Sparen bei der Bundeswehr

Rudis Reste-Rampe

Unterstützt von der deutschen Wirtschaft, setzt Verteidigungsminister Scharping auf weltweite Intervention. Gespart wird nur bei den Soldaten.

Die Erfolgsverheißungen der Neuen Ökonomie scheinen ansteckend zu sein. Diesen Eindruck vermitteln zumindest die Auftritte von Verteidigungsminister Rudolf Scharping. Auch Mitte des Monats im Bundestag wirkte der »Sex-Bomber der Nation« (Abendzeitung) wieder, als bereite er den Börsengang einer »Aktie Olivgrün« vor.

Was auf dem Neuen Markt die Herzen der Aktionäre höher schlagen lässt, das präsentiert auch Scharping. Der Minister will den Geldmangel im Verteidigungsministerium zunächst durch die Reduzierung der Truppe auf 282 000 Mann beseitigen. Durch den Abschied von 30 000 Soldaten sollen von 2002 an bis zu 420 Millionen Mark jährlich eingespart werden. Zwar stehen Scharping für 2001 erneut 46,8 Milliarden Mark zur Verfügung, doch zwei Milliarden davon sind bereits für die Bundeswehreinsätze auf dem Balkan verplant.

So ist allenthalben Sparen angesagt; insgesamt sollen 300 Standorte geschlossen werden. Bislang unentdeckte Geldquellen sieht der sonst so spröde Mann plötzlich auch in der Wirtschaft sprudeln. Die 300 Firmen, die seit letztem Jahr den Rahmenvertrag zur »Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr« interessehalber unterzeichnet haben, sollen die laufenden Betriebskosten der Truppe in Friedenszeiten drastisch senken. Die Maßnahmen reichen von der Bereitstellung billigeren Büromaterials über das Management der Fuhrparks, die Simulatorausbildung für den neuen Eurofighter und die Versorgung mit Munition bis hin zum Betrieb des im Aufbau befindlichen Gefechtsübungszentrums des Heeres bei Magdeburg.

Wie immer in der Startphase locken interessierte Firmen mit Dumpingpreisen. So berichtete Scharping den Abgeordneten, dass ihm nun Angebote aus dem IT-Bereich vorlägen, mit denen die derzeitigen Kommunikationskosten der Truppe von elf Milliarden auf 2,5 Milliarden Mark gesenkt werden könnten. Auch in der Bekleidungswirtschaft könnten bis zu 600 Millionen locker gemacht werden. Nach solchen Rechenkunststücken hat Scharping plötzlich Milliarden für Rüstungskäufe in der Hand. Schon im Verteidigungshaushalt 2001 sollen durch die neue Wirtschaftlichkeit bis zu 600 Millionen Mark eingespart werden.

Der geifernde Hetzer des Nato-Krieges gegen Jugoslawien gibt über ein Jahr später den Pfennigfuchser. Er braucht jede Mark, um die Bundeswehr Schritt für Schritt in eine kriegstaugliche Interventionsarmee zu wandeln. Im August setzte er sich deshalb mit seinem Generalinspekteur Harald Kujat sowie den Kommandeuren der Teilstreitkräfte zusammen, um die wirklich wichtigen Rüstungsprojekte für die Schwerpunkte Aufklärung, Tuppenverlegung und Einsatztraining herauszuarbeiten. Dabei kam es zu heftigen Wortgefechten zwischen dem Generalinspekteur und dem Staatssekretär Walther Stützle. Kujat soll dabei angesichts bestimmter Streichungsvorschläge gar mit seinem Rücktritt gedroht haben. Am Ende wurde der dicke Rüstungsbrocken gestrichen. Um unabhängiger von den USA agieren zu können, sollen dennoch vier Aufklärungssatelliten schon ab 2004 in polare Umlaufbahnen geschossen werden. Kostenpunkt: 800 Millionen Mark.

Nicht zur Diskussion stand das 30-Milliarden-Projekt Eurofighter. Schon diesen Dezember beginnt in Manching bei Ingolstadt die Endmontage der ersten von 180 bestellten Maschinen. Ab 2003 sollen sie im Jagdgeschwader 73 »Steinhoff« in Laage bei Rostock alte Phantom- und MiG 29-Maschinen ersetzen.

Auch an der Beschaffung der 73 Airbus A-400M-Militärtransportflugzeuge wurde nicht gerüttelt, obwohl selbst im Verteidigungsministerium davon ausgegangen wird, dass das Projekt weitaus mehr als die veranschlagten zwölf Milliarden Mark kosten wird. Die viermotorige Propellermaschine soll in künftigen Konflikten mehr als 100 vollausgerüstete Soldaten über 7 000 Kilometer weit in Kampfgebiete fliegen können.

Die Kritiker der Rüstungsorgie sitzen nicht wie früher bei den Grünen, sondern in der CDU - auch wenn diese nur den finanziellen Rahmen des Projekts kritisiert. Mit alles in allem 100 Milliarden Mark rechnet der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Paul Breuer. Kommen doch zu den bereits erwähnten Großprojekten weitere 7,4 Milliarden Mark für den Transporthubschrauber NH 90 hinzu, von dem 134 Stück gekauft werden sollen. Der Kampfhubschrauber Tiger soll 5,7 Milliarden kosten, die neuen Korvetten K130 und die Fregatten F124 zusammen zehn Milliarden, acht neue U-Boote 3,4 Milliarden Mark. 3 000 Transportpanzer könnten mit acht Milliarden Mark zu Buche schlagen.

Selbst der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, hält Scharpings Pläne für eine Luftnummer. Doch ein Trugschluss wäre es auch zu glauben, die Rüstungsprojekte müssten zwangsläufig wegen Geldmangels nicht zustande kommen. Gerade der Krieg gegen Jugoslawien hat gezeigt, dass die Truppe unter dem Druck des Einsatzes am Ende alles bekommt, was sie braucht. Und das muss nicht immer teuer sein. So wurden diesen August nach nur neun Monaten Entwicklungszeit die ersten beiden von 56 Allschutz-Transportfahrzeugen Dingo an die Truppe übergeben. Der acht Tonnen schwere gepanzerte Jeep aus dem Hause Krauss-Maffei-Wegmann ist gegen Infanteriemunition und Minen geschützt. Das Fahrzeug mit auf dem Dach montierten Maschinengewehr soll die Panzerwagen Fuchs und Luchs, die in engen Straßen nur schlecht manövrieren können, bei Patrouillenfahrten im Kosovo ablösen.

Daneben präsentierte Heeresinspekteur Helmut Willmann im Sommer den Einsatz neuer Fallschirmjägerkräfte. Diese mit Schäferhunden und Scharfschützen ausgerüsteten 30köpfigen Jagdkommandos haben die Aufgabe, die eigentlichen Truppen vor »verdeckt kämpfenden Gegnern« zu schützen. Im Klartext geht es hier um Partisanenbekämpfung. Dieser Begriff wird aus historischen Gründen aber in der Truppe nicht gern benutzt. Man ist moderner geworden, kämpft mit den Einsatzverfahren »Hit and Run« oder »Search and Attack« - und mit unbemannten Drohnen, um die Partisanen aufzuspüren. Neben der traditionellen, strahlgetriebenen CL 289 wird seit März diesen Jahres die Luna X-2000 benutzt, ein nur 32 Kilogramm schweres Propellerflugzeug, das ein bestimmtes Gebiet vier Stunden lang per Kamera absuchen kann. In Kürze soll ein Kleinfluggerät zur Zielortung folgen. Von einer Minidrohne mit nur 200 Gramm Gewicht und 15 Minuten Flugzeit, mit der Soldaten über den nächsten Hügel schauen können, existiert immerhin schon ein blau lackiertes Versuchsmuster.

Diese Beispiele sprechen dafür, dass Scharping und seine Militärs Rüstungsträume nicht allein träumen. Schließlich haben sie einen potenten Partner: die Rüstungsindustrie.