Konfrontation zwischen China und den USA

Bush auf Crashkurs

Wirtschaftliche Interessen sprechen für eine Politik der Einbindung Chinas, aber in der neuen US-Regierung haben sich die Befürworter einer harten Linie durchgesetzt.

Für beide Seiten war es zunächst eine Routineübung: Ein mit elektronischen Abhörgeräten ausgerüstetes US-Flugzeug kreiste über der südchinesischen See, das chinesische Militär ließ es von Abfangjägern begleiten, um gegen die Spionagemission zu protestieren und sie nach Möglichkeit zu behindern. Am 1. April aber kam es aus noch ungeklärten Ursachen zu einer Kollision der US-Maschine mit einem chinesischen Kampfflugzeug. Der chinesische Pilot wird seitdem vermisst, dem US-Flugzeug gelang die Notlandung - auf einem chinesischen Flughafen.

Während die chinesische Führung kategorisch auf einer Entschuldigung der USA bestand, forderte der amerikanische Präsident George W. Bush die sofortige Freilassung der 24köpfigen Crew sowie die Herausgabe des Flugzeuges. Knapp eine Woche nach der Kollision schienen beide Seiten sich auf einen Kompromiss zu einigen, über eine gemeinsame Untersuchung des Zusammenstoßes wurde gesprochen. Dennoch droht dieser Zwischenfall nun auch die Reste der unter William Clinton betriebenen amerikanisch-chinesischen Verständigung zu beseitigen.

Die Clinton-Regierung hatte die VR China noch als »strategischen Partner« betrachtet, die jüngsten Spannungen aber reihen sich nahtlos in eine Reihe von konfrontativen Aussagen der neuen US-Regierung ein. Bereits kurz nach seiner Amtseinführung hatte Bush die chinesische Regierung beschuldigt, Waffen an den Irak zu liefern. Ende Februar ließ das State Department verlauten, dass die Menschenrechtssituation in der VR China sich im vergangenen Jahr wesentlich verschlechtert habe; diese Aussage stützte sich vor allem auf die Verfolgung der inzwischen auch international umstrittenen Sekte Falun Gong. Bei der diesjährigen Tagung der Uno-Menschenrechtskommission in Genf vom 19. März bis 27. April werden die USA, wie Anfang März bekannt wurde, erneut einen Antrag auf Verurteilung der VR China stellen. Und Ende März lehnte das US-Repräsentantenhaus mit großer Mehrheit eine Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2008 nach Peking ab, in ihrer Begründung sprachen die Abgeordneten von einem »abscheulichen« Umgang der chinesischen Regierung mit den Menschenrechten.

Mit dem Luftzwischenfall bekamen die Spannungen eine neue und gefährlichere Qualität. Die chinesische Seite bezichtigte die USA unverblümt der Spionagetätigkeit über von der VR China beanspruchtem Territorium und gab ihnen somit die alleinige Schuld an dem Unfall, während die US-Regierung China der Missachtung internationaler Bestimmungen beschuldigte. »Der 1. April könnte der erste Tag eines amerikanisch-chinesischen Kalten Krieges werden«, kommentierte David Shambaugh, China-Experte an der George-Washington-Universität.

Auf internationaler Ebene verstehen sich die USA und die VR China wieder als Konkurrenten nicht nur auf ökonomischem, sondern auch auf militärischem und ideologischem Gebiet. Hinzu kommt, dass sich die Bush-Administration ebenso wie Teile der chinesischen Regierung von einem nationalistischen Konfrontationskurs innenpolitischen Auftrieb versprechen. Die Kollision vom 1. April erscheint so auch als Lehrstück, wie im geschickten Zusammenspiel die Befürworter einer Konfrontation in beiden Ländern einen Zwischenfall zum Anlass nehmen, eine Politik voranzutreiben, die man als »strategische Gegnerschaft« bezeichnen könnte.

Und die nächste Zerreißprobe steht unmittelbar bevor. Mitte April muss sich die US-Regierung entscheiden, ob sie wie geplant der Lieferung von High-Tech-Waffensystemen, unter anderem Patriot 3-Luftabwehrraketen, nach Taiwan zustimmt. Gleichzeitig werden die Stimmen im amerikanischen Parlament immer lauter, die eine Einbeziehung Taiwans, das von der VR China als abtrünnige Provinz betrachtet wird, in das geplante Raketenabwehrsystem fordern. In beiden Fällen würde die chinesische Regierung eine pro-taiwanesische Entscheidung der US-Regierung als bewusste Provokation und Einmischung in innerchinesische Angelegenheiten auffassen.

Derzeit spricht vieles dafür, dass die neue amerikanische Regierung auf einen Konfrontationskurs setzt. Häufig als außenpolitisch konzeptlos kritisiert, will sich die Bush-Administration mit einem entschlossenen Vorgehen von Clintons China-Politik absetzen und Profil gewinnen. Die neue Linie ist allerdings auch Ausdruck einer deutlichen Stärkung der anti-chinesischen Kräfte in der US-Politik. Seit dem historischen Besuch des damaligen amerikanischen Präsidenten Richard Nixon in Peking 1972 prägten zwei politische Argumentationslinien über die Parteigrenzen hinweg den Umgang mit der VR China.

Die eine Fraktion, die in Richard Nixon, Henry Kissinger, Jimmy Carter und George Bush senior ihre maßgeblichen Vertreter hatte, setzte sich für eine behutsame Integration der VR China in die so genannte internationale Staatengemeinschaft und die Weltwirtschaft ein. Diese Linie des Engagement (Einbindung) bestimmte, ungeachtet der immer wieder auftretenden Spannungen zwischen beiden Staaten, die China-Politik der letzten 30 Jahre. Mittlerweile beträgt das Volumen des Handels zwischen beiden Staaten mehr als 100 Milliarden Dollar, zahlreiche US-Konzerne haben in China investiert.

Die andere Fraktion, der neben George W. Bush und seinem Vizepräsidenten Richard Cheney auch große Teile der republikanischen Mehrheit des amerikanischen Kongresses angehören, setzt auf Containment (Eindämmung). Sie versuchte in den letzten Jahren beharrlich, eine härtere Gangart gegenüber China durchzusetzen. Paul Wolfowitz hatte bereits 1992 als Ziel dieser Politik benannt, »potenzielle Konkurrenten selbst vom Streben nach einer größeren regionalen und globalen Rolle« abzuhalten.

Wolfowitz formulierte diese Doktrin als stellvertretender Verteidigungsminister des damaligen Präsidenten George Bush senior, Bush junior setzte ihn erneut in dieses Amt ein. Auch wenn offensichtlich noch Uneinigkeit in der US-Regierung herrscht - mit Colin Powell steht ein erklärter Vertreter der Einbindungspolitik als Außenminister an exponierter Stelle - scheint sich die Strategie der Eindämmung als Leitlinie der China-Politik durchzusetzen.

Noch übt sich die chinesische Regierung in Zurückhaltung. Vor allem die Reformer um den Ministerpräsidenten Zhu Rongji sind sichtlich bemüht, eine weitere Verschärfung der Spannungen zu verhindern. Eine Konfrontation mit den USA würde nicht nur den schnellen Beitritt der VR China in die Welthandelsorganisation WTO und damit ihre Integration in die Weltwirtschaft gefährden, sie wäre auch eine massive Gefahr für die Reformfraktion in der KPCh. Für deren innerparteiliche Gegner und Teile des Militärs sind die amerikanisch-chinesischen Spannungen eine willkommene Gelegenheit, ihre Position in Partei und Regierung zu stärken. Amerikanische Waffenlieferungen an Taiwan und eine Einbeziehung der Insel in den geplanten Raketenabwehrschirm allerdings würden die chinesische Regierung unter Zugzwang setzen. Der Bevölkerung, die in den letzten Jahren mit nationalistischen Parolen aufgeputscht wurde, könnte dann etwas anderes als ein Konfrontationskurs gegenüber den USA schwer vermittelt werden.

Die Rechten seien ihm lieber, weil er sie besser einschätzen könne, sagte Mao Zedong 1972 über sein Treffen mit Nixon, das fast 25 Jahre des Kalten Krieges zwischen China und den USA beendete. Tatsächlich waren es vor allem die republikanischen Präsidenten der USA, die in den letzten fast 30 Jahren die amerikanisch-chinesischen Beziehungen prägten und positiv beeinflussten. Der Republikaner George W. Bush wäre der erste Präsident seit 1972, der die unterschiedlichen amerikanischen Interessen bezüglich China nicht ausbalancieren kann oder will. Sollte er sich weiter vor die von chinesischer Seite plakativ »Neo-McCarthyaner« genannte anti-chinesische Fraktion im amerikanischen Parlament stellen und seine Politik der »strategischen Gegnerschaft« mit China fortsetzen, könnte dies fatale Folgen für die Stabilität in Ostasien haben.