Pakt gegen Eta

Mit aller Macht

Spaniens Regierung und die sozialdemokatische Opposition befördern mit dem Anti-Eta-Pakt regionale Nationalismen.

Wir werden Mittel und Wege finden, um diese Verletzung einer souveränen Entscheidung des baskischen Parlamentes zurückzuweisen.« Carlos De Urquijo, Abgeordneter der rechtskonservativen Regierungspartei (PP) für das baskische Regionalparlament, ist wütend. Ein regionaler Fernsehsender im Baskenland hatte sich zuvor geweigert, das vorgesehene Programm zu ändern und die traditionelle Weihnachtsansprache des Staatsoberhauptes, Juan Carlos De Borbonne I., auszustrahlen. Drei Tage vor Heiligabend hatte das Regionalparlament mit einer relativen Stimmenmehrheit der PP und der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) beschlossen, dass die Rede des Königs auch in allen regionalen Fernsehsendern ausgestrahlt werden müsse. Aber der Fernsehbeirat berief sich auf die Unabhängigkeit der Medien, erklärte, für die Programmplanung seien nach dem Gesetz die Generaldirektoren der jeweiligen Sender zuständig und votierte mit zehn zu sechs Stimmen gegen die Parteigänger von PP und PSOE.

Andoni Ortuzar, Fernsehdirektor des spanischsprachigen der beiden TV-Kanäle im Baskenland, sah zudem keine ökonomische Veranlassung, das Programm zu ändern. Vergangenes Jahr hatte sein Sender einen enorm hohen Publikumsanteil, während alle anderen die Ansprache des Monarchen übertrugen.

Die Entscheidung rief Empörung hervor. Während sich PSOE-Sprecher Rodolfo Ares darüber erregte, dass Ortuzar die Quote für wichtiger befand als die staatsbürgerliche Pflicht, witterte De Urquijo gar eine »nationalistische Sabotage«.

Der Schulterschluss von regierender PP und der größten Oppositionspartei PSOE in dem lächerlich erscheinenden Streit um die Weihnachtsansprache von Juan Carlos ist Ausdruck eines Staatsabkommens, das die Vorsitzenden der PP, Regierungschef José María Aznar, und der PSOE, José Luis Zapatero, nach wochenlangen Verhandlungen am achten Dezember unterzeichneten. Im Wortlaut handelt es sich dabei um einen »Vertrag für die Freiheit und gegen den Terrorismus«, faktisch jedoch um einen Anti-Eta-Pakt. Und König Juan Carlos steht erklärtermaßen für einen starken Staat gegen die Eta.

Seit der Staatspakt am neunten Dezember veröffentlicht wurde, versucht die PSOE, auch andere Parteien von einem Beitritt zu überzeugen. Doch bis auf drei regionale Ableger der PP distanzieren sich die Angesprochenen von dem Abkommen. Im Vertragstext wird nämlich deutlich, dass es der federführenden PP gar nicht darum ging, die regionalistischen Parteien wie die bürgerlich-nationalistische baskische PNV oder aber die Vereinigte Linke (IU) einzubinden. Schon in der Präambel heißt es: »Das definitive Verlassen des Paktes von Estella seitens der beiden Parteien PNV und EA ist die unverzichtbare Bedingung für die Einbeziehung dieser Parteien in die Einheit der demokratischen Parteien zur Bekämpfung des Terrorismus.«

Der Pakt von Estella - bekannter unter der baskischen Bezeichung Lizarra - wurde im September 1998 von der PNV, der sozialdemokratisch ausgerichteten baskischen EA und dem linksnationalistischen Wahlbündnis Baskische Bürger (EH) unterzeichnet. PNV und EA wollten das mit der Eta sympathisierende Spektrum von EH einbinden, ihre eigene baskisch-nationale Politik stärken und damit dem bewaffneten Kampf den Boden entziehen. Wenige Tage später erklärte die Eta einen Waffenstillstand. Nachdem die Organisation den Waffenstillstand jedoch vor einem Jahr aufkündigte und seither eine beispiellose Anschlagserie organisierte, wurde die Zusammenarbeit von PNV und EA mit dem Wahlbündnis EH ausgesetzt.

Doch auch vorher sah die PP-Regierung die Entwicklungen rund um das Abkommen von Lizarra mit Argwohn. Sie instrumentalisierte die Verhandlungen mit der Eta über die Bedingungen für ein Ende des bewaffneten Kampfes, um möglichst viele Vertreter der Guerilla-Organisation zu verhaften, und erklärte wiederholt, Eta sei »kein politisches, sondern ein polizeiliches Problem«.

Das neue Staatsabkommen unterstreicht nun die klare Absage der spanischen Zentralregierung an einen Dialog mit der Eta. Die phrasenhafte Parole »Freiheit ja, Eta nein« ist ein Loblied auf den starken Staat. So lautet eine der zentralen Stellen in dem Abkommen: »Die Verteidigung der Menschenrechte und der öffentlichen Freiheit ist an erster Stelle eine Aufgabe der Kräfte und Einrichtungen der Staatssicherheit. Von ihrer Effizienz hängt es ab, im Baskenland und im Rest von Spanien die Gewalt auszurotten sowie die Bedrohung und Beleidigung durch die Terroristen und jene, die sie unterstützen.«

Der Ministerpräsident der autonomen Region Baskenland, Juan José Ibarretxe von der PNV, bezeichnete den Pakt hingegen als »historische Dummheit« und bemerkte: »Das ist kein Vertrag gegen den Terrorismus, sondern grundsätzlich gegen die Ideen, die wir von PNV und EA vertreten.« Aber auch das in Katalonien regierende regionalistische Parteienbündnis CiU lehnte es trotz Aufforderung seitens des PSOE-Vorsitzenden Zapatero ab, den Pakt zu unterzeichnen. CiU-Generalsekretär Arturo Mas erklärte, seine Allianz werde den Pakt nicht unterschreiben, weil die Präambel »den Weg des demokratischen baskischen Nationalismus ausschließt«.

Zapatero dagegen beteuert weiterhin, der Pakt wende sich nicht gegen den baskischen Nationalismus, sondern einzig gegen die Eta. Mit einem baskischen Nationalismus im Rahmen der Anerkennung der nationalen Einheit des spanischen Staates haben in der Tat weder PP noch PSOE grundsätzliche Probleme. Allerdings richtet sich die Strategie, die Eta zu isolieren, vor allem gegen die aktuelle Politik von PNV und EA. Der politische Druck auf die beiden Parteien ist kalkuliert und entspricht der langfristigen PP-Strategie. Darin ist nicht der baskische oder katalanische Nationalismus das Problem, bezeichnet sich die PP doch auch gerne als nationale Partei Spaniens. Vielmehr geht es um die Anerkennung der Spielregeln des Zentralstaates und um die Etablierung eines Diskurses, in dem die Eta als ein Problem gesehen wird, das nur durch Repression zu lösen ist. Welche Rolle dabei den spanischen Sozialdemokraten zukommt, brachte Javier Madrazo, der Vorsitzende der Vereinigten Linken im Baskenland, auf den Punkt: »Die PSOE ist zum Erfüllungsgehilfen der Regierungspartei geworden.«