Kommunistische Partei an der Macht

Patriotismus heißt Kompetenz

In Moldawien regiert wieder die Kommunistische Partei. Mit einem erfolgreichen Geschäftsmann an der Spitze.

Es gibt doch noch Bilderbuchkarrieren: Nicht als Tellerwäscher, aber als Traktorfahrer begann Wasili Tarlew seine Laufbahn. Später wurde er Direktor einer Süßwarenfabrik und promovierte. Seit der Bestätigung durch das Parlament am 19. April ist er Premierminister Moldawiens und führt die erste Regierung einer Kommunistischen Partei in einem Nachfolgestaat der Sowjetunion.

Diese Regierung ist das Ergebnis vorgezogener Parlamentswahlen vom 25. Februar, die selbst die Kommunistische Partei Moldawiens (KPM) überraschten. Eine der Nachfolgeparteien der KPdSU, die erst 1994 wieder legalisiert worden war, erhielt knapp über 50 Prozent der Stimmen und hatte offensichtlich Probleme, die Mandate mit geeigneten Personen aus den eigenen Reihen zu besetzen. Die Kriterien waren Kompetenz und Patriotismus, wobei nach internen Aussagen der Patriotismus als Zeichen der Kompetenz verstanden wurde.

Die Sechs-Prozent-Hürde überschritten nur zwei weitere Parteien. Die Allianz Braghis, ein Bündnis der linken Mitte, das vom bisherigen Premierminister Dumitru Braghis geführt wird, erreichte 13,5 Prozent der Stimmen, die rechte Christlich-Demokratische Volkspartei (PCDP) kam auf etwa acht Prozent. Daraus ergab sich eine Mandatsverteilung, die der KPM mit 71 von 101 Mandaten eine komfortable Zweidrittelmehrheit beschert. Selbst Verfassungsänderungen sind ohne Koalitionspartner möglich.

»Die neue Regierung wird den Staat zu einem mit allen Rechten ausgestatteten Teilnehmer am Markt und an den Marktbeziehungen machen«, verkündete Tarlew in seiner Regierungserklärung. Die KPM will den Außenhandel strikt kontrollieren, die Privatwirtschaft soll in staatliche Entwicklungspläne einbezogen werden. Fraglich bleibt allerdings, was von diesen Ankündigungen nach den anstehenden Umschuldungsverhandlungen mit dem IWF übrig bleiben wird.

Die bisherige Politik, so heißt es im Regierungsprogramm, habe Moldawien zu einem der ärmsten Länder Europas gemacht. Und das war wohl auch der Grund für den Wahlerfolg der KPM, den Victor Ciobanu, der Vizepräsident des Wirtschaftsausschusses im Parlament, als »Protest gegen die sozialen Verhältnisse in unserem Land« bezeichnete. Heute liegt der Durchschnittslohn bei umgerechnet etwa 30 Euro, und oftmals müssen die Beschäftigten zwei bis sechs Monate auf die Auszahlung warten. Die Arbeitslosenrate beträgt über 33 Prozent, 85 Prozent der Bevölkerung leben an oder unter der Armutsgrenze und sind auf Subsistenzwirtschaft angewiesen.

In den Städten sind die Menschen von Fernwärme abhängig, die nicht einmal sporadisch gliefert wird. Im Winter kann die Temperatur in öffentlichen Gebäuden unter minus 30 Grad fallen. Und seit der Privatisierung der Elektrizitätsnetze gehen selbst in den Ministerien immer wieder die Lichter aus. Auf dem Land gibt es vielerorts gar keine öffentliche Energieversorgung.

Etwas besser ist die ökonomische Lage in der kleinen Dnjestr-Republik, wo sich 39 Prozent aller Industrieanlagen des Landes befinden, unter ihnen die wenigen, die sich ohne ausländisches Kapital behaupten können. Besonders für Granaten und Mörsergeschosse ehemals sowjetischer Produktion bestand auf dem Balkan in den letzten Jahren rege Nachfrage.

Die autonome Dnjestr-Republik wurde nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von Separatisten im ehemals zur Ukraine gehörenden Teil Moldawiens ausgerufen. Die russische Armee hatte die Aufständischen unterstützt, sie ist derzeit als »Friedenstruppe« in dem Gebiet präsent. Ein Abzug der russischen Truppen bis Ende 2002 ist zwar vertraglich vereinbart, doch es gilt als wahrscheinlich, dass Moskau diesen Zeitplan nicht einhalten wird. Präsident Wladimir Putin hat sich für eine offensivere Interessenspolitik auf dem ehemals sowjetischen Gebiet entschieden und strebt auch nach direktem Einfluss auf Moldawien. Dabei kann er die Abhängigkeit Moldawiens von der russischen Energiewirtschaft zur Erpressung nutzen. Die Schulden bei Gazprom betragen etwa 900 Millionen Dollar.

Neben dem Wahlversprechen, die laufenden Privatisierungen wieder rückgängig zu machen, sorgte vor allem die Ankündigung der KPM, eine Union mit Russland und Weißrussland zu bilden, im Westen für Aufsehen. Zwar gab es schon vor der Wahl Gespräche moldawischer Politiker mit Putin in Moskau, eine Union ist aber in absehbarer Zeit kaum zu erwarten. Die russische Präsenz ist gesichert, und ein Zusammenschluss mit dem verarmten Moldawien wäre nur eine Belastung. Für die US-Politik, die den russischen Einfluss zurückdrängen will, ist der Wahlsieg der KPM dennoch ein Rückschlag. Auch das benachbarte Rumänien gibt sich besorgt. Ministerpräsident Adrian Nastase betonte, es sei nun von höchster Bedeutung, dass Rumänien 2002 Mitglied der Nato wird; das Land wolle keine »Pufferzone« in der Region sein.

Für Deutschland, das die russische Außenpolitik als weniger bedrohlich betrachtet, wird entscheidend sein, wie die Wirtschaftspolitik der neuen Regierung tatsächlich aussehen wird. Die staatliche Entwicklungshilfeorganisation GTZ erstellt seit Anfang der neunziger Jahre einen Richtlinienkatalog als Grundlage für Investoren. Sie dürfte, gemeinsam mit IWF und Weltbank, auf weitere Privatisierungen drängen.

Die hat auch Premier Tarlew nicht ausgeschlossen, der vor dem Parlament erklärte, einige Staatsunternehmen könnten »in eine andere Form des Managements« überführt werden. Zuvor hatte bereits Präsident Wladimir Worodin beteuert, dass es keine Rückkehr zu den alten Zeiten geben werde. Das neu formulierte Hauptanliegen der KPM, die »Schattenwirtschaft« zu bekämpfen, die etwa 70 Prozent der Gesamtwirtschaft ausmacht, kann als Versuch verstanden werden, bessere Investitions-bedingungen zu schaffen. Auch die Ankündigung, das Haushaltsdefizit zu reduzieren und die Exporte zu fördern, entspricht den Richtlinien westlicher Finanzinstitutionen.

Die Hoffnung, durch die Wahl der KPM planwirtschaftliche Lebensverhältnisse zu reaktivieren, dürfte sich jedenfalls als illusorisch erweisen. Immerhin wurde Tarlew von der Stadt Chisinau bereits fünfmal mit dem Titel »Geschäftsmann des Jahres« ausgezeichnet.