Elf-Affäre in Frankreich

Cercle de la Corruption

Die verästelte Affäre um das Finanzgebaren des französischen Erdöl-Giganten Elf scheint noch lange nicht vor ihrem Abschluss zu stehen. Am 26. Januar leitete die französische Justiz ein weiteres Ermittlungsverfahren ein. In dessen Mittelpunkt steht die Beziehung des ehemaligen Finanz- und Wirtschaftsministers Dominique Strauss-Kahn zu dem Konzern. »DSK« war am 2. November von seinem Ministerposten zurückgetreten, weil ihm vorgeworfen wurde, sich der Gelder der studentischen Krankenkasse MNEF bedient zu haben.

Die neuen Vorwürfe reichen weiter zurück - bis 1993: Nach der Wahlniederlage der Sozialisten habe Strauss-Kahn seine persönliche Sekretärin vom Elf-Konzern bezahlen lassen. Evelyne Duval verdiente 16 000 Francs (2 700 Euro) monatlich mit einer Halbtagsstelle als Sekretärin des Cercle de l'Industrie. Diese Gruppe, die bei der EU-Kommission in Brüssel Lobby-Arbeit für die französische Industrie betrieb, hatte DSK nach seinem Wechsel in die Opposition ins Leben gerufen. Während des Jahres 1993 beglich Elf Duvals Gehälter, bevor der »Cercle« selbst ihre Bezahlung übernahm. Das Gericht deutet diesen Tatbestand als indirekte Zahlung an Strauss-Kahn und sieht Anhaltspunkte für »Komplizenschaft und Hehlerei bei der Hinterziehung von Gesellschafts-Vermögen«.

Für Premierminister Lionel Jospin eine schlechte Nachricht: Er hatte fest darauf gesetzt, dass Strauss-Kahn alsbald von den Vorwürfen in der MNEF-Affäre gereinigt und damit erneut für ein hohes politisches Amt verwendbar sei. Jetzt kann DSK sich immerhin damit trösten, dass er als Elf-Schmiergeld-Empfänger bestimmt nicht alleine ist. Nach einem Bericht der Financial Times sollen dem damaligen Staatskonzern während der Präsidentschaft von Lo•k Le Floch-Prigent - zwischen 1989 und 1993 - insgesamt 25 Milliarden Francs (vier Milliarden Euro) durch Bestechungsgelder und Vetternwirtschaft abhanden gekommen sein. Mit 5,4 Milliarden Francs kommen dabei die Verluste zum Anschlag, die Elf beim Kauf der Leuna-Raffinerie und der Minol-Tankstellenkette in der Ex-DDR machte. Doch nicht alle Gelder, die Elf flöten gingen, erfüllten eine politische Funktion - so setzte Le Floch-Prigent an der Spitze von Elf über eine halbe Milliarde in den Sand, um das marode Textilunternehmen seines persönlichen Freundes Maurice Bidermann aufzupäppeln - vergeblich.

Gesellschaft könnte Strauss-Kahn bald bekommen, wenn der Genfer Untersuchungsrichter Paul Perraudin die Ergebnisse der Auswertung von 18 Kisten Aktenmaterial bekannt gibt, die er in den Archiven des Schweizer Konzern-Ablegers Elf International Services beschlagnahmt hat. Über die bereits bekannten 44 Empfänger regelmäßiger »Gehälter« hinaus ist von weiteren 105 Nutznießern die Rede. Der dickste Brocken soll sich dabei im Vorgarten des französischen national-populistischen Politikers Charles Pasqua befinden. Der frühere gaullistische Innenminister ist zugleich eine Schlüsselfigur der Geheimdienst-Netze des Landes. Eine ganze Reihe seiner Familienangehörigen erhielt offenbar regelmäßige Zahlungen von der Schweizer Elf-Filiale.