrungsmittels Mais deutlich niedriger ausfallen wird als im Vorjahr. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht prognostiziert einen Importbedarf von 579 000 Tonnen Getreide.

Woher die erforderlichen Devisen kommen sollen, ist angesichts leerer Staatskassen, stetiger Inflation und der Suspendierung internationaler Kredite unklar. Besonders betroffen von den Preissteigerungen, so heißt es in der Analyse, werden arme Stadtbewohner und viele Haushalte in den weniger fruchtbaren südlichen und östlichen Teilen Zimbabwes sein.

Während sich die wirtschaftliche Talfahrt fortsetzt und die sozialen Spannungen weiter zunehmen, bemüht sich die Zanu (PF)-Regierung unter Präsident Robert Mugabe um die Überwindung der internationalen Isolierung Zimbabwes. Seit mittlerweile zwei Jahren liegen dringend benötigte Kredite der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf Eis. Die Finanzblockade wurde mit dem kostspieligen Militäreinsatz Zimbabwes in Kongo-Kinshasa und der Konfiskation von Großfarmen begründet.

Inzwischen hat die Regierung ihren Widerstand gegen eine Vermittlung von Ministern des Commonwealth in der umstrittenen Landfrage aufgegeben. Seit anderthalb Jahren halten städtische Jugendliche und landlose Bauern unter der Führung ehemaliger Veteranen des Bürgerkrieges Hunderte Farmen von Großbauern besetzt. Ein Drittel des gesamten Großgrundbesitzes - fruchtbare Ländereien im Besitz internationaler Konzerne und der weißen Minderheit - will die Regierung enteignen. Finanzielle Entschädigung wird außer für infrastrukturelle Investitionen nicht gewährt. Ein spezielles Gesetz sieht vor, dass die Betroffenen andere Ansprüche gegenüber der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien geltend machen sollen.

Infolge dieser Kampagne, die die Zanu (PF) geschickt mit der Bekämpfung politischer Gegner verknüpfte, verschlechterten sich die Beziehungen zur Londoner Regierung rapide. Nun soll die Vermittlung der Minister von vier afrikanischen Staaten und drei Mitgliedern des Commonwealth, unter ihnen Großbritannien, Abhilfe schaffen.

Der Erfolg der Gespräche wird entscheidend davon abhängen, welchen Einfluss konservative britisch-amerikanische Lobbygruppen nehmen können. Die Vereinigungen wie der Zimbabwe Democracy Trust (ZDT) haben wenig Interesse an einer radikalen Umverteilung des Bodens oder an einer größeren staatlichen Kontrolle der im Land agierenden ausländischen Firmen. Wie der britische Observer bereits im letzten Jahr berichtete, gehören zum ZDT unter anderem der ehemalige Tory-Außenminister Malcolm Rifkind und der ehemalige stellvertretende US-Außenminister Chester Crocker. Sie und andere Mitglieder der Organisation investierten vor allem in den Bergbau Zimbabwes. Crocker ist zum Beispiel Direktor von Ashanti Gold Fields, die die größte Goldmine des Landes betreibt.

Dass die Zanu-Regierung von ihrem innenpolitischen Konfrontationskurs abweicht, scheint vor allem an der neuen diplomatischen Linie Südafrikas zu liegen. Erstmals traf sich der Präsident des südlichen Nachbarn, Thabo Mbeki, in der vergangenen Woche mit hochrangigen Vertretern der oppositionellen Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC). Auch zwischen den verfeindeten Parteien MDC und Zanu (PF) ist Entspannung angesagt. Auf einer vom Schweizer World Economic Forum organisierten Wirtschaftskonferenz im südafrikanischen Durban traten Anfang Juni Zimbabwes Finanzminister Simba Makoni und der Vorsitzende der MDC, Morgan Tsvangirai, gemeinsam auf. Noch vor wenigen Monaten wäre das undenkbar gewesen, galt der populäre Gewerkschafter den Scharfmachern in der Zanu (PF) doch bisher als Vaterlandsverräter.

Außer der Isolation des Landes haben eine Reihe von Todesfällen unter einflussreichen Politikern die ehemalige Befreiungsbewegung geschwächt, die das Land seit der Unabhängigkeit im Jahr 1980 regiert. Border Gezi, der Minister für Beschäftigung und Jugend, starb Ende April nach einem Autounfall. Nach den nur knapp gewonnenen Parlamentswahlen im Juni 2000 sollte er das Personal der Zanu (PF) erneuern. Er löste zahlreiche Provinzstrukturen auf und setzte loyale Gefolgsleute der Parteispitze ein. Ende Mai verunglückte, ebenfalls bei einem Autounfall, der Verteidigungsminister Moven Mahachi tödlich. Beide Politiker waren in führenden Positionen an der Rekrutierung von staatstreuen Kriegsveteranen für den politischen und militärischen Apparat der Zanu (PF) beteiligt.

Den bedeutendsten Verlust erlitt der Machtzirkel um Mugabe, der auf eine aggressive Strategie zur Machtsicherung vor den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr setzt, allerdings mit dem Ableben von Chenjerai Hunzvi, dem Vorsitzenden der Vereinigung der Veteranen des Nationalen Befreiungskriegs Zimbabwes (ZNLWVA). Die Gefolgschaft Hunzvis terrorisierte mit staatlicher Protektion vor allem vor den Wahlen die ländliche Bevölkerung. Noch vor kurzer Zeit taten sich die Veteranen als militante »Vermittler« in Arbeitsangelegenheiten hervor (Jungle World, 21/01). Hunzvi starb nach offiziellen Angaben an Malaria.

Britische Medien spekulieren nun darüber, ob diese Kette von Todesfällen mehr als ein Zufall sein könnte. Dem Londoner Guardian zufolge geht man in Zimbabwe davon aus, dass der Tod der beiden Minister »das Ergebnis von Abrechnungen innerhalb der Zanu« sei. Nkosana Moyo, der ehemalige Minister für Industrie und internationalen Handel, hatte nach seinem Rücktritt Anfang Mai enge Familienmitglieder außer Landes gebracht - angeblich aus Angst vor Vergeltung für diesen Schritt.

Ihre innenpolitische Schwächung, das Ende der südafrikanischen stillen Diplomatie und die fortgesetzte Talfahrt der Wirtschaft lassen den Handlungsspielraum der Zanu (PF) auf ein Minimum schrumpfen. Soziale Unruhen wären nur durch eine schnelle Auszahlung von Finanzhilfen zu vermeiden. Selbst wenn es zu einer Einigung mit Großbritannien und den Finanzorganisationen kommen sollte, könnte es bereits zu spät sein.