Das Volk und die Kunst

In »Sissi«, mit Romy Schneider als Kaiserin und Karlheinz Böhm als ihrem Mann, gibt es eine Szene während der Hochzeit der beiden, wo Abgesandte jeder Region der großen österreichisch-ungarischen Monarchie hoch zu Ross angeritten kommen und Heimaterde zu einem großen Haufen aufschütten. Jede Region hat ihren Abgesandten, und am Ende ist der Erdhügel ziemlich hoch.

So etwas Ähnliches wird Hans Haacke vorgeschwebt haben, als er sich mit seinem Kunstwerk »Der Bevölkerung« für die »Kunst am Bau»-Reihe des Reichstags bewarb. Ein riesiger Blumenkübel im nördlichen Innenhof soll es werden, voller Erde aus ganz Deutschland, die die Abgeordneten aus ihren Wahlkreisen mitbringen - Erde, die mit der Zeit von herumschwirrenden Samen und Pollen mit Blumen und Gräsern verschönert werden soll. So einfach ist es jedoch nicht, denn die Aufschrift »Der Bevölkerung« erhitzt die Gemüter. Der Schriftzug sei als Ergänzung zur historischen Giebelinschrift »Dem deutschen Volk« gedacht, ließ Haacke verlauten, worauf es aus der CDU/CSU-Fraktion hieß, das Ganze sei verfassungswidrig. Der Abgeordnete Volker Kauder aus Baden-Württemberg fand sogar, hier werde »in unglaublich aggressiver Art und Weise« der Begriff des deutschen Volkes diffamiert. Trotzdem entschied sich der Kunstbeirat schließlich für den Trog.

Damit könnte die Geschichte eigentlich zu Ende sein, hätten sich der Schriftsteller Günter de Bruyn nicht kritisch zu dem Kunstwerk geäußert, Walter Kempowski es »altmodisch« geheißen und Christoph Schlingensief sich von Haacke distanziert. Das musste doch noch weggemeldet werden.