Antiterrorgesetz in Griechenland

Recht gegen Links

Mit einem Antiterrorgesetz will die griechische Regierung eine Rechtsprechung beenden, die vom Widerstand gegen die Militärdiktatur beeinflusst war.

Staatlich bezahlte Provokateure mischen auf Demonstrationen mit, beschatten Verdächtige und denunzieren sie bei der Polizei. Was sich anhört wie eine Geschichte aus einer Diktatur, wird der griechische Staat demnächst seinen BürgerInnen verordnen. Bis Ende März soll das Parlament über einen »Gesetzesentwurf zur Bekämpfung des Terrorismus« abstimmen, der vergangene Woche vorgestellt wurde und weitreichende Befugnisse für die Exekutive vorsieht.

Seit Jahren wird über ein solches Gesetz diskutiert. Aber sowohl 1978 als auch 1990 scheiterten die Initiativen der konservativen Partei Nea Dimokratia, so genannte Antiterror-Verordnungen durchzusetzen. Noch im letzten Sommer hatte Justizminister Michalis Stathopoulos erklärt, der vorhandene Strafrahmen sei »zur Bekämpfung des Terrorismus völlig ausreichend«. Doch nun hat eine sozialdemokratische Regierung erreicht, dass das Gesetz vermutlich ohne größeren Widerstand verabschiedet wird.

Ein Grund dafür ist eine von Regierungschef Kostas Simitis getragene Kampagne, mit der seit Monaten systematisch für ein verschärftes Strafrecht geworben wird. Eine solche Kampagne war notwendig, denn große Teile der griechischen Öffentlichkeit sahen in den Entwürfen für Antiterrorgesetze lange Zeit eine Einschränkung ihrer Grundrechte, das Phantom Terrorismus ist bis vor kurzem nie als Gefahr wahrgenommen worden.

Dazu bestand auch kein Anlass. Seit dem Ende der Militärdiktatur vor 26 Jahren sind insgesamt 33 Menschen wegen politisch motivierter Attentate ums Leben gekommen. Die Stadtguerilla 17. November bekannte sich zu 23 Anschlägen. Bis auf zwei Fälle handelte es sich um Aktionen gegen hohe Funktionäre aus dem Staatsapparat oder der Wirtschaft.

Noch Anfang dieses Jahres räumte der Staatsanwalt Ioannis Diotis, der immer wieder eine Verschärfung der Gesetzgebung gefordert hatte, gegenüber der Zeitung To Vima ein: »Wir sollten zugeben, dass die Gesellschaft die schrankenlose Bekämpfung des Terrorismus nicht will. Dem Staatsapparat ist es nicht gelungen, sie davon zu überzeugen. Dafür gibt es historische Gründe, beispielsweise den Bürgerkrieg und die Militärdiktatur.«

Doch die sozialdemokratische Regierungspartei Pasok scheint es eilig zu haben. Man möchte angesichts der Olympischen Spiele, die 2004 in Athen stattfinden sollen, dem US-State Department und anderen »böswilligen Gegnern« beweisen, dass in Griechenland Sicherheit und Ordnung herrschen. Stathopoulos vermeidet inzwischen das Wort Antiterrorgesetz, spricht stattdessen von einem »Gesetz zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens« und meint: »Sicherheit ist schließlich ein Grundrecht. Wir alle wollen uns sicher auf der Straße bewegen und uns nicht ständig gefährdet fühlen.«

Das vorgesehene neue »Antiterror-Gesetz« ähnelt denen, die in Deutschland und Italien während der siebziger Jahre verabschiedet wurden. Das ist kein Zufall: Simitis und Stathopoulos haben in Deutschland studiert und gelten als ausgesprochen deutschfreundlich. Zehn Paragraphen bilden die Säulen des griechischen Enwurfs. Vorgesehen sind unter anderem die Einführung des genetischen Fingerabdrucks und die Einrichtung von Gen-Archiven. Doch auch ohne gesetzliche Grundlage werden diese Maßnahmen seit einiger Zeit bereits angewendet. Am 10. März mussten beispielsweise zwei Anarchisten, die in Thessaloniki wegen angeblicher Sprengstoffanschläge verhaftet worden waren, gegen ihren Willen Haarproben abgeben.

Eine der wichtigsten Veränderungen wird allerdings die Erhöhung des Strafmaßes für den Tatbestand der »Bildung einer kriminellen Vereinigung« sein, das künftig zehn Jahre betragen kann. Die eigentliche Zielgruppe dieser griechischen Variante des deutschen Paragrafen 129a ist allerdings nicht im Umfeld des von Stathopoulos so genannten organisierten Verbrechens zu suchen, sondern in der linksradikalen bzw. anarchistischen Szene. Die »Bildung einer kriminellen Vereinigung« zählt schon jetzt zu den häufigsten Vorwürfen gegen linke DemonstrantInnen oder HausbesetzerInnen.

Auch die Schwurgerichte sollen abgeschafft werden. Bisher urteilten Geschworene, die mit den Schöffen des deutschen Justizsystems vergleichbar sind, über Fälle von »Terrorismus«. In Zukunft sollen die zuständigen Gerichte aus professionellen Strafrichtern bestehen, da die Laienrichter häufig zugunsten der Angeklagten entschieden haben.

Darüber hinaus sieht der Gesetzesentwurf Lauschangriffe, Prämien für aussagebereite Bürger, eine Kronzeugenregelung sowie die Straflosigkeit von Agents provocateurs und Polizeispitzeln vor. Dabei dürfen sogar Straftaten verübt werden, wenn sie zur Entlarvung einer »kriminellen Vereinigung« beitragen. Die in den Erfahrungen mit der Militärdiktatur historisch begründete Ablehnung von Spitzeltechniken und gekauften Provokateuren scheint der Vergangenheit anzugehören.

Die linke Journalistengruppe Ios tis Kiriakis (Virus vom Sonntag) bemerkte Anfang Februar in der auflagenstärksten Sonntagszeitung Eleftherotypia, das geplante Antiterrorgesetz werde einen Grundpfeiler des griechischen Strafsystems beseitigen. Denn bisher konnten Gruppen oder Einzelpersonen, die anerkanntermaßen aus politischer Motivation Straftaten begangen hatten, dank der juristischen Argumentation, »nicht aus niederen Beweggründen« gehandelt zu haben, auf mildernde Umstände hoffen. Mit dem neuen Gesetz werden hingegen politisch motivierte Straftaten härter geahndet als Delikte, die aus anderen Motiven begangen wurden.

Doch nicht nur die griechische Linke, sondern auch viele konservative oder liberale Strafrechtsexperten, die mit der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfes beauftragt waren, äußern Kritik, einige haben sich inzwischen sogar von dem Projekt distanziert. Professor Ioannis Manoledakis beispielsweise, ein Mitglied des juristischen Expertenteams, ist der Meinung, das Gesetz gefährde den Datenschutz. In einem Interview mit Eleftherotypia kritisierte er, dass ausschließlich »die Anarcho-Autonomen den Preis für die Gesetzesreformen bezahlen werden«. Aus ähnlichen Gründen sind auch fünf weitere Mitglieder der Vorbereitungsgruppe zurückgetreten.

Selbst der Staatsanwalt des Obersten Gerichtshofs, Panagiotis Dimopoulos, erklärte ausdrücklich, alle vorgesehenen neuen Methoden der Strafverfolgung seien, »egal wie effektiv sie sein mögen«, unzulässig, wenn sie die Menschenwürde verletzten. »Ich habe schon mehrmals betont, dass es besser ist, viele freie Verdächtige oder Schuldige zu haben als einen unschuldigen Menschen im Gefängnis«, begründet er seine Haltung zu dem neuen Gesetz. Die Regierung will jedoch offenbar die Chance nicht versäumen, die in antifaschistischer Tradition stehenden und hart erkämpften Gundrechte zu entsorgen.