Gedenkfeiern zur Befreiung des KZ Mauthausen

Gedenken ohne Rechte

An der diesjährigen Feier zur Befreiung des KZ Mauthausen wollte auch die FPÖ teilnehmen. Daraus wurde aber nichts.

Es hätte so schön werden sollen: ein alter Steinbruch, zwei kleine Teiche, blauer Himmel, Sonnenuntergang, mittendrin die Wiener Philharmoniker, die Beethovens Neunte spielen. So hatten es sich wohl der eine oder andere Musiker, die Konzertagentur und auch der österreichische Bundespräsident und Schirmherr des musikalischen Ereignisses, Thomas Klestil, vorgestellt.

Der Steinbruch gehört zum Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen, in dem zwischen 1938 und 1945 über 100 000 Gefangene ermordet worden waren. Das Konzert sollte zum 55. Jahrestag der Befreiung des Lagers am 7. Mai stattfinden.

Aber die ehemaligen Häftlinge wollten nicht so recht die Rolle spielen, die sich Veranstalter und Musiker gewünscht hatten. Das Internationale Mauthausen Komitee (IMK), die Organisation der Überlebenden und Veranstalter der jährlichen Befreiungsfeiern, hatte drei Tage zuvor auf seiner jährlichen Sitzung einstimmig den Beschluss gefasst, an dem Konzert nicht teilzunehmen. Die Delegierten aus 18 Ländern appellierten schließlich an alle anreisenden Überlebenden, die Veranstaltung ebenfalls zu boykottieren.

»Die Wiener Philharmoniker haben das Bedürfnis, ihren Ruf, der im Nationalsozialismus gelitten hat, zu retten«, begründete Mirjam Ohringer, Delegierte aus den Niederlanden im IMK den Beschluss. Das Orchester hatte bereits 1938 in vorauseilendem Gehorsam elf jüdische Mitglieder entlassen, sechs von ihnen wurden von den Nazis ermordet.

Zudem befürchteten die IMK-Mitglieder eine Instrumentalisierung des Konzerts durch die österreichische Regierung, insbesondere durch die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). Was zunächst absurd erscheint - eine rechtsextreme Partei in einer KZ-Gedenkstätte -, ist in Österreich dennoch möglich. Denn seit die FPÖ an der Regierung ist, hat sie angekündigt, an Gedenkveranstaltungen teilzunehmen, dort Reden zu halten und Kränze abzulegen. Damit wollen sich die Rechten Akzeptanz als demokratisch gewählte Partei verschaffen.

Für die Gedenkstätte Anlass genug, sich öffentlich zu distanzieren: Hatte doch der ehemalige Vorsitzende der FPÖ, Jörg Haider, vor Jahren unverhohlen verkündet, Konzentrationslager seien keine Vernichtungs-, sondern Arbeitslager gewesen. Auch ein Treffen Haiders mit Veteranen der Waffen-SS ist bei den Überlebenden von Mauthausen nicht vergessen.

Alarmiert waren die Überlebenden zudem wegen des Konzerts der Wiener Philharmoniker: Vor wenigen Wochen hatte ein Europa-Abgeordneter der FPÖ eine Polenreise unternommen und versucht, ehemalige Häftlinge von Mauthausen zum Besuch des Konzerts zu gewinnen - auf FPÖ-Kosten.

Von all diesen Auseinandersetzungen war während des abendlichen Konzerts nichts zu hören. Auch auf die politische Entwicklung seit dem Regierungswechsel in Österreich gingen die RednerInnen nur wenig ein. »Österreich wird mit einem anderen Maßstab gemessen«, stellte Franz Fischler, Mitglied der Europäischen Kommission, fest. Es sei an der Zeit, dem Bekenntnis zur Mittäterschaft im Nationalsozialismus Taten folgen zu lassen.

Bundespräsident Thomas Klestil forderte dazu auf, »den Anfängen zu wehren«, Gleichgültigkeit und Verharmlosung zu bekämpfen. Die leeren Plätze in den Reihen der ehemaligen Häftlinge wurden nicht kommentiert, lediglich eine Grußbotschaft des Nobelpreisträgers Elie Wiesel war deutlich: Wegen der neuen österreichischen Regierung habe er zusammen mit anderen beschlossen, »aus moralischen Gründen ihr Land vorläufig nicht zu besuchen«.

Hinzu kam der Beschluss des IMK, das Konzert zu boykottieren. Wollten die Veranstalter dieses als eigentliche Befreiungsfeier präsentieren, so gab es in der Praxis jedoch kaum einen Zusammenhang zwischen der Feier am Morgen und dem abendlichen Konzert. Die Atmosphäre der Feier wurde zudem durch strenge Sicherheitsvorkehrungen im Steinbruch gestört. »Sogar die Gedenksteine, an denen wir immer Blumen niederlegen, waren so abgesperrt, dass wir dieses Jahr nicht rankamen«, betonte Mirjam Ohringer.

Obwohl 15 000 Menschen zur diesjährigen Feier kamen, bleibt bei vielen von ihnen Unzufriedenheit zurück. War doch in der ursprünglichen Planung für das Jahr 2000 eine noch größere Feier vorgesehen: Es sollte versucht werden, allen überlebenden Häftlingen die Anreise zu ermöglichen. Die alte SPÖ-Regierung hatte die Finanzierung bereits zugesagt, und die Planungen waren angelaufen, als es zum Regierungswechsel kam.

Noch vor der Übergabe der Regierung an ÖVP und FPÖ wurde die Freigabe der Gelder so lange verzögert, dass schließlich keine ausreichenden Mittel zur Verfügung standen. So konnten zur diesjährigen Befreiungsfeier am 7. Mai weit weniger Überlebende als geplant kommen, da insbesondere viele OsteuropäerInnen Anreise und Unterbringung nicht selbst finanzieren können.

Auch strukturell hat der Regierungswechsel in den Organisationen der ehemaligen Häftlinge einiges verändert. Der Verband Mauthausen Aktiv Österreich (MAÖ) wird künftig ohne das Innenministerium auskommen, das bisher - wegen seiner Verwaltungstätigkeit für die Gedenkstätte - im MAÖ aktiv war. Alle Regierungsvertreter wurden zudem in diesem Jahr erstmalig von der Befreiungsfeier ausgeladen.

Da das Innenministerium Verwalter und Geldgeber der Gedenkstätte ist, stellt sich nun die Frage nach den Konsequenzen. Noch seien keine Kürzungen beschlossen worden, erklärt Ingrid Bauz, eine westdeutsche Delegierte im IMK und Mitglied der Antifaschistischen Initiative »Gegen das Vergessen«. Lediglich der Posten für Zivildienstleistende in den österreichischen Gedenkstätten sei abgeschafft worden, weitere Sanktionen seien ihr nicht bekannt: »Noch geht die Regierung nicht auf Konfrontation«, formuliert Bauz ihr vorläufiges Fazit.