Verfilmung von »American Psycho«

Keine Angst vor Patrick Bateman

Regisseurin Mary Harrons hat das Monster gezähmt. Mit der Kinoversion von Bret Easton Ellis' »American Psycho« dürften vor allem Herrenausstatter Spaß haben.

Wäre Mary Harrons »American Psycho« eine originär filmische Satire auf Wall Street-Yuppies der achtziger Jahre, so wäre der Regisseurin, die 1996 mit »I Shot Andy Warhol« debütierte, ein streckenweise hochkomischer und in der Reinszenierung des Dekors dieser Ära professionell präziser Film gelungen: angenehm dezent, was Sex und Gewalt angeht, gut und unterhaltsam, keineswegs bahnbrechend. Man könnte sich allerdings über das verstaubte Thema wundern: Dotcom-Millionäre als Protagonisten wären heutzutage zeitgemäß.

Hier handelt es sich aber um die verspätete Verfilmung von Bret Easton Ellis' Roman »American Psycho«, einem Text, der bei, ja noch vor seinem Erscheinen 1991 auf einzigartige Weise für Furore sorgte. Ellis' Porträt eines Wall-Street-Yuppies, dessen Interessen sich auf teure Restaurants, seichte Popmusik, Designerklamotten, Kosmetikartikel, Pornographie, Sex, Folter und Mord erstrecken und beschränken, provozierte neben Protesten von Frauenverbänden vor allem bei den Kritikern einen Sturm der Entrüstung mit allen Zeichen der Hysterie. Zumeist wurden dabei die im Text verhandelten Inhalte mit der moralischen Position des Autors verwechselt. Die altehrwürdige New York Times Book Review druckte einen Artikel mit der Überschrift: »Snuff This Book. Will Bret Easton Ellis Get Away with Murder?«

Ellis landete wegen einiger Seiten, auf denen in der Tat grauenhaft detailbesessen Folter- und Mordszenen geschildert wurden, dann doch nicht in der Todeszelle, sondern avancierte endgültig zum Bestsellerautor. Seine Schriftstellerkarriere, die er im Alter von 18 Jahren mit dem Erfolg von »Unter Null« begann und die mit dem zweiten Buch »Einfach unwiderstehlich« schon wieder zu enden drohte, ist seit »American Psycho« endgültig gesichert. Falls das kalkuliert und der Skandal intendiert war, so dürfte es sich hier immerhin um eines der wenigen Beispiele handeln, wo Kalkül und literarische Leistung eine glückliche Beziehung eingegangen sind.

Beim Film wird der Skandal ausbleiben. Das ist nicht das Problem, beruhte dieser Skandal doch weitgehend auf Missverständnissen. Statt als misogynes Machwerk hätte Ellis' »American Psycho« auch als Illustration zu Andrea Dworkins These, »Pornografie ist die Theorie, Vergewaltigung die Praxis«, verstanden werden können. Nach dem Entrüstungssturm der Presse begannen junge angloamerikanische LiteraturwissenschaftlerInnen auch bald, sich als »Müllmänner der Literaturkritik« zu betätigen (wie eine von ihnen, Elizabeth Young, schrieb), um unter dem Schutt der Verfluchungen das hervorzuholen, was das Buch ausmache: die glanzvolle Abrechnung mit dem Geist der achtziger Jahre und ihrer ökonomisch-medialen Infrastruktur.

Bret Easton Ellis selbst hat inzwischen in tausendundeinem Interview verkündet, wie sehr er die Aspekte unserer Gesellschaft verachtet, die er in dieser wie in allen seinen literarischen Arbeiten thematisiert. Mary Harrons erklärte Absicht, mit ihrer Verfilmung einem missverstandenen Roman seine moralisch-gesellschaftskritische Geltung zu verschaffen, scheint folglich lauter, jedoch rezeptionsgeschichtlich überholt.

Die Regisseurin arbeitet einen möglichen, aber kaum den interessantesten Blick auf ein vergangenes Jahrzehnt heraus: den satirischen. Die Eingangssequenz während der Opening Credits bleibt einer der wenigen Momente, in denen der Film die Möglichkeiten des Mediums ausnutzt. In einer an Krimis der sechziger und siebziger Jahre erinnernden Manier sieht man dicke Tropfen roter Flüssigkeit fallen, die sich ornamentartig verteilen, nimmt zunächst an, dass es sich um Blut handelt, bis die Tropfen schließlich als Fruchtsauce zu einem Post-Nouvelle-Cuisine-Gericht erkennbar werden. Eine schöne Idee, die von den Preiselbeersaft/Blut-Assoziationen im Buch inspiriert ist.

Eine gute Lösung wurde auch für die kapitelweise in das Buch montierten Porträts schwafelnder Popmusiker gefunden, sie wurden zu Monologen umgearbeitet, die Bateman hält, bevor er zum Morden schreitet. Charmant die Splatter-Hommage mit einem nackten, blutbefleckten Bateman, der mit Motorsäge durchs Treppenhaus rennt. Einige der besten Dialoge des Buches wurden originalgetreu übernommen.

Rätsel gibt höchstens die Figur Luis Carruthers auf, ein Kollege Batemans und als Schrankschwuler offenbar auch sein heimlicher Verehrer. Während Carruther bei Ellis genauso gekleidet und gestylt ist wie all die anderen Wallstreet-Männer und entsprechend häufig mit den anderen Wallstreet-Yuppies verwechselt wird, betont der Film sein Anderssein: Halb Filmtunte aus den fünfziger oder sechziger Jahren, halb Clown, fällt er durch Teigigkeit, rote Haare und Mittelscheitel auf. Man wundert sich, dass Mary Harron ihm keinen Regenbogen an das Revers seiner Designeranzüge heftete.

»American Psycho« ist ein Text, der sich filmischer Erzählweisen, z.B. Überblendungen, bedient, der eine Filmwelt zitiert und behauptet, dass die Werte und die Ästhetik der Werbung und der Pornografie die Gesellschaft dominierten; der seine Schlagkraft gerade dadurch gewinnt, dass er Genres wie den Porno- und Splatterfilm in das Medium des literarischen Textes übersetzt und sie, häufig durch simples Nacherzählen von Hardcore-Filmen, denunziert. Um diese dem Text eigene Radikalität zu erhalten, müsste die Rückübersetzung ins Bildmedium Film wohl Splatter- und Porno-Szenen enthalten. Mary Harrons verzichtet darauf. Der Effekt der Banalisierung und der Verbreitung von Langeweile, wie ihn der Roman erzielt, ließe sich so ohnehin nicht reproduzieren.

Ellis' »American Psycho« ist ein in seinen literarischen Mitteln zuweilen auch genial einfacher Text. Seitenlange Duschszenen, Einrichtungs- und Kleidungsbeschreibungen, die aus einer ebenso umfassenden wie nervenaufreibend langweiligen Auflistung der benutzten Produkte, Designermöbel und Modelabels bestehen, dürften bei den meisten Lesern den sexy thrill von Luxusprodukten nachhaltig beschädigt haben. Mary Harrons dagegen dupliziert diese Werbeästhetik eher, als dass sie den Fetisch Luxus denunziert. So verbleibt die Kinoversion von »American Psycho« auf dem Niveau eines Ausstattungsfilmes. Vom ikonoklastischen Furor eines Bret Easton Ellis ist nichts mehr zu spüren.

»American Psycho« (Kanada/USA 2000). R: Mary Harron; D: Christian Bale, William Dafoe, Jared Leto. Start: 7. September