Wahlkampf in Italien

Sag’s durch die Blume

Italiens Linke scheint sich mit dem bevorstehenden Wahlsieg Berlusconis abzufinden.

Zumindest einen Erfolg kann sich die in Italien regierende Mitte-Links-Koalition an die Brust heften: Zum ersten Mal seit über dreißig Jahren geht die fünfjährige Legislaturperiode ohne vorzeitige Neuwahlen regulär zu Ende. Sogar die Koalition blieb fast unverändert, auch wenn dazu vier Regierungen und mit Romani Prodi, Massimo D'Alema und Giuliano Amato drei verschiedene Ministerpräsidenten nötig waren. Ansonsten fällt die Bilanz mager aus und bietet nicht mehr viel mehr als die Integration der Lira in die Euro-Zone und die Privatisierung der wichtigsten Staatsbetriebe sowie eine Schulreform.

Umso eiliger hatte es die Regierungskoalition in den letzten Wochen, vor den anstehenden Parlamentswahlen noch einige publikumswirksame Reformen durchzuführen, sei es auch mit hauchdünnen Mehrheiten. So wurde eine seit Jahren diskutierte Verfassungsänderung zur Kompetenzerweiterung der Regionen beschlossen, die durch ein Referendum bestätigt werden und so den föderativen Umbau Italiens vollenden soll.

Damit und mit der Verabschiedung eines Pakets so genannter Sicherheitsmaßnahmen hat die Regierungskoalition dem rechten Wahlbündnis Pol der Freiheiten einige seiner wichtigsten Themen genommen und überdies Zwist in dessen Reihen gesät.

So hofft die Koalitionsregierung, die Einheit und Stärke zu demonstrieren, die ihr bis jetzt fehlten, und vielleicht doch noch für ein Wunder zu sorgen. Tatsächlich scheinen selbst deren Spitzenvertreter kaum daran zu glauben, dass der Sieg Silvio Berlusconis bei den Wahlen Mitte Mai noch aufzuhalten ist. Nicht nur in allen Meinungsumfragen liegt der Vorsitzende von Forza Italia vorn. Auch die »Königsmacher« wie der Vatikan und der Industrieverband finden, dass der Cavaliere sein extremistisches Draufgängertum abgeschliffen hat und nunmehr würdig ihre Interessen vertreten darf.

Seine größten Probleme hat Berlusconi gelöst: Seine gerichtlichen Verurteilungen sind annulliert worden oder verjährt und gelten in der politischen Arena nicht mehr als unvereinbar mit einem Staatsamt. Der mit ihm nach jahrelanger Feindschaft mittlerweile fest verbündete Chef der Lega Nord, Umberto Bossi, wird ihn diesmal schwerlich zu Fall bringen wie 1994, obwohl er ein unberechenbares Element bleibt. Von Sezessionismus im Norden ist nicht mehr die Rede, und Bossi durfte sogar unter Beifall auf dem Kongress der traditionell zentralstaatsorientierten und in Süditalien fest verankerten postfaschistischen Alleanza Nazionale (AN) in Neapel auftreten.

Wenn jemand im Ausland, wie jüngst der belgische Außenminister Louis Michel, EU-Sanktionen für den Fall einer rechten Regierung in Italien androht, glaubt niemand ernsthaft an diese Möglichkeit. Sollte Berlusconis Wahlmehrheit zu knapp ausfallen, bereiten sich schon alle möglichen Vertreter der Mitte, darunter auch der ehemalige Ministerpräsident Giulio Andreotti, auf einen Wechsel vor.

Von den dramatischen Tönen der Wahlen von 1994 und 1996 ist nichts mehr übrig geblieben. Die Rechte vermag ihren Wählern nicht mehr glaubhaft zu versichern, ein Wahlsieg der Linksdemokraten (DS) werde zur Einrichtung von Gulags führen. Umgekehrt hat sich auch die Überzeugung verbreitet, dass diesmal Berlusconi schwerlich so wüten wird wie 1994 während seiner ersten Regierung und dass sein Wahlsieg eine Rückkehr zu den traditionellen Mitte-Rechts-Regierungen der Christdemokraten und Sozialisten im Andreotti-Craxi-Stil bedeuten wird.

Er wird sich sehr zusammenreißen, um sich weise und staatsmännisch zu geben. Die Rolle der Scharfmacher wird er AN-Chef Gianfranco Fini und vor allem der Lega überlassen, die bereits vorgeschlagen hat, entlang der slowenischen Grenze eine Mauer gegen Einwanderer zu errichten. Berlusconi wird sich schwerlich noch einmal als »Gesalbter des Herren«, wie er sich 1995 selbst titulierte, präsentieren. Die finsteren Einflüsterer wie seinen Hausadvokaten Cesare Previti und Clowns wie den Fernsehstar Vittorio Sgarbi wird er unter Verschluss halten, statt sie wieder zu Ministern zu ernennen.

Zumindest in einer ersten Phase sind von einer Berlusconi-Regierung eher Maßnahmen wie ein erneuter condono edilizio zu befürchten, die nachträgliche Legalisierung illegaler Bauten. Diese Anstachelung zur Landschaftsverschandelung wird vermutlich auf wenig Widerstand stoßen.

Derweilen arbeiten beide politischen Seiten daran, ihre wenigen Argumente einander anzugleichen. In einer groß angelegten Plakatkampagne versprach Berlusconi neben den unvermeidlichen Steuersenkungen und »sicheren Städten« auch die Anhebung der Mindestrenten, mehr »Respekt für die Umwelt« und Hilfe für die »Zurückgebliebenen«.

Die linken Parteien versprechen ihrerseits einen intensiven Kampf gegen Kriminalität und Immigration, mehr Privatschulen und mehr Flexibilität. Aber Berlusconi ist einfach geschickter darin, allen alles und das Gegenteil zu versprechen: hier die Garantie, dass die Kleinverbrecher tatsächlich ins Gefängnis kommen, dort der Schutz der Bürger vor den Übergriffen der Richter; heute einen flexibleren Arbeitsmarkt, morgen den Schutz der oft grotesken korporativen Privilegien von Notaren, Ärzten und anderen; die unbedingte Freiheit für die Forschung und gleichzeitig die absolute Befolgung der kirchlichen Vorschriften. Mit Berlusconis Fähigkeit, sich selbst zu widersprechen, ohne dabei zu erröten, kann selbst der unredlichste Gegner nicht konkurieren.

Die regierende Olivenbaum-Koalition stellt sich facettenreich zur Wahl: Ihre zersplitterte Mitte hatte sich zum Wahlbündnis Margherita zusammengeschlossen, zu dem auch der parteilose Kandidat für das Amt des Premierministers, Francesco Rutelli, gehört. Die Grünen und ein Restprodukt der sozialistischen Partei namens SDI sowie vielleicht die Comunisti Italiani treten zusammen unter dem Namen Girasole (Sonnenblume) mit ein wenig antiliberalistischer Rhetorik an.

Natürlich wird um die Verteilung der Wahlkreise heftig gezankt. Mit Rifondazione Comunista bereitet der Ulivo einen taktischen »Widerstandspakt« vor. Jenseits der beiden großen Wahlbündnisse treten außerdem Antonio di Pietros Italia Dei Valori und die Democrazia Europea an, ein Restprodukt der Christdemokraten, das sich an den Meistbietenden verkaufen wird.

Eins allerdings ist sicher: Die Wahlenthaltung wird Rekordhöhe erreichen und zu Lasten der Mitte-Links-Koalition gehen. Man kann es niemandem verdenken.