NPD-Reaktionen auf Verbotsdebatte

Warten statt erleben

Wegen des drohenden Verbots setzt die NPD auf demonstrative Treue zum Grundgesetz.

Die glorreichen Zeiten sind erst einmal passé. Der »Kampf um die Straße« ist ausgesetzt und die wöchentlichen Paukenmärsche sind abgesagt - bis auf Weiteres. Denn die Anführer der NPD wollen derzeit keine weiteren Anlässe für ein Verbot liefern.

So begnügte man sich am letzten Freitag in Berlin mit einer Mahnwache, um gegen das drohende NPD-Verbot zu protestieren. Rund ein Dutzend Neonazis, mehr waren es nicht, die mit grimmigen Gesichtern vor dem Brandenburger Tor standen und Unterschriften gegen das Verbot sammelten. Allein der übliche schwarz-weiß-rote Lappen erinnerte noch an das Getöse, das die Kameraden an derselben Stelle nur wenige Monate zuvor veranstaltet hatten. Doch über mangelnde Publizität konnten sie sich auch diesmal nicht beklagen, zahlreiche Medienvertreter waren vor Ort. Ulrich Eigenfeldt, der Bundesgeschäftsführer der neonazistischen Partei gab jedem, der zuhören wollte, bereitwillig Interviews.

Währenddessen - nur einige hundert Meter weiter - debattierten die Innenminister von Bund und Ländern über den Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht. Auf eine gemeinsame Linie wollten sie sich letzte Woche jedoch nicht festlegen, die Begründung des Verbotsantrages, ein 500seitiges Dossier, war in der Ministerrunde umstritten. Am Donnerstag dieser Woche soll die endgültige Entscheidung getroffen werden.

In dem Verbotsantrag steht jedoch nichts Neues: Die NPD habe sich unter ihrem Vorsitzenden Udo Voigt »zu einer klar mit Neonazis und gewalttätigen Skinheads kooperierenden, aktionsorientierten verfassungswidrigen Bewegung« entwickelt, die »mit einem totalitären, ganzheitlichen Ansatz auf die Überwindung des Systems« hinarbeite. Zudem wolle »die NPD die Wertordnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen« und sei mit der NSDAP wesensverwandt. Unter dem Titel »aktiv-kämpferische, aggressive Grundhaltung der NPD« wird deren Strategie des »Kampfes um die Straße« beschrieben: Die NPD bemühe sich, das Konzept so genannter befreiter Zonen systematisch und planvoll umzusetzen.

Das belastende Material, das fast ausschließlich aus den Ländern stammt, wirft die Frage auf, woher der plötzliche Erkenntnisreichtum der Sicherheitsbehörden kommt: »Entweder haben Bundesregierung und Verfassungsschutz die Öffentlichkeit jahrelang über die Gefährlichkeit der NPD im Unklaren gelassen. Oder die V-Leute des Geheimdienstes haben erst im Lichte der aktuellen politischen Debatten ihren Arbeitsauftrag ernst genommen«, stellte die Berliner Zeitung vor zwei Wochen fest.

Dass die NPD mit Nazi-Symbolen auftritt, eng mit den neonazistischen Kameradschaften verwoben ist, als Auffangbecken für bereits verbotene Neonazigruppierungen dient, in ihren Reden und Publikationen zum Kampf auf der Straße und gegen den Staat aufruft und dass ihre Mitglieder immer wieder rechtsextreme Straftaten begehen, ist nicht nur dem Verfassungsschutz lange schon bekannt. Bereits seit Jahren publizieren diverse antifaschistische Zeitungen und Zeitschriften jene Fakten, die nun als neue Erkenntnisse präsentiert werden.

Vielleicht auch deswegen hat die Verbotsdebatte bisher für weitaus weniger Turbulenzen innerhalb der NPD gesorgt, als viele angenommen hatten. Mit den Anführern der Freien Kameradschaften, Christian Worch und Thomas Wulff aus Hamburg, gibt es zwar noch immer Auseinandersetzungen, doch für einen endgültigen Bruch ist man zu sehr aufeinander angewiesen. Jüngster Zankapfel ist der von der NPD-Führung ausgerufene Demonstrationsverzicht, dem sich die Freien Kameradschaften nicht beugen wollen. Gemeinsam mit Steffen Hupka, einem früheren Kader der verbotenen Nationalistischen Front, der bis vor kurzem noch als Landesvorsitzender der NPD in Sachsen-Anhalt fungierte, sorgt das Hamburger Naziduo für die Anmeldung von Neonazi-Aufmärschen überall in Deutschland.

Damit wollen sie das wesentliche Element der rechtsextremen Erlebniswelt - die Hegemonie auf der Straße - erhalten. Mit Erfolg: Erst vergangenes Wochenende konnten über 600 Nazis durch Dortmund marschieren - trotz einer Gegendemo mit über 10 000 TeilnehmerInnen. Worch, der den Aufmarsch angemeldet hatte, tönte: »Jedes Verbot macht uns stärker und lebendiger.«

Trotz öffentlicher Distanzierungen - Hupka droht wegen seiner Aktivitäten ein Parteiausschlussverfahren - sind solche Aktionen durchaus im Sinne der NPD-Führung. Man will die militanten Skins bei der Stange halten, schließlich ist der »Kampf um die Straße« nur vorübergehend ausgesetzt. Gleichzeitig bemüht sich die NPD, mit ihrer Kampagne »Argumente statt Verbote« auch andere Kreise anzusprechen - angeblich 700 neue Mitglieder will man in den letzten Wochen gewonnen haben.

Und Parteiführer Voigt lässt keine Gelegenheit aus, die Grundgesetztreue seiner Partei zu betonen: Die NPD lehne »Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele strikt« ab, bekenne »sich eindeutig zum Grundgesetz« und sei »als demokratische Partei von unten nach oben aufgebaut« erklärte Voigt im NPD-Parteiorgan Deutsche Stimme. Ein Verbot sei daher »unbegründet und juristisch nicht durchsetzbar«.

Doch selbst im Falle eines Verbotes ist für die NPD noch nicht alles verloren. Die Strukturen der Freien Kameradschaften - offizielle Schätzungen gehen von bundesweit rund 150 Personen aus - sind durchaus in der Lage, zumindest einen Teil der jugendlichen NPD-Mitglieder aufzunehmen. Auch mit Neugründungen oder der Übernahme bereits bestehender Organisationen könnte die Partei versuchen, ein Verbot zu unterlaufen. Ein Vakuum am rechten Rand dürfte also schnell wieder gefüllt sein.

Außerdem bliebe der NPD bis zu einem positiven Bescheid der Karlsruher Verfassungsrichter genügend Zeit, ihre Parteistrukturen allmählich in andere Organisationsformen zu überführen. Mit einem großen Abwanderungsstrom der organisierten extremen Rechten in deutsche Eckkneipen und vor die heimischen Fernsehapparate ist jedenfalls nicht zu rechnen.