Kommunalwahlen in Frankreich

Kleine Siege

Bei den französischen Kommunalwahlen haben die Linksparteien in Paris und Lyon gewonnen, landesweit aber verloren.

Von einem historischen Triumph der Linken kann keine Rede sein. Doch haben die etablierten Linksparteien, die der Regierungskoalition unter Lionel Jospin angehören, bei den Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag in Paris und Lyon zwei bedeutende Erfolge erzielt. Beide Großstädte bildeten jahrzehntelang bürgerlich-konservative Hochburgen. Aber die Wahlsiege haben wenig mit der Stärke der Linken, dafür umso mehr mit der katastrophalen Situation der Rechten zu tun, die sich zum größten Teil selbst behindert hat.

In Paris waren der offizielle RPR-Kandidat Philippe Seguin und der bisherige Amtsinhaber Jean Tiberi, der im vergangenen Oktober aus der neogaullistischen Partei ausgeschlossen worden war, gegeneinander angetreten. Nach dem ersten Wahlgang vom vorletzten Sonntag konnten sich die bürgerlichen Kandidaten auf keine gemeinsame Strategie einigen. Tiberi bot dem »offiziellen Kandidaten« Seguin lautstark an, ihre Listen in den 20 Pariser Arrondissements zusammenzuführen und gemeinsam zur Stichwahl anzutreten. Dagegen bestand Seguin auf seiner Distanz zur Symbolfigur des, wie er sich ausdrückte, »alten Systems«. Schließlich kamen in einer Reihe von Schlüsselbezirken, die über zahlreiche Sitze im Pariser Stadtparlament bestimmen, die Listen Seguins und Tiberis einander ins Gehege.

In Lyon gab es für die bürgerliche Rechte andere Probleme. Hier hatten die beiden Spitzenkandidaten der Rechten, Jean-Michel Dubernard und der Rechtskonservative Charles Millon, ein Abkommen über eine Fusion ihrer Listen getroffen. Millon schwor zwar, er habe keine Ambitionen auf das Lyoner Bürgermeisteramt. Doch zugleich hatte er alle Vorkehrungen dafür getroffen, dass seine Anhänger, im Fall eines bürgerlichen Wahlsiegs, im Stadtparlament die Mehrheit unter den Rechten stellen würden.

Millon, der 1998 das Bündnis mit den Neofaschisten im Lyoner Regionalparlament akzeptiert und kurz darauf seine Partei La Droite gegründet hatte, ängstigte jedoch die Wähler der bürgerlichen Mitte. Zugleich riefen die Leiter von Lyoner Kultureinrichtungen, die örtliche jüdische Gemeinde, aber auch Unternehmer aus der New Economy zur Wahl des sozialistischen Bewerbers Gerard Collomb auf, um einen Sieg Millons zu verhindern. Unter diesen Umständen erreichte Collomb in einer notorisch konservativen Stadt eine knappe Mehrheit.

Angesichts der Vertreibung aller Minderbemittelten in die Trabantenstädte, die in Paris und Lyon jahrzehntelang pratiziert wurde, muss der Mehrheitswechsel in beiden Städten als Ereignis gelten. Die Commune de Paris von 1871 braucht man deswegen freilich nicht zu bemühen: Zwar ist der Sozialist Bertrand Delanoe der erste nicht-konservative Pariser Bürgermeister seit dem Ersten Weltkrieg. Doch die meiste Zeit hatte Paris überhaupt keinen Bürgermeister. Bevor Chirac 1977 zum ersten Stadtoberhaupt gewählt wurde, wurde die Hauptstadt direkt vom Innenministerium verwaltet.

Können die etablierten Linksparteien über die knappen Wahlsiege in Paris und Lyon jubeln, so sieht es im restlichen Frankreich anders aus. Überall liegen die bürgerlich-konservativen Kräfte bei den Kommunalwahlen deutlich vor den Linksparteien. Eine Reihe von Ministern der Jospin-Regierung handelte sich schwere Niederlagen bei dem Versuch ein, sich ein Rathaus zu sichern. Dabei wurde ihre Haltung oft als Missachtung der WählerInnen sanktioniert, um deren örtliche Belange sich ein Kabinettsmitglied gar nicht richtig kümmern könne. So scheiterte die Arbeitsministerin Elisabeth Guigou (PS) in Avignon ebenso wie der sozialistische Bildungsminister Jack Lang in Blois. Der kommunistische Transportminister Jean-Claude Gayssot und die grüne Umweltministerin Dominique Voynet verloren in Dole.

Die große Verliererin der Wahlen aber war die Kommunistische Partei. Sie muss eine Reihe ihrer klassischen Hochburgen räumen und stellt künftig in keiner Großstadt mehr den Bürgermeister, nachdem sie Nimes verlor und in Amiens sowie Le Havre scheiterte.

Hingegen konnte sich die KP in den Pariser Trabantenbezirken Seine-Saint-Denis und Val-du-Marne noch behaupten. Doch auch hier musste sie schwere Schläge einstecken. So verlor sie im gleichen Bezirk die Arbeitervorstadt Drancy, die sie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs regiert hatte.

Dabei bezahlte die KP ihre Regierungsbeteiligung auf nationaler Ebene auch damit, dass sie Stimmen an die beiden trotzkistischen Parteien LCR und LO verlor. Diese erreichte in Lievin im alten alten Kohlebezirk Nord-Pas 19,4 Prozent, jene auf der Bündnisliste »Résister« 18,9 Prozent im südfranzösischen Miramas.

Daneben gewannen auch alternative Listen unter Beteiligung von Immigranten. Das prominenteste Beispiel ist die Liste Motivés in Toulouse, die von Salah Amokhrane angeführt wurde, dem Sänger der Band Zebda. Das Bündnis mit den Linksparteien unter der Führung des Sozialisten François Simon, das nach dem ersten Wahlgang geschlossen wurde und vorübergehend als mehrheitsfähig erschien, hat sich jedoch nicht als Erfolgsmodell erwiesen. Mit 55 Prozent der Stimmen gewann schließlich der Christdemokrat Philippe Douste-Blazy das Rathaus von Toulouse. Die bunten Bündnisgenossen der Sozialisten scheinen die Wähler der bürgerlichen Mitte abgeschreckt zu haben. Noch in der Wahlnacht kam es in der Toulouser Innenstadt zu schweren Zusammenstößen zwischen enttäuschten jugendlichen Immigranten und der Polizei.

Leider ist es auch mit den neofaschistischen Rassisten nicht vorbei. In den bisher rechtsextrem regierten Städten Marignane und Vitrolles wurden die MNR-Bürgermeister Daniel Simonpieri und Catherine Mégret, mit 62,5 Prozent bzw. 45,3 Prozent der Stimmen wiedergewählt.