WCOTC wäscht weißer

In den USA nehmen rechtsextremer Terror und antisemitische Hetze weiter zu. An der Spitze der militanten Bewegung: Die World Church of the Creator.

Benjamin Smith ist kein Einzelfall. Zwei Menschen starben und neun weitere wurden verletzt, als der 21jährige im Juli letzten Jahres auf Menschenjagd ging. Smith hatte in den US-Bundesstaaten Illinois und Indiana wahllos auf Schwarze, Juden und Asiaten geschossen, ehe er sich selbst tötete. Bis dahin war er »Gruppenleiter« der rassistischen World Church of the Creator (WCOTC) gewesen, einer der bekanntesten Gruppierungen aus dem militanten rechtsextremen Spektrum der USA.

Neben dieser Gruppe, deren Mitglieder schon früher durch ihre Gewalttätigkeit aufgefallen waren, sind heute rund 500 weitere so genannte hate groups in den USA aktiv. Der Einfluss dieser Organisationen ist zwar relativ gering, wächst seit den frühen achtziger Jahren jedoch kontinuierlich. Rund 200 000 US-Amerikaner stehen der rechtsradikalen Szene nahe, schätzen Fachleute. Die Anhänger kommen aus der Mitte der Gesellschaft: So ergab eine Umfrage der Anti Defamation League (ADL) von 1998, dass zwölf Prozent der US-Amerikaner - 20 bis 25 Millionen Erwachsene - antisemitisch denken. 1964 waren es noch 29 Prozent gewesen.

Antisemitismus ist auch die ideologische Grundlage der World Church of the Creator: »Wir lehnen die gegenwärtigen judeo-demokratischen-marxistischen Werte ganz ab und ersetzen diese durch neue Grundwerte, die auf Rasse gründen«, formulierte der Church-Gründer Ben Klassen, ein in der Ukraine geborener ehemaliger Kongress-Abgeordneter des Staates Florida, bereits 1973. Auch das Christentum lehnt die WCOTC im Gegensatz zu den meisten anderen rechtsextremen Gruppen in den USA - als eine »schreckliche Waffe des jüdischen Planes zur Rassenvermischung« - ab. Die WCOTC-Nazis wollen ganz groß rauskommen: Sie fordern nicht nur eine »weiße Nation«, sondern wollen »eine ganz weiße Welt« schaffen.

In der ersten Hälfte der neunziger Jahre profilierte sich die Organisation als eine der gewalttätigsten Gruppen der extremen Rechten und entwickelte sich zum Sammelbecken für einige Hundert Skins und andere weiße »Übermenschen« aus den USA, aber auch aus dem Ausland. Bereits 1991 ermordete eines ihrer Mitglieder einen schwarzen Ex-Soldaten - und wurde dafür zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Familie des Opfers erhielt vom Gericht einen Schadensersatz von einer Million US-Dollar zugesprochen.

Der Terror ging weiter. Im August 1997 griffen Skins, die der WCOTC angehörten, zwei Männer nach einem Rockkonzert an und schlugen die beiden brutal zusammen. Der WCOTC-Leiter von Florida, der während des Überfalls »White Power!« geschrien hatte, wurde verhaftet und wegen hate crimes - die in den meisten Staaten der USA besonders geahndet werden - vor Gericht gestellt.

Nach diesem Gesetz wurden ein Jahr später vier weitere Mitglieder der Organisation zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt: Um Gelder für die WCOTC in Illinois zu beschaffen, hatten sie im März 1998 einen bewaffneten Raubüberfall in Florida begangen. Den Besitzer eines Videogeschäfts schlugen sie zusammen, weil »sie glaubten, dass Mediengeschäfte von Juden kontrolliert werden und es erlaubt sei, Juden zu bestehlen«. Die Vorlage für den Überfall lieferte ihnen das Buch »The Turner Diaries« des Nazis William Pierce, der darin eine ähnliche Tat schildert.

Ebenfalls im Kampf gegen das »jüdische System« befindet sich Matt Hale. Seit 1996 steht der 31jährige an der Spitze der Organisation, nachdem er sich bereits von früher Jugend an in rechtsextremistischen Bewegungen engagiert hatte - und dabei immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten war.

Obwohl er 1998 sein Jurastudium beendet und sein Staatsexamen in Illinois abgelegt hatte, wurde ihm vom Staat die Anwaltslizenz nicht erteilt. Dagegen erhob Hale Einspruch und forderte im Januar 1999 die »Weiße-Rasse-Loyalisten« innerhalb und außerhalb der WCOTC auf, »vereint gegen einen weiteren Versuch, unsere Rasse im Gericht zu entmachten«, vorzugehen. Seine Anhänger spornte er an, »unser Äußerstes zu tun, um eine Vernichtung des jüdischen Systems herbeizuführen«. Ohne Erfolg: Am 2. Juli 1999 lehnte das oberste Gericht des Staates Illinois den Einspruch von Hale ab.

Am gleichen Tag begann Benjamin Smith seine mörderische Schießerei. Hale gab noch am selben Tag folgende Erklärung ab: »Man hat mir meine wertvollsten Rechte, die auf Meinung und Religion, verweigert. Wenn Gerichte für 'nicht genehmigte Religionen' geschlossen werden, dann kann Amerika sich nur auf den Weg zur Gewalt begeben.« Von der New York Times gefragt, ob die Schießerei von Smith mit der Ablehnung seines Einspruchs zu tun hätte, antwortete Hale: »Jawohl, so ist es.«