FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky

Freiheitlich verharmlost

Ein gern gesehener Gast bei deutschen Rechten - der FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky leugnet den Antisemitismus seiner Partei.

Mit der FPÖ zum Erfolg! Auch die Deutsche Partei will zum nationalen Sammelbecken werden und kann mit der Unterstützung der österreichischen Regierungspartei rechnen. So trat am 18. Januar der FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky bei einer Veranstaltung des erst vor kurzem gegründeten Berliner Landesverbandes der Deutschen Partei als Redner auf.

Sichrovskys Chef Jörg Haider, der notorischen Unfähigkeit seiner deutschen Gesinnungskameraden überdrüssig, hatte bereits vor einem Jahr in der Jungen Freiheit »die Notwendigkeit« betont, »daß Deutschland eine freiheitliche Alternative bräuchte«. »Ich könnte mir vorstellen, daß natürlich jetzt ein sehr günstiger Zeitpunkt wäre. Wenn sich die zum Partikularismus und zum Eigenbrötlertum neigenden freiheitlichen Gruppierungen in Deutschland einigen würden, dann wäre das eine ganz bedeutende politische Kraft, die hier entstehen könnte.«

Ähnlich äußerte sich auch Otto Scrinzi, einer der Führungskader des österreichischen Rechtsextremismus. Der ehemalige NSDAP-Mann Scrinzi, Schriftleiter der Aula und langjähriger FPÖ-Parlamentarier, nahm im letzten Sommer an der ersten Bundeskonferenz der Deutschen Aufbau Organisation teil, eines Ablegers von Alfred Mechtersheimers Deutschland-Bewegung. In seiner Rede bewertete er die »Chancen« der extremen Rechten in Deutschland als »nicht grundsätzlich schlechter als in Österreich«.

Während Leute wie Scrinzi das völkische Segment bedienen, ist Sichrovsky für bürgerliche Konservative zuständig. Als intellektueller Quereinsteiger mit linksliberaler Vergangenheit ist er ein attraktiverer Gesprächspartner als all die freiheitlichen Schmissgermanomanen, die zwischen Wien und Berlin die deutsche Volksgemeinschaft hochhalten.

Darüber hinaus erfüllt Sichrovsky, der den deutschen Kameraden auch als Kolumnist der Jungen Freiheit bekannt ist, als Jude eine wichtige Funktion bei der Abwehr des Antisemitismus-Vorwurfes: Schon seine Position in der FPÖ belege dessen Unrichtigkeit. Da Israel über Haider ein Einreiseverbot verhängte und er dort nicht beweisen kann, dass er kein Antisemit ist, muss Sichrovsky einspringen. Im Frühjahr 2000 gelang es ihm sogar, einige orthodoxe Rabbiner zu einer Unterstützungserklärung für die FPÖVP-Regierung zu bewegen.

Vor allem aber kann die FPÖ Sichrovsky mit Angriffen betrauen, vor denen andere Kader noch zurückschrecken. »Sie müssen verstehen, dass die Mitglieder der jetzigen jüdischen Gemeinschaft in Österreich keine österreichischen Juden sind. Der Obmann der Wiener Gemeinschaft, Ariel Muzicant, wurde in Israel geboren, ebenso der große Anführer der jetzigen Demonstrationen, Doron Rabinovici«, sagte Sichrovsky der slowenischen Tageszeitung Delo im März letzten Jahres. »Die heutigen Führer der Gemeinschaft, welche hierher Geld verdienen kamen, sich hier nicht zu Hause fühlen und ihre Kinder ins Ausland studieren schicken«, seien »umstritten, weil sie mit diesem Staat nicht gefühlsmäßig verbunden sind«.

Der FPÖler bezeichnet Muzicant als »aggressiven, zornigen Menschen, der ungeheuer geizig ist und ungeheuer reich wird«. Er verstehe nicht, »wie derart hasserfüllte Menschen eine Gemeinschaft leiten können. (...) Muzicant kommt vor die Kamera, damit er über Antisemitismus, Rassismus und über die extreme Rechte spricht. Er ist wirklich eine tragische Erscheinung. Der Mann tut mir leid, so wie mir alle ðBerufsjudenÐ leid tun, welche ihre toten Verwandten ausnützen müssen, um ins Fernsehen zu kommen.«

Im FPÖ-Parteiorgan Neue Freie Zeitung legt Sichrovsky Muzicant folgende Worte in den Mund: »Liebe Weisen, in Österreich herrscht Rassismus, weil ich immer noch erst der zweitreichste Immobilienhändler bin.«

Neben der Geschäftstüchtigkeit und Geldgier, einer zweifelhaften nationalen Loyalität und dem (»alttestamentarischen«) Hass kommt auch dem fremden Namen im antisemitischen Diskurs ein zentraler Stellenwert zu. So fiel Sichrovsky am französischen Europaminister Moscovici dessen »nicht sehr französisch klingender Name« auf.

Muzicant zog sich nicht nur als einer der schärfsten KritikerInnen der FPÖ deren Zorn zu. Den nationalen Schulterschluss störte er auch mit seiner Weigerung, das Abkommen zur Entschädigung jüdischer NS-Opfer zu unterzeichnen. Dass es sich bei den Entschädigungszahlungen in Höhe von rund 800 Millionen Mark nicht um die partielle Erfüllung eines Rechtsanspruches handelt, sondern um ein gnädiges Entgegenkommen aus »moralischer Verantwortung«, betonte Kanzler Wolfgang Schüssel im November 2000 in der Jerusalem Post und bezeichnete einmal mehr die ÖsterreicherInnen als »allererstes Opfer« des Nationalsozialismus.

Die Annahme Muzicants, die FPÖVP-Regierung wolle sich mit dieser Zahlung endgültig aus dem historischen Schuldzusammenhang stehlen, untermauern auch Aussagen prominenter FPÖ-PolitikerInnen, die in parlamentarischen Anfragen wissen wollten, »wie lange wir noch zahlen müssen« und »wann ein Schlussstrich gezogen wird«.

In diesem Zusammenhang sprach Jörg Haider vor kurzem von der unersättlichen Geldgier der »Ostküste«, was ihm die Qualifizierung als »antisemitischer Hetzer« durch den deutschen Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Die Grünen) einbrachte. Wieder sekundierte Sichrovsky: Er sei empört, dass »ausgerechnet die Nachkommen der Täter des Nationalsozialismus heute (...) die Katastrophe des Judenhasses für ihre politische Polemik und Lügen gegen Andersdenkende benutzen«.

Auch gegen den World Jewish Congress (WJC), der von der FPÖVP-Regierung verlangte, sie solle sich für die österreichische Mitschuld an der Shoah entschuldigen, wird Sichrovsky vorgeschickt. Der FPÖ-General verlangte von der Regierung, sie solle diese Forderung »nicht nur ignorieren, sondern eine Entschuldigung des WJC verlangen für dessen Hetze gegen das österreichische Volk, die von dieser Organisation in den letzten Monaten verbreitet wurde«.