Neues Polizeigesetz in Sachsen-Anhalt

Nie wieder Chaos

Wo regiert, koaliert oder toleriert wird, müssen Entscheidungen getroffen werden. Da sind klare Worte gefragt. Zum Beispiel in Magdeburg: »Keinen Kompromiss« werde es im Streit mit den Sozialdemokraten um das geplante Polizeigesetz geben, ließ der Fraktionsvize Matthias Gärtner noch vor einem Monat wissen. Mittlerweile ist der Parteilinke einen Schritt weiter. Künftig werden seine Demokratischen Sozialisten »unter erheblichen Belastungen« mit der Tolerierungspartnerin SPD leben müssen. Und mit einem verschärften Polizeigesetz, das nächste Woche Sachsen-Anhalts Landesparlament passieren wird.

Klarer Fall: Würden die Rotsocken bei jeder Provokation des SPD-Scharfmachers und Innenministers Manfred Püchel auf Konfrontation gehen, hätten sie sich das bisschen Magdeburger Mitbestimmung längst in die Haare schmieren können. Was aber nicht weiter aufgefallen wäre, da die Bilanz doch eher bescheiden ausfällt: Bereits Anfang 1999 einigten sich die Sozis beider Parteien auf eine neoliberal orientierte Sparpolitik, um die Nettoverschuldung um lockere 324 Millionen Mark herunterzuschrauben. Ein halbes Jahr später ließ sich die PDS bei der Ausgabenkürzung für die Kinderbetreuung weichklopfen. Dabei zählte gerade die erhöhte Pro-Kopf-Pauschale für Kitas zu den wenigen Erfolgen, die sich die Sozialisten nach Ablauf der ersten Tolerierungsperiode an die Brust heften konnten.

Konsequent ist man also geblieben. Und das war nicht anders zu erwarten, nachdem sich Bundeschef Lothar Bisky schon vor den ersten Verhandlungen mit Reinhard Höppners Truppe äußerst kooperativ zeigte: »Vorbedingungen werden von uns keine gestellt.« Folgerichtig heißt es auch jetzt Stillhalten, wenn ein »polizeilicher Ermächtigungsparagraf«, wie Gärtner das Gesetz nennt, verabschiedet werden soll.

Künftig können dann auch zwischen Halle und Tangermünde öffentliche Plätze von Videokameras überwacht werden, zudem dürfen Polizeibeamte verdachtsunabhängig kontrollieren und Aufenthaltsverbote für öffentliche Plätze aussprechen - Verschärfungen, die auf der PDS-Homepage zu Recht als »Vorverlagerung polizeilicher Ermittlungs- und Eingriffbefugnisse in den sozialen Raum« bezeichnet werden.

Aber sei's drum. Im Gegensatz zu den grünen Kollegen aus Nordrhein-Westfalen sind die Magdeburger Rotsocken fein raus. Hatten die Düsseldorfer Koalitionäre letzte Woche der Video-Überwachung, freilich mit »Bauchschmerzen«, zustimmen müssen, so findet die Gesetzesverabschiedung in Sachsen-Anhalt offiziell nicht mit Hilfe der Sozialisten statt. Das Verfahren ist denkbar einfach: Wenn die Änderung am kommenden Donnerstag im Landtag verhandelt wird, enthalten sich die PDS-Parlamentäre einfach der Stimme. Für die notwendige Mehrheit sorgt dann eben die Union. Und dann kann munter weiter toleriert werden.

Dass dieses Vorgehen den Tolerierungsvereinbarungen widerspricht, stecken die Sozialisten weg. Schließlich habe man sich, so der parlamentarische Geschäftsführer Wulf Gallert, auf über 60 gemeinsame gesetzliche Initiativen geeinigt. Etwa bei Landeskulturkonzepten, Friedhof- und Naturparkgesetzen sowie der Novellierung der Landesbauordnung. Und bei der Kommunal- und Verwaltungsreform. Tolerieren heißt eben gestalten.

Ordnungspolitiker können indes zufrieden sein: Galt Sachsen-Anhalt Anfang der Neunziger als Inbegriff für Skandale, so lässt sich im rosaroten Bündnis mit ein bisschen konsequenzloser Aufregung fast alles durchsetzen. Zumal man sich im Grunde einig ist: »Wir tun alles, damit das Land nicht im Chaos versinkt«, erklärt etwa PDS-Geschäftsführer Gallert. Da darf sich dann auch die Wählerschaft freuen: Die nämlich steht, wer hätte anderes gedacht, mehrheitlich auf autoritäre Lösungen. Zum Beispiel auf erweiterte polizeiliche Befugnisse. Damit das Land nicht im Chaos versinkt.