Virtueller Widerstand

British Nuclear Fuels vs. Greenpeace: Dem Kampf ums Geld folgt nun der Kampf ums Image

"The nuclear industry wants to stop you from looking at this page. Click here to defy them." So einfach ist es, Widerstand zu leisten. Mit einem Mausklick können es Internet-UserInnen der Nuklear-Industrie so richtig zeigen - indem sie die Webseite der Umweltschutzorganisation Greenpeace aufrufen.

Inzwischen funktioniert die Greenpeace-Homepage wieder ganz normal, die Gefahr ist zunächst gebannt. Und die Wirklichkeit war vielleicht nicht ganz so brenzlig, wie von der Öko-Fraktion cyber-wirksam dargeboten. Tatsächlich erlebte Greenpeace jedoch vor zwei Wochen eine neue Dimension der legalen Grenzen ihres Engagements.

Am 21. Juli ließ der britische Atom-Riese British Nuclear Fuels (BNFL) ein Konto der Amsterdamer Greenpeace-Zentrale sperren. Der Grund: Greenpeace habe, so ein BNFL-Sprecher, den Nuklear-Frachter Pacific Pintail beim Auslaufen aus Barrow-in-Furness nach Japan behindert und dadurch einen Schaden von 90 775 britischen Pfund verursacht. Um sicher zu gehen, gegebenenfalls Zugriff auf das Geld zu haben, leitete BNFL die Kontosperrung ein.

Bei dem geforderten Schadensersatz handelt es sich um eine Kleinigkeit gegenüber dem Geschäft, das BNFL und dem französischen Energieunternehmen Cogéma tatsächlich winkt. Denn das, was gerade stattfindet, muß eigentlich als Testfahrt bezeichnet werden. Auch Frankreich schickte am selben Tag auf dem Frachter Pacific Tail seinen ersten Mox-Transport aus Cherbourg, einem kleinen Hafen in der Normandie, los. Das Ziel ist Japan, hier sollen die Mixed-Oxide-Brennstäbe in den AKW von Fukushima und Takahama für frischen Strom sorgen.

Was hier stattfindet, ist eigentlich Recycling. Eine Prozedur allerdings, die das atomare Risiko einmal um die halbe Welt trägt. Hin und zurück: Ausgediente atomare Brennelemente aus Japan waren im französischen La Hague und im britischen Sellafield wiederaufbereitet und zu sogenannten Mox-Stäben verarbeitet worden. Jetzt schippern die 40 Mox-Brennelemente ˆ 446 Kilogramm Plutonium im Auftrag der Pacific Nuclear Transport Limited (PNTL) 20 000 Meilen weit via Kap der Guten Hoffnung, Indischer Ozean und Süd-Pazifik nach Japan zurück. Erst im September sollen die Schiffe dort ihre gefährliche Fracht loswerden.

Geht alles gut, machen die französischen und britischen Unternehmen, die zusammen die PNTL besitzen, ein Riesengeschäft. Langfristig plant Japan nämlich, mehrere Reaktoren mit solchen Mox-Brennstäben zu betreiben. Nach einer Greenpeace-Schätzung ist in den nächsten zehn Jahren mit 80 weiteren Transporten zu rechnen.

Kein Wunder also, daß zur Jungfernfahrt StörerInnen nicht erwünscht waren. BNFL und Cogéma schafften es, die jeweils in Barrow-in-Furness und Cherbourg eingelaufenen Greenpeace-Kutter aus der Nähe der Nuklear-Lastkähne zu verbannen.

Aus "Sicherheitsgründen", wie es in den gerichtlichen Urteilen heißt. Aus denselben Gründen blieb auch der Zeitpunkt des Auslaufens bis kurz vor dem Start geheim. "Die maritime Route und die approximative Ankunftszeit in Japan werden einen Tag nach der Abfahrt aus Europa mitgeteilt", verriet eine Pressemitteilung der BNFL am 19. Juli. Ein System von internationalen Bestimmungen garantiere die absolute Sicherheit des Transports, teilte die britische Firma weiterhin mit.

"Die beiden Schiffe wurden zudem mit Kanonen und ausgebildetem Sicherheitspersonal bestückt, sie werden sich gegenseitig beschützen", versichert Janine Claber, Pressesprecherin der BNFL, gegenüber Jungle World. "Jedes dieser Schiffe befördert eine Viertel Tonne Plutonium, sieben Tonnen hochexplosive Munition und 1 100 Tonnen Öl", kontert Damon Moglen von Greenpeace International, "das ist ein gutes Rezept für eine Katastrophe."

Greenpeace weist zudem auf andere Einsatzgebiete des Plutoniums hin: Die rund 400 Kilogramm würden ausreichen, um 60 Atombomben herzustellen. Inzwischen haben auch die Regierungen aus Irland, Neuseeland, Südafrika und Südkorea sowie aus 25 Karibik-und 16 Süd-Pazifik-Staaten ihre Bedenken gegenüber den Plutonium-Transporten angemeldet.

BNFL hob am vergangenen Freitag die Sperrung des Greenpeace-Kontos wieder auf. "Ein Dialog wurde jetzt begonnen", kündigt eine Mitteilung an. Man habe es deshalb für "angemessen" gehalten, die Konten wieder freizugeben. Für Greenpeace ist damit die

Gefahr jedoch keineswegs gebannt. Denn die Schadensersatzforderung von 90 000 britischen Pfund bleibt bestehen.

Der gerichtliche Schritt wird von BNFL als "natürliche Konsequenz" des entstandenen Schadens bezeichnet. Eine Reaktion, mit der das britische Unternehmen nicht alleine dasteht. "Sie hoffen, auf diese Art und Weise eine öffentliche Debatte zu unterbinden", bestätigt Jon Walter, Pressesprecher von Greenpeace International, "die Strategie, per Gerichtsweg gegen uns vorzugehen, verfolgen immer mehr Unternehmen." Die Zahl der Entschädigungsforderungen habe in der letzten Zeit zugenommen.

Noch können die Drohgebärden der Atom-Industrie die Umweltaktionsgruppe nicht so recht beeindrucken. Zumindest nach außen läßt man sich nichts anmerken. Im Gegenteil: In gewohnter Manier fügt Greenpeace die Gerichtsklagen in die hauseigene Werbe-Strategie ein. Frei nach dem Motto: Je größer die Industrielobby sich aufbläht und je kleiner der friedliche Öko-David dagegen wirkt, desto beeindruckender die Wirkung der mutigen Einsätze beim Publikum.

Wenn dann die Spendenkasse klingelt, geht die Rechnung auf. "We are mobilizing a global network to ensure that our Web pages will continue to bring you information. We will not be silenced. We will not be shut down", kündigt die Webseite kämpferisch an.