Druck auf Ruanda

Kagame unter Zugzwang

Im Kongo-Konflikt geben sich Staatschef Joseph Kabila und seine Verbündeten friedensbereit. Der Druck auf ihren Kriegsgegner Ruanda wächst.

Ruanda wird sich nicht aus der Demokratischen Republik Kongo (DRC) zurückziehen, so lange seine Sicherheit gefährdet ist«, erklärte Ruandas Präsident Paul Kagame vergangene Woche. Damit zeigte er die Schwachstelle des Friedensabkommens von 1999 auf, in dem der Abzug aller »ausländischen Armeen aus der DRC« vereinbart wurde. Ruandas Truppen sichern gemeinsam mit der verbündeten Rebellenarmee Kongolesische Sammlungsbewegung für Demokratie (RCD) die Grenze zwischen Kongos östlicher Kivu-Region und Ruanda. Wer diese Aufgabe nach einem Abzug der Ruander übernehmen soll, ist im Abkommen von Lusaka nicht geregelt.

»Im Gegensatz zu den Anschuldigungen haben wir 15 000 Männer in den Kongo geschickt, um den Frieden zu sichern, und nicht, um Kongos Gold zu plündern«, sagt Kagame. Weiter warf er der »internationalen Gemeinschaft« während einer Gedenkveranstaltung zum siebten Jahrestag des Genozids in Ruanda vor, aus den Massakern von 1994 keine Lehren gezogen zu haben. Seine Regierung hingegen habe aus der Geschichte gelernt, dass sie sich nicht auf Garantien der westlichen Welt verlassen könne, sondern selbst für ihren Schutz sorgen müsse.

Tatsächlich sind im Kivu noch immer regierungsfeindliche ruandische Milizen, die so genannten Interahamwe, aktiv. Die Verantwortlichen für den Genozid in Ruanda haben sich sowohl mit burundischen Hutu-Rebellen, die gegen die dortige Militärregierung kämpfen, als auch mit lokalen Mayi-Mayi-Milizen aus dem Kivu verbündet. Sie erhielten zumindest bis vor kurzem per Flugzeug militärischen Nachschub aus Kinshasa. Wenige Wochen nach der Ermordung des kongolesischen Präsidenten Laurent Kabila am 16. Januar intensivierten sie die Kämpfe in Burundi, möglicherweise um von dort aus später Ruanda angreifen zu können.

Im Friedensabkommen von Lusaka wurde zwar festgelegt, dass »negative Kräfte« - gemeint sind die Interahamwe - »neutralisiert« werden sollen, unklar bleibt aber, von wem. Das ohnehin kleine Uno-Kontingent von 3 000 Soldaten und Militärbeobachtern, das bei der Umsetzung des Abkommens helfen soll, wird entlang der Frontlinie im zentralen Kongo stationiert werden. Dort kämpften bis vor kurzem ruandische Truppen und die RCD mit zimbabwischen, angolanischen und kongolesischen Regierungstruppen.

Die Probleme im Kivu sollen von der durch das Lusaka-Abkommen geschaffenen Gemeinsamen Militärkommission (JMC) gelöst werden. In der JMC sitzen Vertreter der sieben kriegsführenden Staaten und der beiden großen Rebellenarmeen, der RCD und der von Uganda unterstützten Miliz Kongolesische Befreiungsfront (CLF). Diese Vielzahl von Akteuren mit zum Teil gegensätzlichen Interessen wird es schwer machen, zu einer für Ruanda akzeptablen Lösung zu kommen.

Mit seinem Beharren auf dem Verbleib ruandischer Truppen im Kivu stellt Kagame das Friedensabkommen in Frage, das er 1999 selbst unterschrieben hat. Damals konnte Ruanda sich friedenswillig zeigen, ohne tatsächlich Konzessionen zu machen, da Laurent Kabila auf einen militärischen Sieg setzte. Doch sein Sohn und Nachfolger Joseph gibt sich friedensbereit, und auch das verbündete Zimbabwe hat inzwischen begonnen, seine Soldaten von der Frontlinie abzuziehen. »Letztlich müssen sich alle Truppen aus dem Kongo zurückziehen«, erklärte der zimbabwische Militärsprecher Oberst Mbonisi Gatsheni vorletzte Woche. Er versicherte, »in der unmittelbaren Zukunft« würden 5 000 Soldaten den Kongo verlassen. Noch vor kurzem bestand die zimbabwische Führung darauf, dass erst die »Aggressoren« aus Ruanda und Uganda den Rückzug antreten müssten, bevor die Alliierten der DRC-Regierung, Zimbabwe und Angola, ihren Verpflichtungen nachkämen. Doch offenbar möchte die zimbabwische Führung das Wohlwollen, das Joseph Kabila derzeit in den westlichen Hauptstädten entgegengebracht wird, nutzen. Sie zeigt sich ebenfalls friedensbereit, auch wenn nach Angaben von Zimbabwes Außenminister Moven Mahachi von einem vollständigen Truppenabzug keine Rede sein könne.

Damit steht Ruanda unter Zugzwang. Nachdem im Februar eine US-amerikanische Umweltschutzorganisation über die Ausbeutung des Metalls Colombo-Tantalit, kurz Coltan, und die damit verbundenen desaströsen Auswirkungen auf einen Naturpark im Kivu berichtet hatte, wurde Ruanda in westlichen Medien vorgeworfen, nur wegen der Profite am Krieg im Kongo beteiligt zu sein. Der Kivu gilt als der »nützliche Kongo«, da dort neben Coltan, einem wichtigen Rohstoff für die Telekommunikations- und Computerindustrie, auch Gold und andere Reichtümer zu finden sind.

Ein UN-Bericht über die Ausbeutung von Bodenschätzen in der DRC, dessen Veröffentlichung mehrfach verschoben wurde, stellt vermutlich auch Ruanda an den Pranger. »Der Bericht wird umgeschrieben, um Ruanda zu verwickeln«, vermutete Kagame und verwies auf die seit mehr als hundert Jahren andauernde Ausbeutung des Kongos durch die westlichen Staaten. Tatsächlich wird in den meisten Berichten über die Coltan-Ausbeutung vergessen zu erwähnen, wer die größten Gewinne in diesem Geschäft macht. Nach Angaben der Washington Post wird das Coltan zweimal wöchentlich von der belgischen Fluggesellschaft Sabena nach London geflogen, wo etwa die Hälfte von H.C. Starck, einem Subunternehmen der Bayer AG, aufgekauft wird. Verarbeitet wird das Tantalpulver dann unter anderem von der Siemens-Tochterfirma Epcos.

Die neue Unbeliebtheit des US-Verbündeten Kagame dürfte auch mit der regen Reisetätigkeit Joseph Kabilas zusammenhängen. Nachdem er bereits die USA, Frankreich und Belgien besucht hatte, wurde ihm in der vorletzten Woche auch in Deutschland ein freundlicher Empfang bereitet. Neben Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joseph Fischer traf er auch einige Manager. Unter anderem verhandelte er mit Siemens über die Modernisierung des Inga-Staudammes nahe Kinshasa.

Ludger Volmer, grüner Staatssekretär im Auswärtigen Amt, kündigte inzwischen an, dass sich die künftige deutsche Afrikapolitik auf die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) konzentrieren werde, deren Mitglied die DRC ist, wobei man wirtschaftliche Interessen »nicht negieren« müsse.

Derzeit gilt die ehemalige Kolonialmacht Belgien als wichtigste Unterstützerin Kabilas in der EU. Als erster westlicher Politiker lobte der belgische Außenminister Louis Michel die Entscheidung Kabilas, vor dem Abflug nach Deutschland seine gesamte Regierung zu entlassen. Dass die Entlassung nicht zu einem Putschversuch geführt hat, zeigt die Zuverlässigkeit seiner Verbündeten Angola und Zimbabwe, deren Truppen Kinshasa kontrollieren.

Kabila hatte das Kabinett zunächst unverändert von seinem Vater übernommen. In der neuen Regierung, deren Zusammensetzung am 14.April bekannt gegeben wurde, fehlen jedoch dessen engste Alliierte. Wie angekündigt, nahm Kabila keine Vertreter der zivilen Opposition in sein Kabinett auf. Das neu geschaffene Ministerium für nationale Sicherheit übertrug er Mwenze Kongolo, der als Verbündeter Zimbabwes gilt. Zum Finanzminister wurde Matungulu Kuyamu, der ehemalige IWF-Direktor in Kamerun, ernannt.