Lehrer lieben!

Haben Sie während Ihrer Schulzeit auch mal daran gedacht, einen Lehrer umzubringen? Gut, dass Sie es nicht getan haben. Jugendliche sollten sich besser verlieben

Heute früh musste ich kräftig lachen. Da gab's im Frühstücksfernsehen einen Knastbericht, das machen die schon die ganze Woche. Einer saß wegen Totschlags. Der hatte seine Schwiegermutter umgebracht. Da fragt der Reporter: "Und wie ist es dazu gekommen, dass Sie der einen übergezogen haben?" Na ja, vielleicht hat der Reporter selber eine Schwiegermutter, der er sonstwas an den Hals wünscht - jedenfalls gibt es einige Leute, die eine ganze Menge andere tot sehen wollen. Aber das geht nicht. Man kann nicht einfach einen umbringen, bloß weil man ihn nicht mag.

Die Gefängisse sind voll von Leuten, die das anders sehen. Der Junge aus Meißen hatte wohl psychische Probleme. Junge Attentäter sollten besser bei ihren Videospielen bleiben. Obwohl zu überlegen ist: Ist das exzessive Ballern auf dem Bildschirm schon Ausdruck einer psychischen Labilität? Oder werden die erst durch das Ballern psycholabil? Das fragen sich auch die Psychologen. Offenkundig aber ist, dass heute immer mehr Leute den Bezug zur Realität verlieren.

Ich finde, dass man nicht kriminell werden sollte. Und wenn man es unbedingt sein möchte: Wie soll das denn weitergehen? Der Junge wird in zehn Jahren wieder draußen sein. Und dann? Die meisten kommen doch schlimmer raus aus dem Jugendknast als rein.

Mit solchen Leuten möchte ich nicht in der Zelle sitzen. Aber ich muss ja. Wer in so jungen Jahren schon so gewalttätig ist, ist meist nicht besonders helle. Leider gibt es viel zu wenig intelligente Leute im Knast. Mir wäre lieber, wenn ich mich ab und zu mal mit einem unterhalten könnte. Ich habe aber auch schon Mörder kennengelernt, die konnten ganz nette Menschen sein - wenn sie nicht getrunken hatten. Und da wird's schwierig, die einen von den anderen zu unterscheiden: Denn nicht jeder Verbrecher sieht auch so aus wie einer. Nur mal ein Beispiel: Letzte Woche habe ich Jens Jeremies im Fernsehen gesehen. Der, der so hart zutritt. Und der sieht aus wie ein Knastbruder, ist aber gar keiner, sondern spielt bei Bayern München Fußball und verdient jede Menge Geld.

Ich glaube, die Gesellschaft ist in einem schlechten Zustand. Aber Glauben nützt ja nichts. An Gott glauben tut heute kaum noch einer, und helfen würde es wohl auch nicht. Wir haben 16 Jahre an Kohl geglaubt, das war auch umsonst. Ob das ganze Geschrei nach härteren Gesetzen wieder losgeht? Bestimmt. Genauso wie das Gerede, dass früher alles besser war. Lehrer umbringen zu verbieten, bringt gar nichts, schon, weil das schon verboten ist. Hätte ich meinen Lehrer töten wollen? Nein, ich glaube nicht. Der hat mich noch verprügelt - damals ist es eben noch umgekehrt gewesen mit der Gewalt an Schulen. Dieses Gewaltmonopol haben die Lehrer heute offensichtlich nicht mehr.

Ich wurde 1956 eingeschult. Das waren noch Pauker von der alten Garde, da herrschte Zucht und Ordnung. Meine Klassenlehrerin hat mir mal eine Ohrfeige gegeben, sodass ich über den Tisch geflogen bin. Allerdings hatte ich nicht den Wunsch, sie gleich umzubringen. Ich habe mich mit 15 lieber für Mädels interessiert. Ich habe mich noch in Liebes- statt in Gewaltphantasien verstiegen. Leider hatte ich keine Lehrerin, die so attraktiv gewesen wäre, dass ich mich in sie hätte verlieben können. Schüler sollten sich lieber in die Lehrerin verlieben als sie zu töten. Oder in den Rektor, je nach Neigung.

Modell-Eisenbahner Arno "Dagobert" Funke, 49, ist bei einem Teil der deutschen Bevölkerung der beliebteste Bankdrücker und hat seit kurzem eine neue Freundin.

Er lebt und sitzt in Berlin. Dagoberts Räsonnement wurde aufgezeichnet von Jürgen Kiontke.