Fischer und seine Armee

Der Ruf des Zauberlehrlings

Sie wollten einst die Welt verändern, die Grünen. Ihr Frontmann Joseph Fischer gefiel sich als Abgeordneter in Protestsportschuhen. Beim heutigen Außenminister unterstützen Designer-Anzüge souveränes Auftreten für Deutschland. Doch die und diplomatische Werkzeuge wie Verhandlungsgeschick und Verstand genügen dem Machtpolitiker längst nicht mehr. Er braucht eine Keule.

Letzte Woche forderte Fischer deshalb in der neuen schicken Financial Times Deutschland, die im laufenden Sparhaushalt freigesetzten Milliarden in den Wehrhaushalt zu stecken. Formuliert wurde das etwas diplomatischer. Fischer pocht darauf, »dass Deutschland seiner Verantwortung in der Sicherheits- und Außenpolitik« gerecht werden müsse. Dazu seien finanzielle »Prioritäten« neu zu bestimmen. Vergessen die Klauseln im rot-grünen Koalitionsvertrag, wo einseitige Abrüstungsschritte Deutschlands als sinnvoll bezeichnet werden.

Auch die Wehrpflicht, die nur zum Aufbau eines Massenheeres für einen derzeit unwahrscheinlichen Krieg an den eigenen Grenzen taugt, erscheint dem Außenminister längst überflüssig. Vor allem, da sich die USA, Großbritannien und zuletzt Nachbar Frankreich längst auf schnell einsetzbare Berufsarmeen stützen. Dieser Entwicklung im Bündnis könne sich Deutschland »auf Dauer nicht entziehen«. Die Einmischung Fischers in die gerade laufenden Strukturdiskussionen in der Weizsäcker-Kommission sorgte im Verteidigungsministerium für Unmut: Eine Abschaffung der Wehrpflicht werde es unter Scharping nicht geben, hieß es unversöhnlich.

Fischers Ruf nach deutschem Militär riecht nach Kapitulation der Diplomatie und des Denkens. In welchen Schubladen sind die Pläne verschwunden, mit eingesparten Bundeswehrgeldern zivile Konfliktlöser auszubilden und vorausschauend in die Welt zu schicken? Das Erlebnis des Jugoslawien-Krieges der Nato, der keines der Probleme in der Region löste, führte bei Fischer offenbar zum fatalen Kurzschluss, die Welt, diesmal konkret Jugoslawien, beim nächsten Krieg eben mit einer hartgesotteneren Truppe auf Vordermann bringen zu können.

Vorbild sind Fischer dabei die US-Amerikaner. Die militärischen Forderungen des Außenministers scheinen eine direkte Folge der Standpauke zu sein, die US-Verteidigungsminister William Cohen Anfang Februar während der so genannten Münchener Sicherheitskonferenz auch Fischer und Scharping hielt. »Man kann nicht immer nur Haushalte reduzieren und auf die USA hoffen«, belehrte Cohen. Im Kosovo-Krieg hätten die Europäer deshalb auf vielen Gebieten militärisch nicht mithalten können. Zauberlehrling Fischer aber will mithalten, die 45,3 Milliarden Mark im Wehrhaushalt 2000 müssen ihm geradezu peinlich sein.

Frieden an der Adria scheint ihm nur machbar, wenn in Belgrad endlich eine Demokratie nach deutschem Schnitt durchgesetzt werden kann. Auf die Macht der Worte will Fischer dabei nicht mehr vertrauen. Er setzt auf Militär. Beispielsweise die gemeinsame 60 000-Mann-Armee, die die EU-Staaten in den nächsten drei Jahren zur schnellen Verlegung in Krisen- und Kriegsgebiete aufbauen wollen.

Die Grünen mit ihren pazifistischen Wurzeln, die Bundesregierung oder Deutschland sind ihm dabei längst zu klein. Fischer arbeitet daran, der Weltmacht USA »eines fernen Tages« nicht mehr in einem Haufen von europäischen Klein- und Mittelmächten gegenübersitzen zu müssen. Er träumt von einer machtbewussten Europäischen Union, die mit den USA auch militärisch darum streiten kann, der Welt ihren Stempel aufzudrücken.