Dusan Mihajlovic, serbischer Innenminister

»Wir handeln nicht auf Anweisung«

Als am vorletzten Wochenende der ehemalige jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic in Belgrad verhaftet wurde, war er für den Polizeieinsatz verantwortlich und führte die Verhandlungen: Serbiens Vize-Premier und Innenminister Dusan Mihajlovic. Der frühere politische Weggefährte Milosevics hofft nun darauf, dass sich auch andere ehemalige Mitarbeiter von ihrem einstigen Dienstherrn abwenden und bereit sind, über mögliche Vergehen Milosevics auszusagen. Vergangene Woche befand sich Mihajlovic zu einem Arbeitsbesuch in Wien. Dort erklärte er, dass nach jugoslawischem Recht die Möglichkeit bestehe, Milosevic wegen seiner Verbrechen zum Tode zu verurteilen. Martin Schwarz sprach mit dem stellvertretenden Premierminister über die Vorwürfe gegen Milosevic, den Polizei-Einsatz und den psychischen Zustand des ehemaligen Staatschefs.

Sie haben mit Ihrer Äußerung über die mögliche Todesstrafe für Slobodan Milosevic internationales Aufsehen erregt. Derzeit konzentrieren sich aber die Ermittlungen der jugoslawischen Behörden auf Wirtschaftsdelikte. Dafür ist wohl nicht die Todesstrafe vorgesehen. Welche Verbrechen möchten Sie Slobodan Milosevic noch vorwerfen?

Es ist richtig, dass derzeit gegen Slobodan Milosevic wegen Korruption und Amtsmissbrauchs ermittelt wird. Nach jugoslawischem Recht ist dafür eine Gefängnisstrafe zwischen fünf und 15 Jahren vorgesehen. Aber wir weiten unsere Ermittlungen ständig aus. Wir haben in seinem Haus ein Waffenlager und Pläne für einen Umsturz gefunden. Dafür könnte er wegen Hochverrats angeklagt werden und auf dieses Delikt steht in Serbien die Todesstrafe. Aber ich will hier keine Vorverurteilung beginnen.

Wie detailliert sind denn diese Pläne für einen möglichen Umsturz? Haben Sie konkrete Belege für die Behauptung?

Ich kann Ihnen dazu im Interesse der Ermittlungen nichts Konkretes sagen. Aber alles, was wir gefunden haben, deutet darauf hin, dass Slobodan Milosevic und seine Frau den Traum hatten, unsere neue Regierung zu stürzen und ihn, Slobodan Milosevic, wieder an die Macht zu bringen. Auch Mitglieder der Jul-Partei von Milosevics Frau Mira Markovic haben ausgesagt, dass sie 50 000 Gewehre aus dem Kosovo zum Schutz von Slobodan Milosevic aufbieten könnten.

Warum wurde Milosevic ausgerechnet einen Tag vorm Ablauf des US-amerikanischen Ultimatums verhaftet? Der Termin war abzusehen. Viele Beobachter haben sich gefragt, wieso man ihn nicht einfach festgenommen hat, als sich keiner seiner Anhänger in der Nähe des Hauses aufgehalten hat? Die Situation wäre sicherlich ruhiger gewesen und man hätte seine Festnahme sicherlich weniger spektakulär durchführen müssen, als das vorvergangene Woche der Fall war.

Wir haben ihn nicht wegen irgendeines Ultimatums verhaftet.

Die offiziellen Stellen in Belgrad haben immer wieder betont, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Festnahme von Slobodan Milosevic und dem Ultimatum gegeben habe. Dennoch war Milosevic offensichtlich auf die Polizeiaktion gut vorbereitet. Erst nach heftiger Gegenwehr und langwierigen Verhandlungen erfolgte schließlich die Verhaftung.

Auch wenn Sie es nicht glauben: Die Verhaftung wurde einfach notwendig, weil ein ehemaliger Mitarbeiter von Slobodan Milosevic erst wenige Tage zuvor Beweise für einige schwere Wirtschaftsdelikte bei uns vorgelegt hat. Da mussten wir handeln.

Dennoch bleibt der Eindruck bestehen, dass der Druck aus Den Haag und das Ultimatum des US-Kongresses eine wesentliche Rolle bei der Verhaftung gespielt haben ...

... noch einmal: unser Ministerium handelt nicht nach den Anweisungen von Den Haag. Wir sind eine souveräne staatliche Behörde und ermitteln überall dort, wo ein begründeter Verdacht besteht. Wir haben auch Slobodan Milosevic gesagt, dass seine Verhaftung nicht auf Anweisung aus Den Haag erfolgt und seine Auslieferung derzeit nicht geplant ist.

Sie arbeiten gerade an einem Gesetz, das die Auslieferung jugoslawischer Staatsbürger an ausländische Justizbehörden erlaubt. Warum wird ein Gesetz entworfen, wenn es angeblich gar nicht angewandt werden soll und niemand Milosevic ausgeliefert sehen möchte?

Das ist kein Gesetz, das für Milosevic geschaffen wird. Es gibt viele andere Bürger, die auf der Liste von Den Haag stehen und die ausgeliefert werden könnten. Uns geht es doch nur darum, gesetzliche Mechanismen zu schaffen, wie sie zum Beispiel auch von Kroatien eingeführt wurden. Aber diese Mechanismen sind nicht für Slobodan Milosevic erdacht.

Ende Februar haben Sie einen engen Mitarbeiter und guten Freund Milosevics verhaftet: Den ehemaligen Geheimdienstchef Radovan Markovic. Hat Ihnen die Verhaftung bei der Vorbereitung der Anklage gegen Milosevic geholfen?

Radovan Markovic hatte seit dem 5. Oktober genug Zeit, um alle Spuren zu verwischen. Wie Sie sicherlich wissen, wurde Markovic verhaftet, weil er ein Attentat auf den ehemaligen Oppositionsführer Vuk Draskovic geplant haben soll. Herrn Markovic müssen wir nun fragen, ob er ganz alleine dafür verantwortlich sein will, ein Attentat auf einen Politiker geplant zu haben. Oder aber, ob er sich erleichtern will, indem er mit den zuständigen Behörden darüber spricht, wer ihn angewiesen hat, das zu tun, bzw. in welchem Auftrag er gehandelt hat. Diese Entscheidung wird weitreichende Konsequenzen für Rade Markovic haben. Aber es gibt genügend andere ehemalige Mitarbeiter von Herrn Milosevic, die in den letzten Wochen gut mit uns zusammengearbeitet haben.

Während der Verhaftung am vorletzten Wochenende sind zahlreiche Kommentatoren und Beobachter davon ausgegangen, dass Slobodan Milosevic eher Selbstmord verübt, als dass er sich verhaften lässt und gegebenfalls an das UN-Tribunal ausgeliefert wird. Er selbst hat das ja mehrfach angekündigt.

Sie haben Recht: Vieles hat darauf hingedeutet, dass Milosevic sich selbst umbringt. Er hat das ja auch ständig wiederholt. Aber ein solcher Selbstmord hätte nicht nur eine enorme Belastung für mein eigenes Gewissen bedeutet. Ein toter Milosevic hätte auch zu einer gefährlichen Unruhe in Serbien geführt. Ich bin froh, dass es anders gekommen ist.

In welchem gesundheitlichen Zustand befindet sich Milosevic denn jetzt?

Es geht ihm körperlich gut. Aber ich glaube, er hat die Situation, in der er sich nun befindet, noch nicht völlig realisiert. Er steht unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln. Aber es wird ihm bald besser gehen, denn wir in Serbien haben gute Ärzte.